— 104 — uſw. Wenn man das ſo auffaßt, meine Herren, dann liegt die Sache doch nun ganz anders, dann ſind eben die Geiſtlichen in den Augen der Regierung von 1811 freilich Sachverſtändige; denn ſonſt könnte ſie nicht ſagen: andere Sachverſtändige. Sie ſind es auch geweſen; denn zweifellos — dar⸗ über ſind wir ja durch Herrn Dr. Jaſtrow belehrt worden zweifellos ſind in den Jahren, wo noch keine Lehrerbildungsanſtalten vorhanden waren, alſo vor rund 60, 70 Jahren, die Theologen die einzigen Sachverſtändigen geweſen. Mit dem Moment aber, als Lehrerbildungsanſtalten gegründet wurden, iſt auch das Sachverſtändigentum der Geiſt⸗ lichen eo ipso erloſchen; es ſollte wenigſtens erloſchen ſein. Und wenn man ſich gewundert hat, daß die Regierung von ihrem Rechte keinen Gebrauch gemacht hat, ſo liegt das daran, daß ſie das Bewußtſein ge⸗ habt hat: ſie müſſe nunmehr von den Geiſtlichen eine Sachverſtändigenprüfung verlangen, jetzt müßten ſie ſich als Sachverſtändige wieder erſt ausweiſen; und das wäre ihnen immerhin recht ſchwer geworden. Sie wiſſen, wie man in Lehrertreiſen die geiſtlichen Pädagogen nennt; ſie heißen dort „pädagogiſche Sechswochenkinder“, nach den ſechs Wochen, die ſie auf dem Seminar zu abſolvieren pflegen. Endlich zum Schluß! Herr Bürgermeiſter Matting ſagte: ja, das war auch wieder ſehr ſchön, was Dr. Penzig geſagt hat, aber ſchließlich können wir uns doch nicht opfern, wir können doch nicht für die ſämtlichen Kommunen gewiſſermaßen die Kaſtanien aus dem Feuer holen! Dazu ſei ihm Charlottenburg zu lieb. Ich muß ſagen: wenn auch beim Sturm auf Gravelotte oder auf Port Arthur jeder Soldat geſagt hätte: ja, ich kann mich doch nicht opfern! — ich fürchte, der Sturm wäre nie erfolgt. (Stadtv. Dr. Spiegel verzichtet. wird geſchloſſen.) Die Beratung Berichterſtatter Stadtv. Otto (Schlußwort): Meine Herren, ganz kann ich den Kelch des Schlußwortes an Ihnen nicht vorübergehen laſſen; aber ich ver⸗ ſpreche Ihnen, mich kurz zu faſſen. Die Debatte hat gezeigt, daß wir zwei ſcharf geſchiedene Lager ſind. In dem einen Lager be⸗ finden ſich die grundſätzlichen Gegner der Vorlage wegen des Geiſtlichen, in dem andern diejenigen, die geneigt ſind, ein Kompromiß zu ſchließen unter annehmbaren Bedingungen. Es war für mich ſehr intereſſant, aus der Gruppe der entſchiedenen Gegner der Vorlage zu hören, daß auch da wieder zwei ver⸗ ſchiedene Anſchauungen ſich finden. Der prinzipiellſte Vertreter, wenn dieſer Superlativ geſtattet iſt, iſt Herr Kollege Dr. Penzig, der unerbittlich, ohne Rückſicht auf das, was da wird, ſein Ziel bis zu Ende verfolgt, und wenn er, mit ſeinen Worten zu reden, allein gegenüber der ganzen Welt ſtehen ſollte. So weit geht Herr Kollege Dr. Borchardt nicht. Er hat ſeine Grundſätze entwickelt, hat aber ſchließ⸗ lich zugegeben: man muß immer mit der Praris rechnen, — und aus dieſer Erwägung iſt ſein Antrag geboren, eine rein ſtädtiſche Deputation zu bilden, die ſich nur mit den äußeren Angelegenheiten der Schule beſchäftigt. Ich habe gegen den Antrag das Bedenken, daß wir damit weſentliche Rechte, die uns et noch zuſtehen, preisgeben. Aber abgeſehen von ieſem Bedenken hat Herr Kollege Dr. Borchardt nach meinem Gefühl ſeinen Antrag durch ſeine wei⸗ teren Ausführungen ſelbſt tot gemacht; er hat