89 nun aber dieſen Weg nicht haben, ſo bleibt uns nichts anderes übrig, als uns mit unſeren Kon⸗ trahenten in Vergleichsverhandlungen einzu⸗ laſſen, nun ſchließlich ein Kompromiß herauszu⸗ bekommen. Herr Kollege Schwarz hat ganz mit Recht auf einen andern Konflikt hingewieſen, auf den An⸗ ſpruch der Behörden in bezug auf die Benutzung der Schulräume. Wir waren alle vollkommen der Meinung, ein Rechtsweg ſei uns zur Vertretung des Rechts nicht gegeben; aber wir konnten doch wenigſtens einen Ausweg, einen Umweg ſuchen, auf dem wir einen Richterſpruch herbeiführen tönnen. Da gibts wenigſtens ſolche Umwege. Hier haben wir aber derartige Umwege oder Auswege gar nicht, ſondern hier haben wir den einzigen Weg: ſuchen wir eine Verſtändigung mit der Regierung! Herr Kollege Dr. Borchardt hat dem Miniſter vorgeworfen, daß er vergeſſen hat, im Abgeordneten⸗ hauſe den § 3 des Geſetzes von 1872 zu zitieren, den § 3, der die Inſtruktion von 1811 erwähnt und ſagt: ſie beſteht. Es iſt nicht meines Amtes, und ich pflege mich auch ſonſt nicht damit abzugeben, Miniſter zu verteidigen; aber ich muß doch geſtehen: Herrn Dr. Borchardt iſt's mit ſeinen Aus⸗ führungen ähnlich ergan gen wie dem Min iſter. Er hat nämlich an den § 1 des Geſetzes von 1872 in ſeinen weiteren Ausführungen zu denken vergeſſen, indem er die Staatsaufſicht über das Schulweſen vollſtändig außerhalb des Bereiches ſeiner Betrachtung gelaſſen hat. Seine ganzen weiteren Ausführungen gipfelten darin, das Recht der Aufſicht der Kommunen über das Schul⸗ weſen feſtzuſtellen auf Grund der Inſtruktion von 1811, bezw. der Städteordnung von 1808. Daß daneben noch eine Staatsaufſicht eriſtiert, die geſetzlich feſtgelegt iſt, das geniert den Herrn Kollegen Dr. Borchardt nicht. Und doch ergeben ſich daraus alle Schwierigkeiten! Nun kann ich allerdinas verſtehen, wenn man ſich auf den Standpunkt ſtellt wie Herr Dr. Borchardt und ſeine Freunde, daß man ſagt: ein luſtiger, fröhlicher Krieg mit der Regierung kann uns jeden⸗ falls nichts ſchaden und kann unſere Poſition nur ſtärken, — löſen wir die Schuldeputation nur auf! Meine Herren, ein radikales Mittel! Ob wir allerdings allen Konflikten damit aus dem Wege gehen, wenn wir die Schuldeputation aufgelöſt haben, bleibt noch eine offene Frage. Herr Kollege Dr. Borchardt meint auch, es werde nicht der Fall ſein. Es bedeutet der Vorſchlag nicht nur eine Demonſtration, die wir der Regierung gegenüber vornehmen, ſondern es iſt auch eine leere Demon⸗ ſtration. Man kann ja von manchen Seiten die Anſicht vertreten hören: das einzige Recht des Schwächeren iſt es, eine Demonſtration zu ver⸗ anſtalten, andere Mittel bleiben ihm überhaupt nicht, um eine Art Rechtsverwahrung anzubringen. Es iſt von Herrn Kollegen Dr. Penzig, wenigſtens ver⸗ blümt, den Stadtverordneten zu erkennen gegeben, ſie ſollten ſich doch ihrer Rechte und Pflichten erinnern, ſie ſollten daran denken, was die Wähler ihnen mit auf den Weg gegeben haben, und die Stadtverordneten würden möglicherweiſe ihr Recht und ihre Pflichten, vor allen Dingen ihre Pflichten verletzen, wenn ſie hier bei dieſer Frage nachgeben. Meine Herren, Demonſtrationen zu unter⸗ nehmen, iſt