Wille — zu Recht im Gefängnis ſaß oder zu Un⸗ recht. Die ſogenannte Schulaufſichtsbehörde verfügte kraft ihrer Schulaufſicht, und im „Rechtsſtaat“ Preußen mußte dieſer Mann ins Gefängnis, ohne daß ein Richter irgendwie irgend jemals darüber befinden konnte. Alſo, meine Herren, wenn man, darauf verweiſend, etwa ſagen würde, die Schulaufſichtsbehörde, in dieſem Fall die Regierung zu Potsdam, könne mit ihren großen Machtmitteln doch der Stadt ihren Willen aufzwingen, ſo möchte ich dem gegenüber betonen: das papierne Recht findet eine Schranke gewiß an den wirklichen realen Machtverhältniſſen: aber zu dieſen realen Machtverhältniſſen, Macht⸗ faktoren, gehört auch die öffentliche Meinung, und deswegen iſt es nicht möglich, daß die Regierung in Potsdam als Schulaufſichtsbehörde derartige Maß⸗ nahmen, wie ſie etwa ſeinerzeit von der Berliner Schulaufſichtsbehörde gegen Dr. Wille getroffen wurden, etwa gegen eine ganze Anzahl von Mit⸗ gliedern des Charlottenburger Magiſtrats trifft. Deswegen iſt es aber auch nicht richtig, zu ſagen: wir müſſen uns vor der Macht beugen und wollen das in der Weiſe tun, daß wir mit der Macht praktieren und ausſprechen: du kannſt uns zu Boden treten, nun wollen wir einen Vertrag ſchließen, unter welchen Formen wir zu Boden getreten werden wollen —, ſondern wenn die Dinge ſo liegen, dann meine ich, iſt der richtige Standpunkt, den man zur Abänderung ſolcher Verhältniſſe einnehmen kann, doch nur der, daß man klare Verhältniſſe ſchafft, daß man in den weiteſten Kreiſen Klarheit über das ſchafft, was wirklich iſt. Meine Herren, deswegen, weil nun dieſes ſogenannte Kompromiß, dieſe Anträge, die uns unterbreitet worden ſind, die vom Ausſchuß amendiert worden ſind, geeignet ſind, die beſtehende Unklarheit nur noch zu verſtärken, weil ſie geeignet ſind, nur noch ſtärker hervorzuheben, daß der ſoge⸗ nannte rechtliche Standpunkt der Regierung kein wirklich im Rechte begründeter Standpunkt iſt —, deswegen möchte ich Sie bitten, dieſe Anträge ſchon aus dieſem Grunde pure abzulehnen. Man könnte nun ſagen: ia was dann? ſoll denn nun die Stadt Charlottenburg ſich jeden Einfluſſes auf ihre Schulen begeben, wenn wir nicht zu einem Vertrage mit der Regierung kommen, wenn wir nicht in irgend einer Weiſe mit Genehmigung der Re⸗ gierung eine Schuldeputation zuſammenbringen, wenn wir nicht über eine Dienſtanweiſung dieſer Schul⸗ deputation uns verſtändigen, — was denn dann? ſoll denn dann die Stadt Charlottenburg ſich ſelbſt frei⸗ willig jedes Rechtes auf Einwirkung in ihre Schul⸗ verhältniſſe begeben? — Meine Herren, das iſt meine Meinung nicht, und ich glaube, das iſt überhaupt nicht möglich. Ich habe vorhin ſchon angedentet, daß eine beffere Entwicklung des Schulweſens, des ſtädtiſchen Schulweſens — es gibt nämlich merkwürdiger Weiſe immer noch ein ſtädtiſches Schulweſen, trotzdem die Regierung es für ein ſtaatliches hält —, daß die beſſere Enwicklung dieſer ſtädtiſchen Schulen einge⸗ ſetzt hat mit den Zeiten, in denen die Städte, die ſtädtiſchen Selbſtverwaltungen mit tätig waren, mit an der Entwicklung der Schulen wirkten, die Ent⸗ wicklung der Schulen als ſtädtiſche Angelegenheit erſten Ranges betrachteten. Ja, meine Herren, wird denn das anders werden? kann denn das ander? werden? iſt denn die ſtaatliche Regierung irgendwie imſtande, bei der Verwaltung der Volksſchulen die Mitarbeit der ſtädtiſchen