Stadtv. Baake: Ich ſage alſon daß der Herr Oberbürgermeiſter nun niemals mehr mit Recht einen Vorwurf erheben kann, wenn von irgend einem zum Fenſter hinaus geredet wird. Was heißt überhaupt: zum Fenſter hinaus reden? Wir ſind hier Gewählte; wir vertreten auf auf Grund eines ſehr kümmerlichen Wahlſyſtems die breiten Maſſen der Bevölkerung. Was wir hier reden, ſagen wir geeichzeitig den Wählern. Jede Rede, die hier gehalten wird, wird ſchon dadurch, daß ſie hier protokolliert wird, daß ſie in die Zeitungen kommt, eine Rede zum Fenſter hinaus. Hinter den Kouliſſen ſoll nicht gehandelt werden, und darum ſagen wir hier, was wir ſagen müſſen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Holz: Ich bitte um Entſchuldigung, daß ich noch in dieſer ſpäten Stunde das Wort nehmen muß. Aber nach der glänzenden Verteidi⸗ gungerede, die der Magiſtrat von Herrn Stadtrat Dr. Jebens ſoeben erfahren hat, würde es vom Stand⸗ punkt der Minderheit, die ich bisher mit vertreten habe, ein ſchweres Verbrechen ſein, wenn ich nicht wenigſtens den Verſuch machen würde, das zu wider⸗ legen, was Herr Stadtrat Dr. Jebens ſoeben ge⸗ ſagt hat. Ich hätte allerdings gewünſcht, meine verehrten Herren Kollegen, wenn er uns gerade dasjenige geſagt hätte, worauf wir lauern, wenn er uns eine Rechts⸗ belehrung gegeben hätte. Daß er auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts hervorragend iſt, wiſſen wir alle, und ich warteie, lechzte danach wie ein Hirſch nach Waſſer: denn die Rechtsbelehrung iſt ungemein wichtig, meine Herren, und die uns von Herrn Ober⸗ bürgermeiſter Schuſtehrus gegebene iſt falſch und jeden⸗ falls in der Form, wie er ſie gegeben hat, meiner Uberzeugung nach nicht zutreffend. Die Rechtsfrage iſt auch heute von maßgebender Stelle aus meinem Lager anders dargeſtellt worden. Es iſt darauf hingewieſen worden, wie hervor⸗ ragende Rechtslehrer, inſonderheit auch Herr Stadtrat Dr. Jebens, wie neuerdings Herr Stadtverordneter Privatdozent Hugo Preuß in ſeinem Buch Das Recht der ſtädtiſchen Schulverwaltung“ die Frage ex professo behandelt hat, und daß dieſe Herren, jedenfalls Herr Dr. Preuß, zu dem Ergebnis ge⸗ kommen ſind, daß die Miniſterial-Inſtruktion vom Jahre 1811 anders zu bewerten iſt, als dies von Seiten des Herrn Oberbürgermeiſters geſchehen iſt. Ich bedaure, daß Herr Stadtrat Or. Jebens davon abgeſehen hat, auf die Frage ſelbſt einzugehen. Würde er ſeine Ausführungen darauf gerichtet haben, vielleicht wäre es ihm gelungen, mich und andere meiner Herrn Kollegen zu überzeugen. (Sehr richtig!) Aber einfach in ſo perſönlichem Ton insbeſondere über eine Perſönlichkeit, wie Herr Geheimrat v. Liszt ſie iſt, abzuſprechen, das hätte ich von Herrn Stadtrat Dr. Jebens am allerwenigſten erwartet. Herr Stadtrat Dr. Jebens — und ich hoffe, es iſt ein lapsus geweſen— (Heiterkeit) ſagte am Schluß ſeiner Rede, Herr Geheimrat v. Liszt wäre auf ſeinem Gebiete ein hervorragender Mann. Ich fühle mich nicht berufen, als Verteidiger des Herrn Geheimrats v. Liszt hier aufzutreten, zumal es wohl als notoriſch gelten darf, daß Herr Geheimrat v. Liszt nicht bloß in dieſen Reihen eine bedeutende Per⸗ ſönlichkeit iſt. Ich wage die Behauptung, daß dieſer Satz des Herrn Stadtrat Dr. Jebens mindeſtens deplaziert war. (Glocke des Vorſtehers.) 