eine außerordentlich einfache Sache, beſonders dann, wenn der Betreffende ſelbſt auch nicht die geringſten Unbequemlichkeiten aus dieſen Demonſtrationen verſpürt. Ich muß geſtehen: wenn wir hier mit der Auflöſung der Schul⸗ deputation demonſtrieren und die Schuldeputation wirklich auflöſen, ſo verſtehe ich nicht, welche Unbequemlichkeiten dies für die haben ſoll, die die Auflöſung beſchließen. Aber nehmen wir an, daß Unbequemlichkeiten entſtehen. Wenn ich für mich ſelbſt dieſe Unbequemlichkeiten zu tragen habe, ſo kann es für mich garnicht zweifelhaft ſein: ich habe das Prinzip aufrecht zu erhalten, und dafür die Unbequemlichkeiten zu tragen. Hier ſteht aber etwas ganz anderes auf dem Spiele. Hier handelt es ſich nicht um perſönliche Unbequemlichkeiten, die einzelne Mitglieder der Stadtverordnetenverſammlung zu tragen haben, ſondern hier handelt es ſich u m Rechte der Kommunen, die ſie heute noch auf dem Gebiete des Schulweſens auszuüben in der Lage ſind, und die jeden Augenblick verloren gehen können infolge der Kolliſion mit der Staats⸗ aufſicht über die Schulen. Wir können Rechtsver⸗ wahrung einlegen, wir können alles Mögliche tun, aber wir verlieren die Schule ganz aus unſerem Einfluß! Die Staatsaufſicht über die Schule verdrängt den Einfluß von Kommunen. Meine Herren, ob es ein richtiger Standpunkt gegenüber ſeinen Wählern iſt, die letzten Rechte der Kommune zu gefährden, ſcheint mir doch in höchſtem Maße zweifelhaft. (Sehr richtig! bei der Freien Vereinigung.) Ich muß wenigſtens für mich und die Mehrheit der politiſchen Freunde meiner Fraktion erklären, daß wir uns, wenn wir für die Magiſtratsvorlage ſtimmen, für ebenſo gute liberale Männer halten, wie wir es vorher geweſen ſind. Meine Herren, Herr Kollege Baake hat uns das liberale Rückgrat ſtärken wollen. Ach, meine Herren, ich glaube, wir brauchen dazu nicht den Herrn Kollegen Baake, (Stadtv. Hirſch: Rückgrat brauchen Sie!) der ja eine eigentümliche Art und Weiſer hat, wenn er den Liberalen ins Gewiſſen reden will. 4 Selbſt wenn wir den Ehrgeiz haben möchten, einmal unſere Entſchließungen den Wünſchen der Herren von der ſozialdemokratiſchen Partei anzupaſſen, ich glaube, wir würden immer dabei fehlgreifen; wir könnten es noch ſo gut machen wollen, die Herren würden ſtets mit uns unzufrieden ſein. (Stadtv. Hirſch: Sehr richtig!) Wir haben hierzu ein „Sehr richtig“ gehört, und das iſt kennzeichnend! Wir wollen uns von den Herren erſt umgarnen laſſen? Sie wirklich nicht von uns verlangen! (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Dazu gehen unſere wirtſchaftlichen und politiſchen Anſchauungen doch zu weit auseinander; da trennt uns eben eine Kluft, (Stadtv. Baake: Bravol) und wir werden es geduldig ertragen daß wir nach wie vor ihre Ungnade durch unſere Ent⸗ ſchließungen uns zuziehen. (Stadtv. Baake: Der Kampf gegen zwei Fronten!) Wir werden uns nicht in unſerm Standpunkt zur Magiſtratsvorlage beſtimmen laſſen durch die Anſichten, die Sie hier vertreten. Denn weshalb Sie gerade die einzig richtigen Anſichten in Erbpacht genommen haben ſollten, das kann ich beim beſten Willen nicht einſehen. (Stadtv. Hirſch: Na, na!) Das können