81 Warum ſollen uns unſere Rechte genommen werden? weil die Kirche es will! Sie ſehen, meine Herren, es liegt hier die Abſicht ror, der Kirche einen Einfluß auf die Schule zu geben, den ſie bisher in unſerem preußiſchen Staate Gott ſei Dank nicht gehabt hat. Nun, dieſen letzten Paſſus des Satzes möchte ich doch nur mit einem zweifelnden „Na, na“ begleiten. Der Magiſtrat ſteht auf dem entgegengeſetzten grundſätzlichen Standpunkt wie die Königliche Regierung in Potsdam. (Stadtv. Baake: Hört, hört!) Wir ſagen: die Schule dem Staat und ſeinen Organen und nicht der Kirche. (Stadtv. Baake: Bravo!) Kirche und Schule ſollen getrennt bleiben. (Stadtv. Baake: Bravo!) zum Segen der Entwicklung unſeres Vater⸗ landes, wie es bisher geweſen iſt. Wie es bisher geweſen iſt! — Ja, meine Herren, da muß ich doch auf einen Punkt nochmals zurück⸗ kommen, den der Herr Referent erwähnt hat. Zu Abſ. 2 erwähnte der Herr Referent, daß im Aus⸗ ſchuß beantragt wurde, das Wort „evangeliſchen“ zu ſtreichen und nur „Geiſtlichen“ zu nehmen, und zwar ſagte er, es ſei das weniger aus prinzipiellen Er⸗ wägungen als aus der taktiſchen Erwägung heraus geſchehen, einigen latholiſchen Mitgliedern der Ver⸗ ſammlung die Vorlage annehmbarer zu machen. Ich glaube, das war wohl der Standpunkt, den die erſten Herren Antragſteller einnahmen, die aber eben ihren Antrag zurückzogeu. Dagegen habe ich dann dieſen Antrag aufgenommen und habe ihn doch nicht mit ſolchen taktiſchen Erwägungen begründet, ſondern mit rein prinzipiellen Erwägungen, an die ich durch die Verleſung dieſes Paſſus — „wie es bisher geweſen iſt“ — erinnert worden bin. Nämlich der Magiſtrat geht in der Tat, wie uns erzählt wurde, von der Fiktion aus, daß unſere Schulen keine konfeſſionellen Schulen ſeien, daß wir in Charlottenburg paritätiſche, nichtkonfeſſionelle Schulen haben. Die Regierung dagegen vertritt dem gegenüber nachdrücklich den Standpunkt, daß die Charlottenburger Schulen kon⸗ feſſionelle cvangeliſche Schulen ſeien. nun in die Schuldeputation einen evangeliſchen Geiſt⸗ lichen aufnimmt, dann wird doch naturgemäß die Vermutung geſtärkt, daß es ſich bei unſeren Schulen um konfeſſionelle evangeliſche Schulen handelt. Wenn der Magiſtrat wirklich auf dem Standpunkt ſteht, den der Herr Oberbürgermeiſter damals ausſprach, daß Schule und Kirche getrennt bleiben ſollen, „wie es bisher geweſen iſt“, dann mußte man eine Verdunke⸗ lung dieſes Tatbeſtandes doch zu vermeiden ſuchen, dann mußte man eben das Wort „evangeliſchen“ ſtreichen, um dadurch zum Ausdruck zu bringen, da wir in der Tat unſere Schulen für nichtkonfeſſionelle Schulen halten, und ich erlaube mir, dieſes Amen⸗ dement auch jetzt im Plenum noch einmal zu ſtellen. Ich beantrage, dieſes Wort „evangeliſchen“ zu ſtreichen aus den Gründen, die ich eben entwickelt habe. Nun, meine Herren, ich komme zum Schluß. Ich kann Sie nur bitten, den Verſuch, der Kirche einen ſtärkeren Einfluß auf die Schule zu geben, zu⸗ rückzuweiſen. Der ſtärkere Einfluß liegt nicht darin — ich habe ſchon in der vorigen Plenarſitzung aus⸗ geführt, daß ich darin Herrn Otto recht gebe, — liegt nicht darin, daß etwa ein Geiſtlicher nun mit in der Schuldeputation ſitzt. Eine Schwalbe macht keinen Sommer. Herr Kollege Otto hatte ganz recht, Wenn