—— 1183s —— Stadtſchulden zu induſtriellen Zwecken verwendet worden iſt, ſodaß ſpeziell hierfür eine Belaſtung des ſtädtiſchen Säckels oder der Kaſſe der Steuerzahler nach keiner Richtung durch ſie eintritt, ſondern im Gegenteil eine Entlaſtung durch erfreuliche Uberſchüſſe. Ebenſowenig wird darauf hingewieſen, zu welchen Ausgaben wir durch die Geſetzgebung direkt ge⸗ zwungen ſind. Aber nicht bloß den Vorwurf einer bedauerlichen Oberflächlichkeit, der hervorgeht aus Mangel an ein⸗ gehender Sachkenntnis, muß ich dieſen Herren machen, ſondern auch ganz direkt den Vorwurf einer Rück⸗ ſtändigkeit in der Erkenntnis derjenigen Aufgaben, welche unſerer Kommune nun einmal obliegen, wie überhaupt jeder Kommune. Ich bin in der Lage, ganz direkt nachweiſen zu können, daß dieſe Be⸗ hauptung nicht etwa einfach von mir aus dem Armel hier geſchüttelt wird, ſondern ich kann ſie ganz direkt an einem aktuellen Vorgange beweiſen. Meine Herren, wir brauchen nur einmal zu denken an die uns allen doch höchſt unangenehme Affäre mit den Waſſer⸗ werken. Wenn Sie, meine Herren, die Senioren unſerer Verſammlung, die geehrten Herren Kollegen Barnewitz oder Profeſſor Dr. Frank, darüber befragen wollen, wie vor einigen 20 Jahren die Stadt in der Lage war, die Waſſerwerke ſozuſagen für ein Butter⸗ brot anzukaufen, wenn ich Ihnen weiter wiederhole, daß vor ungefähr 12 Jahren wir ebenfalls in der Lage geweſen wären, die Waſſerwerke ſehr billig an⸗ zukaufen, und daß ſogar damals der Vorſitzende der Charlottenburger Waſſerwerke, der inzwiſchen ver⸗ ſtorbene Goldſchmidt, mir ſagte: wir nehmen von der Stadt auch 3⸗prozentige Charlottenburger Stadt⸗ anleihe glatt in Zahlung — es ſtanden nämlich die 3⸗prozentigen Konſols damals ungefähr pari —, und wenn wir uns jetzt vergegenwärtigen, daß die Stadtverwaltung ſeinerzeit ſich das aus der Hand hat gehen laſſen, und daß wir nun infolge dieſes Mangels an Energie, Weitſicht und Unternehmungs⸗f luſt der damaligen Stadtverwaltung heute in die Lage gekommen ſind, uns einer Forderung von 15 Millionen auszuſetzen, dann werden die Herren zugeben, daß ſich dieſer Mangel an Vorausſicht und Energie an den Steuerzahlern ſelbſt ganz ungeheuer rächt. Ich darf hierbei einſchalten, daß eine Kommune meiner Anſicht nach allerdings keine induſtriellen Be⸗ triebe zu rein kaufmänniſchen Zwecken — d. h. zum Gelderwerb — betreiben ſoll; denn dafür ſind die Pri⸗ vatbetriebe da; wohl aber kann, ſoll und muß ſogar die Stadt diejenigen Induſtrieen betreiben, deren Produkte ausſchließlich für den Konſum der eigenen Einwohner 1veſtimmt ſind, d. h. alſo Gas⸗ und Elek⸗ trizitäts⸗ und Waſſerwerke, eventuell auch noch andre Einrichtungen, wie Straßenbahnen ꝛc. 2c. Meine Herren, ich bin ferner der Meinung, daß, da der Grundſtückserwerbsfonds per 1. April d. I. 6 619 250 ℳ beträgt und in der neuen An⸗ leihe auch wieder 5 202 000 ℳ vorgeſehen ſind, ſo⸗ daß er im ganzen 11 821 000 ℳ, alſo zirka 12 Millionen ℳ ausmacht, — daß unſere Amts⸗ nachfolger und die ſpäteren Bewohner Charlottenburgs uns wahrlich keinen Vorwurf daraus machen werden, daß wir jetzt auf Anleihen zirka 12 Millionen auf⸗ nehmen, um dafür Terrains zu erwerben, die in ſpäteren Jahren höchſtwahrſcheinlich das Dreifache oder Doppelte koſten werden. Infolgedeſſen muß man in der