92 müſſen, wir wiſſen es, daß es ganz wohlanſehnliche Rechte ſind, die uns in der Geſchäftsanweiſung ein⸗ geräumt ſind, um die wir jahrelang gekämpft haben, und ich bitte Sie dringend, ſich vor Augen zu halten, daß wir die größte ſtädtiſche Aufgabe, die wir zu leiſten haben, nämlich die Förderung und Hebung der Schule, aus der Hand geben würden, wenn wir dem Antrage des Herrn Stadtv. Dr. Borchardt folgen wollten. Wir dürfen die Schule nicht aus der Hand geben, wir müſſen ſie in der Hand behalten. Und ſelbſt wenn wir Opfer bringen müſſen, wie wir es in dieſem Falle tun müſſen, ſo iſt das hier gebrachte Opfer klein gegenüber den Vorteilen, die wir durch dieſe Geſchäftsanweiſung für unſere Schule erhalten! Denn das iſt ein verderblicher Wez, den Herr Dr. Borchardt vorſchlägt, daß wir uns ganz zurückziehen ſollen von unſerer Schule und ſie anderen Einflüſſen überlaſſen ſollen, uns jeden Einfluß auf ſie in ihren nene Angelegenheiten aus der Hand nehmen laſſen ſollen. Nun ſagt Herr Stadtv. Dr. Borchardt, es müßten alle Stadtverwaltungen die Schuldeputation aufheben; dann würde die Königliche Regierung ſchon merken, daß ſie ohne die ſtädtiſche Verwaltung nicht durchkommt. Ja, Herr Dr. Borchardt, bringen Sie das einmal zu ſtande! Bringen Sie einmal eine Obſtruktion ſämtlicher preußiſchen Städte zu ſtande, daß ſie ſagen: vom 1. April 1905 ab heben wir ſämtliche ſtädtiſchen Deputationen auf! Wenn das der Fall wäre, das freilich, glaube ich, würde wirken. Aber glauben Sie, Herr Dr. Borchardt. daß dieſer Fall je eintreten wird? Glauben Sie, daß auch nur eine von den Städten die wichtigen Rechte der Schul⸗ deputation ſo unbedacht hingeben würde? Meine Herren, wenn wir Herrn Dr. Borchardt folgen würden, würden wir die einzige Stadt ſein, die das täte, und dann würde uns, wie Sie leicht einſehen, dieſe Obſtruktion gar nichts nutzen. Unſere Stadt allein hat keine Macht. Die Staatsregierung würde mit Leichtigkeit über uns hinweg gehen und uns verein⸗ ſamt und allein laſſen in der von uns ſelbſt ge⸗ ſchaffenen rechtloſen und einflußloſen Stellung. Und was haben wir dann? Dann haben wir, dann hat unſere Stadt den Schaden! (Sehr richtig! bei den Liberalen und der Freien Vereinigung.) Und nun laſſen Sie mich noch auf das ſo oft gebrauchte tönende Wort kommen, das wir in den letzten Wochen immer wieder gehört haben — ich träume ſchon davon —: das Wort von der Aus⸗ lieferung der Schule an die Kirche. Das iſt der Popanz, mit dem man kleine Kinder ſchrecken mag. Wir ſind doch keine kleinen Kinder, ſondern Männer, die ſich vor Worten nicht fürchten! Faſſen wir den Stier an den Hörnern und ſehen wir uns die Sache an! Handelt es ſich denn wirklich um die Auslie⸗ ferung unferer Schule an die Kirche? Man hat hier meine Worte zitiert: Wir ſagen: die Schule dem Staat und ſeinen Organen und nicht der Kirche. Das ſage ich auch heute noch, meine Herren, und mit mir der Magiſtrat. Es fällt uns nach wie vor — gar nicht ein, die Schule der Kirche auszu⸗ liefern. Ich habe ſchon in der vorigen Sitzung dar⸗ auf hingewieſen, daß es doch eine leere Phraſe iſt, wenn man behauptet, daß in einer Deputation, in der unter 15 Männern ein Geiſtlicher ſitzt, der von uns ma iſt, dieſer eine Geiſtliche einen ſo unheilvollen Einfluß haben ſoll, daß alle dieſe 14 anderen Herren ihre Anſichten und ihre Abſichten aufgeben