man als er ſagte, daß bei einer gewiſſen Höhe der geiſtigen 4 auch ein Gaſtucher ſich dem Einfluß des allgemeinen Milieus nicht entziehen kann. Aber, meine Herren, dieſe Verſtärkung des kirchlichen Ein⸗ flußes liegt eben darin, daß dieſer Geiſtliche als ein Glied in einer ſyſtematiſchen Reihe von Maßregeln, die die Verkirchlichung, den ſtärkeren Einfluß der Kirche auf unſer geſamtes Staatsleben zum Zwecke haben, gefordert wird. (Sehr richtig!) Dieſem Beſtreben müſſen wir entgegentreten, müſſen wir entgegentreten zunächſt im Intereſſe unſerer Schulen ſelbſt. Wir müſſen ihm aber auch ent⸗ gegentreten im Intereſſe unſerer Selbſtverwaltung: wir müſſen der Regierung zeigen, daß wir ſie in ihre Grenzen zurückweiſen wollen, und deswegen, meine Herren, bitte ich Sie, den von mir geſtellten Antrag anzunehmen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten und Liberalen.) Stadtv. Dr. Penzig: Meine Herren, der Herr Vorredner hat ſoeben ſchon ſtark hervorgehoben, daß es ſich hier wirklich um einen Eingriff in die Selbſt⸗ verwallung handelt, nach ſeiner Auffaſſung und auch nach meiner Auffaſſung. Ich möchte ſeinen ganz vortrefflichen juriſtiſchen Ausführungen, wiewohl er ja den Laienſtandpunkt für ſich in Anſpruch nimmt, nichts weiter hinzuſetzen, ſage nur als meine perſön⸗ liche Überzeugung und, ich glaube, auch die der Minderheit unſerer Fraktion, daß der Rechtsſtandpunkt für uns ein völlig geklärter iſt in dieſer Sache, daß wir allerdings meinen, daß ein beſonderes Beſtäti⸗ gungsrecht, ein ſpezielles Beſtätigungsrecht für die Mitglieder der Schuldeputation der Regierung nicht einzuräumen iſt, daß ebenſo wenig ein Geiſtlicher irgendwie durch die Miniſterialinſtruktion von 1811 als eine Notwendigkeit gefordert würde. Was nun das Ergebnis der Ausſchußberatung anbetrifft, ſo muß ich ich habe doch den Ein⸗ druck, daß es mehr Potemkinſche Dörfer ſind, — es iſt eine Art von Mauer um die Selbſtverwaltung gezogen, die aber nicht im entfernteſten an die Mauer, die Freiherr von Stein 1808 um den Bürgertrutz zog, heranreicht. Es ſieht nach etwas aus, es ſieht 0 aus, als wäre wirklich Selbſtverwaltung da; aber ich fürchte ſehr, ſie iſt es nicht mehr. Dasjenige, was der ſtädtiſchen Schuldeputation nach dem Ent⸗ wurf des Ausſchuſſes zuſteht, erinnert mich doch allzu ſehr an die Republik mit Sereniſſimus an der Spitze, wobei in dieſem Falle Sereniſſimus der Kreisſchul⸗ inſpektor wärc. (Heiterkeit.) Meine Herren, wir können uns ja hier nicht über die allgemeine Frage unterhalten, ob eine Staats⸗ aufſicht überhaupt notwendig wäre. Intereſſant wäre ß ja die Frage immerhin. Mir fiel dabei vorhin, als der Herr Kollege darüber ſprach, die ſchöne Anekdote ein von dem Kinde, das einen ſehr ſtark pädagogiſch gebildeten Vater hat, und das dieſem Vater gegen⸗ über, nachdem er ihm eine längere Belehrung hatte angedeihen laſſen, zur Antwort gibt: ja Papa, ich würde dich wohl verſtehen, wenn du mir nicht immer alles erklären wollteſt. (Heiterkeit.) Ganz in demſelben Sinne ſage ich — und ich glaube, unſer Magiſtrat würde auch einſtimmig mit uns der Anſicht ſein, daß wir der Regierung gegenüber ſagen könnten: es würde mit der 4. . ganz vortrefflich gehen, wenn man uns nur nicht immer regieren wollte. Das geſchieht ja doch nun