—— 102 es fragt ſich: kann man in einer ſo wichtigen Frage, wie ſie de Verwaltung der Schule 1 in 1— Ninge, die nicht nur uns angeht, ſondern unſere inder, unſere ganze Zukunft überhaupt, einen Kuh⸗ handel, ein Handelsgeſchäft treiben? Da ſtimme ich mit denjenigen meiner Freunde von der Minderheit, welche vor mir geſprochen haben, und mit einer großen Gemeinde außerhalb des Saales darin über⸗ ein, daß man das nicht darf. Dagegen ſträubt ſich meine Weltanſchauung und meine politiſche Ent⸗ wickelung. Ich bedaure ſehr, daß man ſich zu dieſem Schritt bequemen will. Es iſt auch nicht ohne Grund darauf hinge⸗ wieſen worden: wenn die Regierung ein Recht gehabt hätte, wenn es eine geſetzliche Pflicht der Gemeinde geweſen wäre, würde die Regierung nicht ſchon längſt ihr Recht geltend gemacht haben? Warum hat ſie es nicht getan? Doch jedenfalls deshalb, weil es mindeſtens zweifelhaft war, und zwar ſehr zweifelhaft. In den Ausführungen des Herrn Dr. Preuß finden Sie — wenigſtens für mich bis jetzt unwiderleglich — den Nachweis, daß, wenn auch die Miniſterial⸗ inſtruktion von 1811 ſelbſtverſtändlich auf der Grund⸗ lage der Städteordnung vom Jahre 1808 Rechts⸗ giltigkeit hat, doch der § 2, auf den es hier ankommt, nicht zu Recht beſteht, und ich glaube kaum, daß es Herrn Stadtrat Dr. Jebens gelingen würde, hier den Nachweis des Gegenteils zu führen, zumal, abgeſehen von der rechtlichen Unmöglichkeit, wenigſtens für Charlottenburg nicht anzunehmen wäre, daß der Rechtsmangel des § 2 der Inſtruktion durch ſtillſchweigendes Einverſtändnis der Stadt gegenüber der Regierung geheilt worden iſt. Hier gab es eben bisher keinen Geiſtlichen in der Schul⸗ deputation. Der Herr Oberbürgermeiſter hat nun, obwohl ich eine beſſere Rechtsbelehrung vom Magiſtrat nicht gehört habe, doch über Herrn Dr. Borchardt den Stab in einer Weiſe gebrochen, daß ich in der Tat mich wundern mußie, wie er dazu gekommen iſt. Ich will ja zugeben, daß in der ausführlichen Rechtsbelehrung, die Herr Dr. Borchardt uns gegeben hat, vielleicht das eine oder andere nicht ganz richtig geweſen iſt; aber er hat im allgemeinen eine ſo richtige hiſtoriſche Grundlage gegeben, daß man über die einzelnen Fehler hinweggehen kann. Was will auch die ganze Rechtsgeſchichte bedeuten gegenüber dem Abwege des Magiſtrats? Jedenfalls aber muß ich gegenüber dem Heirn Oberbürgermeiſter ſagen: amicus Schustehrus, magis amica veritas! Bei aller Freundſchaft für Herrn Oberbürgermeiſter Schuſtehrus muß ich doch ſagen: es wird ihm nicht gelingen, die Wahrheit der Tatſache aus der Welt zu ſchaffen, daß man ein Recht aus der Hand läßt und mit der Reg ierung paktiert entgegen demjenigen, was ſich 1903 hier zugetragen hat. Dieſer denk⸗ würdige Tag ſoll ganz aus der Vergeſſenheit ver⸗ ſchwinden! Heute ſollen wir ganz anders ſprechen! Heute ſollen wir uns von dem Herrn Oberbürger⸗ meiſter hier vorrechnen laſſen, wie viele Städte vor⸗ handen ſind, in denen ſich längſt ein evangeliſcher Geiſtlicher in der Schuldeputation befindet, — eine Tatſache, die ihm 1903 ebenſo bekannt geweſen iſt wie heute, ebenſo wie verſchiedenes andere, was zur Unterſtützung der Vorlage geltend gemacht wird. Und da ſollen wir uns nicht wundern? Ich habe den Herrn Oberbürgermeiſter, der heute zu uns ge⸗ ſprochen hat, in der Tat gar nicht wieder erkannt. Es war ein ganz anderer Mann