Selbſtverwaltung zu ent⸗ behren? — Auf dem Papier kann der Miniſter in 80 ſeinen Inſtruktionen leicht hinſchreiben, daß das alles gar keine ſtädtiſchen Schulen ſind, daß das alles ſtaatliche Organe ſind, die da mitwirken: die Wirk⸗ lichkeit andert er dadurch ſo wenig, wie wir durch irgendwelche bloß rechtliche Kundgebung, bloß papierne Kundgebung ſie ändern. In Wirklichkeit ſind es ſtädtiſche Anſtalten, die zur gedeihlichen Weiterent⸗ wicklung einer ſtarken Mitwirkung der ſtädtiſchen Körperſchaften bedürfen! In Wirklichkeit liegen die Dinge garnicht ſo, daß wir ängſtlich darauf ſehen müſſen, daß nur ja der Miniſter nicht ſagt: dann will ich von ench garnichts mehr wiſſen, dann unter⸗ drücke ich die Schuldeputation ganz und verwalte und leite rein ſtaatlich —, ſondern in Wirklichkeit liegen die Dinge ſo, daß der Miniſter allen Grund hat, davor ängſtlich zu ſein, daß nicht die Stadtvertretungen ſagen: wenn die Dinge ſo liegen, dann verſuche du doch einmal, die Schulverwaltung in deine Hände zu nehmen. (Sehr richtig!) Deswegen, meine Herren, meine ich, brauchen wir uns in keiner Weiſe zu fürchten, ſondern deswegen nehmen wir diejenigen Befugniſſe in Anſpruch, die wir nach Lage der Dinge ohne Beeinfluſſung von ſeiten des Staates in Anſpruch nehmen können. Des⸗ wegen akzeptieren wir, immer unter Vorbehalt, unter Wahrung unſeres rechtlichen Standpunktes, die von dem Miniſterium beliebte Scheidung in äußere und innere Angelegenheiten, wobei die äußeren Angelegen⸗ heiten der Schule auch durch die Miniſterialreſkripte ausdrücklich der Stadtverwaltung überlaſſen ſind; löſen dieſe ſogenannte ſtaatlich⸗ſtädtiſche Schuldepu⸗ tation auf und ernennen eine rein ſtädtiſche Ver⸗ waltungsdeputation zur Verwaltung der äußeren Schul⸗ angelegenheiten innerhalb desjenigen Rahmens, der 1 geſetzlich gewährleiſtet iſt, der uns auch anerkannt wird. Ich habe keine Furcht, daß dieſe rein ſtädtiſche Deputation geringere Befugniſſe haben wird als die ſogenannte ſtaatlich⸗ſtädtiſche Deputation. Es iſt inner⸗ lich unmöglich, es liegt in der Logik der Dinge, daß zwiſchen dieſer rein ſtädtiſchen Deputation, die die äußeren Schulangelegenheiten verwalten ſoll, und zwiſchen der Leitung der inneren Angelegenheiten es beſtändig zu Konflikten, zu Reibungen kommen muß, und daß aus dieſen Konflikten und Reibungen nur eine Stärkung der Funktionen der ſtädtiſchen Depu⸗ tation hervorgehen kann. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Das, meine Herren, ſcheint mir der Weg zu ſein, auf dem Sie fortſchreiten müſſen, wenn Sie den Ein⸗ griffen der Regierung, den ſyſtematiſchen Eingriffen der Regierung in unſere Selbſtverwaltung Einhalt tun wollen. Ich begreife nicht, wie der Magiſtrat dazu ge⸗ kommen iſt, ſo vollſtändig den Standpunkt, den er in dieſer Angelegenheit bisher eingenommen hat, zu verlaſſen. Noch vor Jahresfriſt ſagte uns der Herr Oberbürgermeiſter, daß das ganze Vorgehen der Re⸗ gierung diktiert ſei von dem Beſtreben, den kirchlichen Einfluß in der Schule zu verſtärken, daß man ſogar heute das Geſetz von 1872 dafür heranziehe, das doch ausdrücklich geſchaffen worden iſt, um den kirch⸗ lichen Einfluß in der Schule zu brechen. Da iſt die Anderung der Haltung des Magiſtrats allerdings etwas überraſchend. Der Herr Oberbürgermeiſter führte ſelbſt aus, daß das Berliner Konſiſtorium die Regierung zu ihrem Vorgehen gedrängt habe. Er fragte: