——— Stadtv. Dr. Penzig: Meine Herren, die Schä⸗ digung des Rechtsbewußtſeins iſt für mich die Haupt⸗ ſache. — Ich ſehe, daß Erzellenz Jebens augen⸗ blicklich anders beſchäftigt iſt; ich will alſo erſt auf einen andern Punkt eingehen. Ich muß meinem Herrn Vorredner, dem Kolle⸗ gen Holz, inſofern widerſprechen, als er uns geraten hat, den Weg auch zum Abgeordnetenhaus, auch zum König vielleicht zu finden, um dort unſer Recht u ſuchen, wenn uns das Abgeordnetenhaus es ver⸗ agen würde. Ich kann dieſen Weg nicht mitgehen; ich halte ihn für durchaus illiberal. Wir ſollen doch nicht die ſchönen Worte Uhlands vergeſſen: Noch iſt kein Fürſt ſo hoch gefürſtet, A So auserwählt kein ird'ſcher Mann, Daß, wenn die Welt nach Freiheit dürſtet, Er ſie mit Freiheit tränken kann, Daß er allein in ſeinen Händen Den Reichtum alles Rechtes hält, Um an die Völker auszuſpenden So viel, ſo wenig ihm gefällt! Das iſt kein Weg, den wir gehen können. Gegenüber Erzellenz Dr. Jebens möchte ich darauf hinweiſen, daß es ſich bei einem Rechte, das beſtritten wird, vor allen Dingen darum handelt, das Rechts⸗ bewußtſein im Volke nicht zu ſchädigen. Ich glaube, der Müller in Sanſouci hat keine rechte Ahnung gehabt, ob es ein Kammergericht geben würde. Er hat nur das inſtinktive Gefühl gehabt, daß es Richter irgendwo gebe, und daß dieſe Richter das Recht ſchon finden würden, wenn er es nur habe, und er hatte das Bewußtſein, daß er das Recht habe. Ich glaube, dieſes Rechtsbewußtſein wollen wir doch nicht gering ſchätzen, indem wir ſagen: es nützt nichts, wenn das Recht ohne Macht nachher ein Meſſer ohne Klinge und ohne Heft iſt. Erzellenz Dr. Jebens hat dann Herrn Kollegen Dr. Borchardt ja auch etwas kräftig vorgenommen und ihm ſein Wort: Macht geht vor Recht — als ob die Regierung das täte — ſtark übel genommen. Ich habe keine Veranlaſſung, Herrn Dr. Borchardt zu1 eragert er verſteht das ja ſelber recht aus⸗ giebig. Aber ich möchte doch darauf hinweiſen, daß Herr Dr. Borchardt nicht ganz Unrecht damit gehabt hat, auch nicht nach den Worten, wie ſie Erzellenz Jebens ſelber interpretierte. Denn er ſagte: es ſteht nur ſo, daß wir hier Recht zu haben glauben. Die Regierung hat aber auch Recht und glaubt auch, Recht 9 haben, und dann ſagt ſie: außerdem habe ich die acht, folglich — und Erzellenz Jebens hat zuge⸗ ſtanden: er würde das auch ſo machen — geht meine Rechtsauffaſſung vor. Ich möchte doch das eine zu bedenken geben: gerade damit dieſe Macht nicht das Recht vernichtet, gerade darum ſind richterliche Ge⸗ walten eingeſetzt, darum iſt überall die Verwaltung von der Rechtspflege getrennt, und darum iſt es ſo unleidlich, meine Herren, daß wir auf dieſem ganzen Gebiete unſer Recht nicht finden können. Aber, meine Herren, daraus folgt noch nicht, daß wir ſagen ſollen: da wir das Recht nicht finden können, da es unvollziehbar iſt, ſo laſſen wir es mit Füßen treten. Nein, ſage ich, dann folgt daraus: und ſtehe ich ganz allein gegen die ganze Welt, und da mag die Regierung, mag ſonſt kommen, wer da will, mit der Macht, — mit der Macht wird niemals Recht gemacht. Das Recht muß bleiben, wird bleiben. Das iſt der Standpunkt, den ich für richtig halte. (Bravo! bei den Liberalen und Sozialdemokraten.) Ich habe noch einiges andere nachzutragen. Der als auch“, 193 —— Herr Oberbürgermeiſter hat ſehr freundlicherweiſe