—— 79 — Alſo, meine Herren, auch die Städteordnung von 1853 und die Ausführungsbeſtimmung dazu hat uns im Stich gelaſſen gegenüber der Frage, wie weit unſere Rechte an den Schulen reichen. Wir haben nur erfahren: ſie reichen genau ſo weit wie vorher auch, ſie ſind nicht weiter berührt worden. Wir müſſen alſo tatſächlich aus dem Jahre 1905 noch einen Schritt weiter zurückgehen und kommen nun allerdings ſchon, wenn auch nicht bis aufs allgemeine Landrecht, ſo doch beinah 100 Jahre zurück, nämlich bis zu der Städteordnung vom Jahre 1808. In dieſer Städteordnung vom Jahre 1808 endlich finden wir in § 179 als Angelegenheiten, die zur Geſchäfts⸗ verwaltung der Deputationen und Kommiſſionen — und zwar ſtädtiſchen Deputationen und Kom⸗ miſſionen — geeignet ſind, unter b: Schulſachen. Da wird klipp und klar ausgeſprochen, daß Schul⸗ angelegenheiten Angelegenheiten zur Verwaltung in ſtädtiſchen Deputationen und Kommiſſionen ſind. Und dieſer Standpunkt, meine Herren, iſt ſeitdem durch die ſpäteren Geſetze nicht mehr geändert worden. Demgemäß beſteht es zu Recht das heißt auf dem Papier zu Recht —, daß Schulangelegenheiten ſtädtiſche Angelegenheiten ſind. § 179b: Schulſachen fährt fort: Die Organiſation der Behörden zur Beſorgung der inneren Angelegenheiten wird beſonderen Beſtimmungen vorbehalten. Dieſe beſonderen Beſtimmungen finden wir dann in der Miniſterialinſtruktion von 1811, auf die auch die Mehrheit des Ausſchuſſes ſich beruft, und welche die Mehrheit des Ausſchuſſes in dieſe Vorlage in dem Zuſatz zur Geſchäftsanweiſung ſogar hineingearbeitet hat. In der Tat iſt die Miniſterialinſtruktion, alſo eine Ausführungsbeſtimmung zu der Städteordnung von 1808, diejenige Beſtimmung, auf der dann die Einſetzung der Schuldeputationen beruht, und die nun ihrerſeits ebenfalls keinen Unterſchied zwiſchen inneren und äußeren Angelegenheiten macht, ſondern die eben zu der gemeinſamen Verwaltung eine einzige gemeinſame ſtädtiſche Deputation einſetzt. Aber, meine Herren, dieſe Miniſterialinſtruktion von 1811 ſetzt gleichzeitig feſt das Recht der Re⸗ gierung zur Beſtätigung der Mitglieder der Schul⸗ deputation. Und das kann dieſe Miniſterialinſtruktion nicht rechtlich verbindlich; denn da die Miniſterial⸗ inſtruktion nur eine Ausführungsbeſtimmung zur Städteordnung von 1808 iſt, dieſe Städteordnung von 1808 aber Geſetzeskraft hatte, ſo konnte ſie nicht durch eine Miniſterialinſtruktion abgeändert werden. Die Städteordnung aber kennt ein ſolches Recht der Regierung nicht, und infolgedeſſen kann auch durch ein ſolches Recht nicht geſchaffen werden. Meine Herren, dieſen Rechtsſtandpunkt, den ich hier entwickelt habe, haben dann der Regierung gegenüber Stadtverwaltungen mehrfach eingenommen, mit Erfolg eingenommen, und erſt in den letzten Jahren hat z. B. auch unſere Nachbarreſidenz Berlin ſich dem Anfſinnen der Regierung gefügt und die Interpretation der Regierung zu ihrer eigenen ge⸗ macht. Es kann das nicht übermäßig verwundern, wenn man weiß, daß in den letzten Jahren in unſerer Nachbarreſidenz Berlin die ſogenannte liberale Partei die Mehrheit hat. (Heiterkeit.) In früheren Jahren, unter der Führung des Herrn Stadtverordneten Rudolph von Gneiſt, der weit mehr ſeiner politiſchen Geſinnung nach den Herren nahe ſtand, die auf der andern Seite dieſes Saales ſitzen, hat die