als der, der 1903 zu uns geſprochen hat. Meine Herren, aus dem Bericht des Ausſchuſſes iſt zu erſehen, wenigſtens aus den uns heute vor⸗ getragenen leitenden Geſichtspunkten, daß in der Tat, wie ich ſchon erwähnt habe, nur ganz kleine Kleinig⸗ keiten herausgekommen ſind. Ich will zugeben, daß durch dieſe Kleinigkeiten hier und da eine Beſſerung eingetreten iſt; aber was will das alles gegenüber der großen Frage ſagen, die das Sein oder Nicht⸗ ſein unſerer Selbſtverwaltung betrifft! Und ſind denn die beiden leitenden Geſichtspunkte richtig? Iſt denn Klarheit geſchaffen worden? Iſt denn Parität geſchaffen worden? Wenn man genau gegenüberſtellt, kann man doch unmöglich von einer Parität ſprechen zwiſchen dem Königlichen Kreisſchulinſpektor und dem Stadtſchulrat. Was hat der Königliche Kreisſchul⸗ inſpektor zu ſagen und was der Stadtſchulrat? Das iſt ein Unterſchied wie Tag und Nacht. Ich will nicht näher darauf eingehen. Ich will nur an⸗ deuten, daß ich in der Tat vermiſſe, warum nicht der Magiſtrat, als er ſich zu der Vorlage bequemte, auch die Anregung gegeben hat, daß auch ein katho⸗ liſcher Geiſtlicher in die Schuldeputation aufgenommen würde; das würde nach meiner Auffaſſung nur den Grundſätzen der Billigkeit entſprochen haben. Ich meine aber ſchließlich, wenn wir die Frage der Zweckmäßigkeit ins Auge faſſen, dürfen wir vor allen Dingen nicht ſagen, wie es auch Herr Stadt⸗ rat Dr. Jebens getan hat: die Sache iſt harmlos. Stellen wir die Sache harmlos dar, dann heißt das, wie ich bereits hervorgehoben habe: die reinſte IIber⸗ gabe. Wir geben das Recht, das wir haben, voll⸗ ſtändig aus der Hand. Und dann, meine Herren, warum denn dieſe große Eile? Ich bin ja auch Juriſt, und Herr Stadtrat Dr. Jebens wird mir beſtätigen, daß es durchaus nicht leicht iſt, in ſolchen Fragen, noch dazu des öffentlichen Rechts, bei denen die hervorragendſten Juriſten ſich abgemüht haben, ins Klare zu kommen, in 14 Tagen uns ein Urteil zu bilden. Und da ſollten wir nicht auf den Antrag des Herrn Kollegen Dr. Spiegel eingehen, der nichts weiter will, als daß ein Ausſchuß zuſammentrete und Sachverſtän⸗ dige berufe, Sachverſtändige höre? Wir können uns dann ja immer noch entſcheiden, ob wir durch die Ausführungen der Sachverſtändigen belehrt worden ſind oder nicht. Aber ſo ohne weiteres über dieſe Anregung zur Tagesordnung überzugehen, iſt nach meinem Dafürhalten unbegreiflich. Daher bitte ich wiederholt: treten Sie auf dieſe Brücke! Es iſt wirklich eine Brücke, die uns alle vereint und ver⸗ ſöhnt. Ich hoffe, daß wir dann, nachdem wir aus dem Ausſchuß zurückgekehrt ſind, einſtimmig zu einem bre kommen werden, das uns alle befriedigen wird. (Bravo! bei den Liberalen und Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr. Jebens: Der geſchätzte Herr Vor⸗ redner hat es fertig gebracht, einige meiner Worte als — möglicherweiſe wenigſtens — verletzend für den Herrn Geheimrat v. Liszt anzuſehen. Ich be⸗ klage das auf das lebhafteſte. Mir hat jedenfalls eine ſolche Abſicht abſolut fern gelegen; ich habe im Gegenteil nur meine Hochachtung dem Herrn Geheimrat v. Liszt bezeugen wollen; wenn es mir doch nicht gelungen ſein ſollte, das treffend zum Ausdruck zu bringen, ſo würde ich kein Bedenken tragen, geradezu um Vergebung zu bitten. (Stadtv. Dr. v. Liszt: Bitte ſehr! ich habe es nie anders aufgefaßt!)