und Reißaus nehmen vor dieſem einen Geiſtlichen und dem nun ganz und gar die Schule überliefern werden. Das iſt doch eine Phantafie, die ſich gar nicht mehr auf einem realen Boden bewegt. Und, meine Herren, ſehen wir uns doch einmal in unſerem Vaterlande um! Es iſt ja nichts Neues, was wir hier machen wollen Auf Grund der For⸗ derung der Inſtruktion iſt es in den allermeiſten großen Städten unſeres Vaterlandes bereits durch⸗ geführt, daß Geiſtliche in der Schuldeputation ſitzen. Und haben ſich denn dort dieſe großen Befürchtungen wegen der Auslieferung der Schule an die Kirche bewahrheitet? Nein, meine Herren, ſie haben ſich nicht bewahrheitet! In Berlin ſitzen unter 34 Mit⸗ gliedern der Schuldeputation 6 Geiſtliche, — ſage: ſechs Geiſtliche! Haben Sie ſchon einmal gehört, daß die Berliner Schulen der Kirche ausgeantwortet ſind? Ich wüßte nichts davon. In Breslau ſitzen unter 15 Mitgliedern 2 Geiſtliche, in Danzig ſitzen unter 12 Mitgliedern 2 Geiſtliche, in Dortmund unter 25 Mitgliedern 6 Geiſtliche, in Eſſen unter 15 4, in Kiel unter 13 2, in Königsberg, der Hoch⸗ burg des Liberalismus oder der noch weiter links ſtehenden Parteien, unter 18 3, in Magdeburg unter 14 3! Nun, meine Herren, wenn die Verhältniſſe in den anderen Städten unſeres Vaterlandes derartig liegen und dort keine Auslieferung der Schule an die Kirche ſtattgefunden hat, dann ſoll nun der eine Geiſtliche bei uns das bewirken?! Glauben Sie doch, meine Herren, dieſen Popanz nicht, der Ihnen ent⸗ gegengehalten wird! Ich möchte hier auch einen Appell an die Bürgerſchaft draußen richten, daß ſie nicht den Schlagworten glauben möge, die Ihnen hier entgegengeworfen werden, ſondern lieber den Männern vertrauen ſoll, die ſie als verantwortliche Leiter ſo⸗ wohl des Magiſtrats wie der Stadtverardnetenver⸗ ſammlung ſeit Jahren kennt! Sie ſoll nicht glauben, daß wir eine Gefahr laufen, die hier aus theoretiſchem Erwägen prophezeit wird. Nun, meine Herren, hat Herr Stadtv. Dr. Penzig geſagt, die Geiſtlichen ſeien zwar in der Inſtruktion als Sachverſtändige bezeichnet, aber ſie ſeien doch keine Sachverſtändigen, und wir ſollten deshalb einen Geiſtlichen als Sachverſtändigen nicht hineinwählen: es ſei unzweckmäßig, einen ſolchen Sachverſtändigen aufzunehmen, weil er von der Sache nichts verſtehe. Er hat geſprochen von den Gegenſätzen zwiſchen der Kirche und der Schule und hat uns geſagt, die Ethik ſei eigentlich das, was in die Schule gehöre, und nicht die Religion. Ich gebe zu, daß man über dieſe Auffaſſung des Herrn Stadtv. Dr. Penzig ſtreiten kann, ja daß es eine große Anzahl von beſonnenen Männern geben wird, die ihm zuſtimmen. Aber, meine Herren, handelt es ſich denn hier darum? Nein, es handelt ſich nicht darum, dieſe prinzipiellen Grundſätze, von denen Herr Stadtv. Dr. Penzig ſprach, durchzuſetzen, ſondern es handelt ſich darum, ſich mit den beſtehenden Geſetzen abzufinden. Und die beſtehenden Geſetze, meine Herren, verlangen einen Geiſtlichen in der Schuldeputation; dagegen kann ſich Herr Dr. Penzig nicht wehren; das iſt nun einmal ſo. (Stadtv. Baake: Wo denn?) Herr Baake mag das bedauerlich finden; aber dos ändert an der Rechtslage nichts. Wenn Herr Stadtv. Dr. Penzig im Abgeordnetenhauſe bei der Beratung des Schulgeſetzes dieſe Grundſätze vorbringen will, dann, ſage ich, iſt er mit ihnen am richtigen Platze;