Stadtverordnetenverſammlung dieſe Aus⸗ legung der Regierung ſtets energiſch und kräftig zurückgewieſen. (Stadtv. Dr. v. Liszt: Sehr richtig!) Und in noch früheren Jahren, in den 50er Jahren, als noch weiter rechts ſtehende Herren in Berlin an der Spitze ſtanden, iſt das nicht minder kräftig ge⸗ ſchehen, wie in den 60er Jahren mit dem Herrn von Gneiſt. Nun, meine Herren, meine ich, wir haben gar keine Veranlaſſung, uns dem Rechtsſtandpunkt der Regie⸗ rung, einem lediglich durch Interpretation geſchaffenen Standpunkt, zu beugen und unſererſeits nun anzu⸗ erkennen, daß die Schuldepution der Beſtätigung der Regierung bedarf, unſererſeits alſo Rückſicht zu rehmen auf die etwa zu erwartende oder ausbleibende Beſtätigung ſeitens der Regierung. Dieſen prin⸗ zipiellen Standpunkt möchte ich um ſo ſchärfer be⸗ tonen und hervorheben, als ich es für einen ſchweren Einariff in die Rechte der Selbſtverwaltung halten würde, wenn etwa die Mehrheit der Stadtverordneten⸗ verſammlung das Beſtätigungsrecht der Regierung anerkennen würde. Von dieſen prinzipiellen Erwägungen ausgehend, würden wir dazu kommen, über unſere Schuldepution ſelbſtändig zu beſtimmen, unſere Schuldeputation ſelbſtändig zu wählen, ihre Zuſammenſetzung zu beſtimmen. Wir könnten uns zwar dann mit dem Bewußtſein tröſten, daß wir auf dem Wege Rechtens ſind, daß wir durchaus innerhalb der rechtlichen Befugniſſe bleiben, daß wir das tun, was durch Geſetze und Recht uns zuſteht. Dies Bewußtſein, meine Herren, mag ja ſehr ſchön ſein, es fragt ſich nur: wie weit werden tatſächlich die Dinge dadurch ge⸗ ändert. Wir leben nun einmal in Preußen, nicht in einem Rechtsſtaat — — (Oho! bei der Freien Vereinigung.) — Ja, meine Herren, wir leben doch nur zum Teil in einem Rechtsſtaat; ausdrücklich iſt doch von der Rechtskontrolle ausgenommen eine ganze Reihe von Maßnahmen von Behörden, wie es in einem Polizei⸗ ſtaat Rechtens iſt, nicht aber in einem Rechtsſtaat. — Alſo, wir können mit dem Bewußtſein, daß wir auf dem rechten Wege ſind, die harten Tatſachen nicht umſtoßen und die harten Tatſachen ſagen: Macht geht vor Recht, die Regierung als Trägerin des Staatswillens iſt mächtiger als die Kommunal⸗ behörde als Trägerin eines ſtädtiſchen Willens. Man könnte alſo ſagen und hat wohl auch geſagt: wir ſind machtlos, unſer Recht gegenüber dem Rechte des Staates durchzuſetzen, wir müſſen uns hier dem Stärkeren beugen. — Es erſcholl vorhin ein Zuruf, als ich die Natur Preußens als Rechtsſtaat be⸗ zweifelte. Man kann z. B. darauf verweiſen, daß, eben ausgehend von der geſchilderten Interpretation, die Regierung ein beſonderes Schulaufſichtsrecht konſtruiert, das etwas anderes ſein ſoll als das all⸗ gemeine Kommunalaufſichtsrecht, und daß infolge⸗ deſſen die ſogenannte Schulaufſichtsbehörde, die nicht die allgemeine Kommunalaufſichtsbehörde iſt, Be⸗ ſtimmungen ſchwerwiegendſter Art trifft, gegen die jede Rechtskontrolle fehlt, gegen die ein Rechtsweg gar nicht beſchritten werden kann. Ich will nur daran erinnern, daß — ich glaube, es ſind jetzt 10 Jahre her — auch ein deutſcher Bürger ohne jeden Richterſpruch lediglich durch Verfügung der Schulauffichtsbehörde ins Gefängnis geſetzt wurde, und daß es in Preußen nicht möglich war, in irgend einer Weiſe einen Richterſpruch darüber herbeizuführen, ob dieſer Mann — es handelte ſich um den Dr. Bruno