—— 99 — hörigem Umfange — hypothetiſch geſtehe ich das zu — wir geben Rechte preis, von denen wir über⸗ zeugt ſind, durchdrungen ſind. Es ſind aber doch immer nur Rechte wie Meſſer ohne Klingen. Wir haben keinen Rechtsweg, auf dem wir dieſe Rechte zur Geltung bringen können. (Sehr gut! bei den Liberalen und der Freien Vereinigung.) Und handelt es ſich um ſolche Anſprüche, dann ſehe ich es nicht nur als mein Recht an, ſondern ſogar als meine Pflicht und Schuldigkeit, daß ich tunlichſt kompromittiere. (Bravo! bei den Liberalen und der Freien Vereinigung.) Dann betrachte ich es als meine Pflicht, wenigſtens den noch erreichbaren Reſt zu retten, und höchſtens ſehe ich mir noch den geforderten Preis darauf hin an, ob ich ihn dafür anlegen darf und ſoll. Nun, meine Herren, beſehen Sie ſich dieſen Preis! Wollen ſie es „Geſchäft“, wollen Sie es „Kuhhandel“ nennen, immerhin! — in den halb⸗ vertraulichen Verhandlungen des Ausſchuſſes ſoll einem Magiſtratsmitgliede dieſer unglückliche Aus⸗ druck über die Lippen gekommen ſein, und ein Stadt⸗ verordneter hat es heute für angezeigt erachtet, ihm dieſen Ausdruck hier noch vorzuhalten; ich gebe ganz anheim, ob das ſehr ſchön von ihm war; wie mir geſagt iſt, macht ſich übrigens das Magiſtratsmitglied herzlich wenig aus dieſem etwas unzarten Ausſpielen — (Heiterkeit) aber, meine Herren, es ſtehe damit wie es wolle, beſehen Sie ſich einen Augenblick den Preis, den Sie zahlen ſollen! Das iſt im weſentlichen der gefürchtete ſchwarze Mann, der Geiſtliche. Nun frage ich Sie, meine Herren: was bedeutet das? Der Magiſtrat denkt nicht daran, ſeinerſeits gerade Wert darauf zu legen, daß er den Geiſtlichen hereinbekomme. Ich perſönlich ſehe ihn ganz gern kommen; zwar will auch ich nicht die Schule geknechtet wiſſen von der Kirche; aber ein bischen Vertretung — das macht ſich ganz ſchön. (Stadtv. Dr. v. Liszt: Hört, hört!) Das iſt aber ein perſönlicher Standpunkt; der Magiſtrat würde, wenn er zu wählen hätte, glaube ich, lieber ſagen: nein, ich brauche keinen Geiſtlichen, ich habe bisher keinen gebraucht, — obſchon er doch bis vor wenigen Jahren immer in dem Kreis⸗ inſpektor Müller einen Geiſtlichen in der Schul⸗ deputation gehabt hat. Aber der Magiſtrat fährt fort: nun, viel ſchaden kann der Mann keinesfalls. Mehr ſagt der Magiſtrat nicht: ſchaden kann er nicht. Und nur in ſolchem Sinne. glaube ich auch die Außerungen, die in der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung in der Verhandlung vom Jahre 1903 gefallen ſind, deuten zu dürfen. Meine Herren, in dieſer Verhandlung, die ein „Ruhmesblatt“ in der nunmehr bald zu feiernden großartigen, zweihundert⸗ jährigen Vergangenheit der Stadt Charlottenburg bilden ſoll — ein Ruhmesblatt! —, in dieſer Ver⸗ handlung iſt mit einem und dem andern ein wenig allerdings, wie mir ſcheint, die Zunge durchgegangen. (Sehr richtig! und Heiterkeit.) Ich glaube, einige von den Herren würden gern jetzt ſehen und hätten es vielleicht ſchon früher gern geſehen, wenn ſie ſich um Einiges weniger weit damals vorgewagt hätten. Ja, es wäre vielleicht einem oder dem anderen damit