101 Dr. Jebens für die Vorſteher Roſenberg: Herr Stadtv. Holg, ich muß Sie einen Augenblick unterbrechen. Ich habe auch gehört, was Herr Stadtrat Dr. Jebens geſagt hat: aber ich habe nicht die Empfindung gehabt, daß darin irgend etwas Verletzendes für Herrn Stadtv. Dr. v. Liszt gelegen hat. (Stadtv. Dr. v. Liszt: Sehr richtig!) Ich bitte Sie, nicht mehr auf dieſen Punlt zurück⸗ zukommen. Stadtu. Holz: Um mich zur Sache zu wenden, ſo, meine ich, iſt dasjenige, was Herr Stadtrat Vorlage ins Feld geführt hat, — denn Rechtsausführungen habe ich ja nicht gehört — ganz und gar nicht zutreffend. Herr Stadtrat Dr. Jebens hat uns gewarnt: was würde denn paſſieren, wenn das ſo weiter geht, wenn die Vor⸗ lage abgelehnt würde? die Sache würde an das Abgeordnetenhaus kommen, und wenn ſie vor dieſes Abgeordnetenhaus kommen würde, würden wir ſehen, was daraus werden würde. Ja, meine Herren, was ſollte denn das Abgeordnetenhaus ſagen? Ich laſſe dahingeſtellt ſein, ob wir mit der Aufnahme eines Geiftlichen ein Recht aufgeben oder nicht; ich nehme an, dies würde der Fall ſein. Wenn wir ein Recht preis geben und Ja und Amen ſagen und uns dann an das Abgeordnetenhaus wenden, weil unſerem Schulweſen wieder einmal ein Recht genommen werden ſoll, dann würde uns im Abge⸗ ordnetenhauſe geſagt werden: ihr habt es ja gewollt, ihr habt Ja und Amen dazu geſagt! Der Rat alſo, den uns Herr Stadtrat Dr. Jebens gegeben hat, unſer wohlverbrieftes, aber klagloſes Recht fahren zu laſſen, iſt nach meiner Anſicht nicht zweckmäßig. Er ſagt: das Recht, das wir haben, iſt doch ein Meſſer ohne Klinge, es gibt ja kein Kammergericht. Ja, meine Herren, wenn wir jedes Recht, das wir haben, aufgeben ſollten, weil wir leider nicht mit der Möglichkeit rechnen können, ein geeignetes Rechtsverfahren zu haben, — dann wäre es ſchlecht bei uns beſtellt; zudem würde es wohl noch einen andern Weg geben, um unſer Recht durchzuſetzen. Wenn wir z. B. an das Staats⸗ miniſterium petitionieren, wenn wir an den König uns wenden wollten! Ich glaube, heute in der Zeitung geleſen zu haben — man mag darüber lachen, wie man will, es iſt aber doch wahr —: danach iſt geſtern in Hannover auf die Beſchwerde der Studenten⸗ ſchaft ein Telegramm eingetroffen, dahin, daß der König wegen Beeinträchtigung ihrer akademiſchen Freiheit interveniert und dafür geſorgt habe, daß die Verbindung und der Verkehr der Studentenſchaft in Hannover mit anderen auswärtigen Studenten⸗ ſchaften zugelaſſen werden ſolle. Würde nicht die Möglichkeit ſein, daß, wenn wir dieſen — meinetwegen anormalen Weg beſchreiten, auch wir zu einem Ziele gelangen können? Was aus dem Ausſchuß herausgekommen iſt, ſind für mich mehr oder weniger Kleinigkeiten, es ſind kleinliche unweſentliche Mittel, die an der Hauptſache nichts ändern. Ich bedaure, meine Herren, daß die großen Worte, die wir im Jahre 1903 gehört haben, ſich heute verflüchtigt haben in eine rein geſchäftsmäßige Behandlung über die Frage, ob das Quantum von Vergünſtigungen, welches wir erhalten haben, groß oder klein iſt. Was wir uns vor die Seele geführt wiſſen müſſen, das iſt die Gegenüberſtellung des Prinzips auf der einen Seite und der Zweckmüßigkeit auf der andern Seite, und