mir ein gewiſſes theoretiſches Recht gegeben; er hat ſogar die Freundlichkeit gehabt, mich ins Abgeord⸗ netenhaus zu verſetzen, wo ich ſchwerlich, mich be⸗ ſonders wohl fühlen würde, und meinte ich hätte dort meine Ausführungen mit mehr Recht machen ſollen, hingegen ſei hier nicht der Ort, zu zeigen, wie man die Schulgeſetze machen ſoll. Der Sinn meiner Ausführungen war nicht, zu zeigen, wie man Schulgeſetze machen ſoll, ſondern wie man Schulge⸗ ſetze nicht machen ſoll, nämlich zu zeigen, wenn es irgendwo aufrechte Männer gibt, die ſic nicht er⸗ droſſeln laſſen wollen von ſolchen Geſetzen, daß man dann auf die Kehlen dieſer Männer Rückſicht nehmen müſſe. Ich habe nur ausgeführt, daß es notwendig iſt, zu zeigen, daß in den Gemeindeverwaltungen unſerer großen Stadte genug Mannesmut vorhanden iſt, um ſich ſeine Rechte nicht nehmen zu laſſen, ſondern zu ſagen: wir ſpielen eine Weile nicht mehr mit, ſucht ihr auszukommen, wie ihr könnt. Es iſt ſchon vielfach darauf hingewieſen worden, daß die Regierung die großen Städte ſehr viel nötiger braucht als die großen Städte die Regierung, und das iſt zweifellos richtig. Im übrigen ſind die ſchönen Ausführungen des Herrn Oberbürgermeiſters nur eine Illuſtration zu dem Thema, das wir ſonſt oft hören müſſen, nämlich von dem Unterſchied zwiſchen Theorie und Praris. Auch Herr Kollege Dr. Crüger hat darauf hinge⸗ wieſen. Dem gegenüber will ich nur an Kant er⸗ innern, der eine vortreffliche Abhandlung über dieſes Wort geſchrieben hat: das mag in der Theorie wohl richtig ſei, in der Praris iſt es nicht auszuführen. Ich möchte bitten, daß Sie das vielleicht mal nachleſen. Dann wies der Herr Oberbürgermeiſter darauf hin, daß der Magiſtrat ſich nicht vor Unannehmlich⸗ leiten geſcheut hätte; er hätte erſt die Rechte er⸗ kämpft, die nun wirklich hier in dem Ausſchußan⸗ trage vorliegen. Ich habe bereits geſagt, daß ich über dieſe Rechte recht beſcheiden denke. Aber immer⸗ hin, es wäre denkbar, daß der Herr Oberbürger⸗ meiſter meinte, ſie wären etwas beſonderes. Ich glaube aber nicht, daß es vorteilhaft iſt, wenn man ſich mit ſo Wenigem begnügt, nachdem man nach ſo Vielem Verlangen gehabt hat. Das kommt mir ſo vor, als wenn jemand kurz vor dem rettenden Ziel, vor der Daf, zu ſchwach wird, ſeinen Weg fortzuſetzen, und einige Kilometer vor der Oaſe ver⸗ durſtet. So geht es in dieſem Falle: es hat nicht ausgereicht, der Mut und die Energie, dieſe Sache durchzuſetzen. Das geht nicht von heute auf morgen: da muß man wirklich mal das Martyrium, ſagen wir: von Jahrzehnten, auf ſich nehmen. Das iſt freilich ſehr bedauerlich. Ein Wort noch über die Inſtruktion von 1811. Es iſt auf § 2 und auf § 8 hingewieſen worden. Eins habe ich noch nicht gehört: es iſt immer dort die Rede von Geiſtlichen oder anderen Sachverſtändigen. „Oder anderen Sachverſtändigen!“ Ich bitte, daß „anderen“ zu beachten. Ich bitte auch das „oder“ zu beachten. Ich halte dieſes „oder“ ich muß mich da lateiniſch ausdrücken für ein vel und nicht für ein aut, alſo nicht für das ausſchließende oder in entweder — oder, ſondern für ein „ſowohl oder etwas abgeändert: „nach Belieben In dieſem Sinne ſteht es auch im § 21 Inſtruktion; ganz am Schluſſe heißt es: Geiſtliche oder andere ſachver⸗ Deputation zuzuziehen ſo oder ſo“. dieſer ſelben es ſteht ihnen frei, ſtändige Männer zu dieſer