leichter geworden, ein klein wenig nachher umzukehren, ein wenig ein⸗ zulenken — ich gebe zu: einzulenken bei inzwiſchen weſentlich veränderten Verhältniſſen. Indeſſen ſind nun einmal die Worte gefallen, und da ſoll man ſie wohlwollend deuten, ſoll ſie deuten unter Be⸗ rückſichtigung der Tatſache, daß eben ſeitdem die Verhältniſſe vollſtändig andere gewerden ſind. (Sehr richtig!) Ich möchte weiter nur an ein Einziges noch erinnern — dann glaube ich, fertig zu ſein, Eines der ſchlimmſten Worte — es waren freilich viele ſchlimme, (Heiterkeit) die Herr Dr. Borchardt heute geſprochen hat, aber eines nur möchte ich hervorheben, das war — ich habe es mir notieren müſſen, weil ich derartiges nicht behalten kann (große Heiterkeit und Bravo!) er hat geſagt, wir ſtellten uns auf den Standpunkt: Macht geht vor Recht Ja, meine Herren, man kann keine ſchwerere Anklage gegen die Regierung erheben, als Herr Dr. Borchardt ſie damit erhoben hat. Herr Dr. Borchardt! ich weiß, ſehr viele Sympathien haben Sie für die oberen Regionen überhaupt nicht übrig; (Heiterkeit) das haben Sie neulich ſchon im Ausſchuſſe beſtätigt; hiermit haben Sie aber ein Untermaß von meines Dafürhaltens vollends unverantwortlichem Umfange geleiſtet. Meine Herren, bedenken Sie doch nur, die Sache ſteht nicht etwa ſo, daß die Regierung erklärt: ich muß zugeben, Ihr habt Recht, aber ich habe einmal die Macht und nun werde ich meine Macht gegen euer Recht ausſpielen, — nein, ſondern ich behaupte: die Regierung meint, ebenſogut das wahre Recht gefunden zu haben, wie wir es ge⸗ funden zu haben meinen: (Stadtv. Dr. v. Liszt: Konſiſtorium!) Sie iſt überzeugt von der Richtigkeit ihres rechtlichen Standpunktes. Nun allerdings ſagt ſie — und das täte auch ich, wenn ich Regierung wäre —: meine Anſicht iſt nach reiflicher Erwägung die und die, und nunmehr erſt ſpiele ich ſie gegen eure Anſicht aus, da ich nebenher die Macht habe. Alſo: auf Seite der Regierung ſteht nicht nur und allein die Macht, Herr Dr. Borchardt, ſondern es ſteht erſt neben ihrer Rechtsüberzeugung, die ebenſoviel wert iſt wie Ihre und unſere, noch die Macht. Ich bitte Sie, meine Herren, laſſen Sie die Bedenken, die hier heute erhoben worden ſind, ſelbſt von einem ſo hervorragenden, wenigſtens auf ſeinem Gebiete hervorragenden Manne wie Herrn v. Liszt erhoben worden ſind, (Heiterkeit) laſſen Sie die Bedenken fallen! Laſſen Sie ſich nich irre führen von ihm ja, meine Herren, es liegt — natürlich ein nicht gewolltes, Herr Vorſteher, — es liegt aber doch ein Irreführen darin, wenn er mahnt: wir ſollen kein Titelchen unſeres Rechtes preisgeben. Nein, ſo nur dann, wenn das Recht wirkſam verfolgbar iſt! Iſt es aber ein unver⸗ folgbares, dann ſoll man es bei Zeiten preisgeben, wenn nur der für den Reſt zu entrichtende Preis nicht ein gar zu hoher iſt. (Lebhaftes Bravo. — Stadtv. Dr. v. Liszt: Vor 18981) Stadtu. Baake: Der Herr Stadtrat Jebens, deſſen ausgezeichnete, aus Ironie, Witz und Pathos gemiſchte Beredſamkeit wir alle ſchätzen, auch, wenn ſie uns einmal wehe tut, hat — ich beziehe das Wort von ihm — gegen ſeine Magiſtratskollegen den