her⸗ vorgehoben, daß es eine ſcharfe Scheidung zwiſchen äußeren und inneren Schulangelegenheiten nicht gibt, und er hat nun ſeinerſeits argumentiert: weil es dieſe Unterſcheidung nicht gibt, wird es mit der Zeit dahin kommen müſſen, daß der Staat der Stadt mehr Rechte verleiht. Das heißt auf Deutſch: es wird dahin kommen müſſen, daß Staat und Stadt ein Kompromiß mit einander abſchließen, (Sehr richtig!) eine Grundlage ſuchen, auf der ſie ſich einigen, und wenn nach vielen Kämpfen, indem wir dem Antrage des Herrn Kollegen Dr. Borchardt ſtattgegeben haben, wir dieſen Standpunkt erreicht haben würden, dann, meine Herren, wären wir genau ſo weit, wie wir heute ſind. (Sehr richtig!) Darum meine ich, wir können dieſem Antrage nicht zuſtimmen. Nun erſcheint vielleicht manchem der Kollegen der Antrag des Herrn Kollegen Dr. Spiegel ſehr beachtenswert, zunächſt einen Ausſchuß einzuſetzen zur Prüfung der Rechtslage in der ganzen Ange⸗ legenheit. Wenn nach Herrn Stadtrat Dr. Jebens niemand mehr das Wort genommen hätte, dann, meine Herren, hätte ich ohne weiteres auf das Schlußwort verzichtet. Denn, meine Herren, ich meine, gerade die Ausführungen des Herrn Stadt⸗ rats Dr. Jebens waren im weſentlichen für den An⸗ trag Spiegel von Bedeutung. Ich will aber doch, um der Mahnung meines verehrten Kollegen Holz zu folgen, einmal für einen Augenblick auf die Brücke treten, die der Antrag Spiegel bedeuten ſoll, wenn ich ſie auch für ſehr ſchwankend halte. Denken Sie ſich, meine Herren, wir beſchließen heute im Sinne des Antrages Spiegel: wir ſetzen einen Ausſchuß ein, der die Rechtslage prüft, und wir beziehen womöglich in dieſen Ausſchuß noch Sach⸗ verſtändige, Juriſten hinein. Dann iſt doch zunächſt die Möglichkeit — das iſt die Wahrſcheinlichkeit daß ſich die Juriſten abſolut nicht einigen werden. (Heiterkeit.) Auf der einen Seite wird dieſe Anſchauung herrſchen, auf der anderen Seite jene; das erſcheint bei der heutigen Lage beinahe gewiß. (Sehr richtig!) Ich will aber einmal dieſe Gewißheit ſtreichen und will den günſtigſten Fall annehmen, den Herr Kollege Spiegel ſich nur wunſchen kann. Denken Sie ſich, der Ausſchuß kommt einſtimmig zu der Anſicht: die Stadt hat Recht, und die Regierung hat Unrecht. Und denken Sie ſich weiter — den allerdings unmög⸗ lichen — Fall, daß dieſe Auffaſſung in der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung nicht nur eine Mehrheit, ſondern einſtimmige Zuſtimmung findet. Dann haben wir damit das Palladium des Rechts, wie es uns unſere Berater, unſere Sachverſtändigen zugeſprochen haben, in der Hand. Und wenn wir nun mit dieſem Rechts⸗ titel vor die Regierung hintreten und ſagen: wir verhandeln mit euch nicht, wir haben ja ein gutes Recht in Händen, — dann wird die Negierung kalt lächelnd ſagen: zeigt einmal euren Rechtstitel her, wir werden ihn prüfen! Und, meine Herren, die Möglichkeit werden Sie zugeben müſſen: es kann dann auf grund — nicht von voreingenommener Prüfung, die ich keinen Augenblick einer Regierung zutraue, ſondern auf grund ebenſo gründlicher juriſtiſcher Prüfung der Prüfungsausſchuß der Regierung zu genau dem entgegengeſetzten Ergebnis kommen, (ſehr richtig!) er alſo entſcheiden: die Stadt hat nicht Recht, ſondern Unrecht, und die Regierung hat Recht. Was wird