Tat, meine Herren, die Finanzgebarung einer Stadt nicht bloß oberflächlich nach dem heutigen Tage beurteilen, und darf nicht einfach raiſonnieren: da werden ſchon wieder ſo viel Anleihen aufge⸗ nommen, ſondern man muß ſich eingehend in das Studium der geſamten Finanzverwaltung und ihrer Prinzipien vertiefen, um alle einſchlägigen Momente in betracht ziehen zu können. Und da ich annehme, daß es für die Offentlichkeit und auch für manche von Ihnen ſelbſt, meine Herren, nicht unintereſſant ſein wird, einmal ein klein wenig von der früheren Finanzgeſchichte des alten Charlottenburg zu hören, ſo geſtatten Sie mir, wenige Minuten Ihre Zeit in Anſpruch zu nehmen, um Ihnen einiges daraus zu erzählen. Ich gehe nicht etwa zurück bis auf die Zeit, als der römiſch⸗deutſche Kaiſer Karl IV., Markgraf von Brandenburg, deſſen Denkmal Sie auch in der Sieges⸗ allee finden, im Jahre 1375 unſeren Amtsvorgängern in Lützelburg 6000 Goldgulden geliehen hat, um deren Verzinſung ſie wahrſcheinlich damals recht große Kopfſchmerzen hatten, ſondern ich fange an mit dem Jahre 1860, als die Stadt 12 000 Einwohner hatte und ein Budget von 55 000 Talern, alſo 165 000 ℳ, welches Sie freundlichſt mit dem heutigen vergleichen wollen. Damals war die Stadt im ganzen 17 500 Taler auf Hypotheken ſchuldig. Im Oktober 1860 ſchwang ſich die Stadtverordnetenverſammlung zu einem nach damaligen Anſichten vielleicht als salto mortale angeſehenen Verſuch auf: man beſchloß nämlich, eine Gasanſtalt zu erbauen, und nahm zu dem Zweck ein Darleyn von 30 000 Taler auf. Dieſes Anlehen wurde in 5%igen Obligationen ausgegeben und war innerhalb 50 Jahren kündbar. Das waren — außer den 17 500 Talern — die Schulden Char⸗ lottenburgs im Jahre 1860. Im Jahre 1862 traf die Stadt ein großes Glück: ſie erbte nämlich von der Witwe Bethge ein Kapital von 3800 Talern, das vermacht war zum Zwecke des Baues eines Krankenhauſes oder, wie man es da⸗ mals nannte, eines Spittels. Dafür erwarb man an der Kirch⸗ und Wallſtraße den Grund und Boden ür 4000 Taler, machte ſich alſo ſchon einer großen Überſchreitung ſchuldig, indem man volle 200 Taler mehr ausgab, als man beſaß. Der Bau ſollte 30 000 Taler koſten; indeſſen es konnten nur 14 000 Taler aufgebracht werden. In dieſer Ver⸗ legenheit wandte man ſich an die Regierung um die Erlaubnis, die reſtlichen 16 000 Taler aufnehmen zu dürfen. Dieſe Erlaubnis wurde gnädig erteilt; jedoch es fehlte — zwar nicht der Glaube, aber der Gläubiger. Nämlich zwei Jahre lang hatte man daran zu laborieren, um ſich dieſe 16 000 Taler zu beſchaffen, bis endlich der Rentier Löſchekohl ſich dazu bereit erklärte, gegen grundbuchliche Eintragung die 16 000 Taler zu geben, ſodaß endlich im Frühjahr 1865 der Bau beginnen konnte, nachdem wir, wie geſagt, im Beginne des Jahres 1862 bereits in den Beſitz der Erbſchaft gekommen waren. 1866 nahm man weitere 30 000 Taler auf zur Erweiterung des Rohrnetzes der Gasanſtalt gegen Obligationen 3 5% und 1½ Amortiſation. 1871 brauchte man wieder 80 000 Taler für die Gasanſtalt; die Obligationen wurden freihändig verkauft. 1874, als die Stadt 25 000 Einwohner und ſchon 500 000 ℳ Budget hatte, nahm man vom Reichsinvalidenfonds 1½ Millionen ℳ à 4½% und 1%, Amortiſation auf; aber von dieſen 1⅛½ Millionen ℳ wurden die obigen 640 500 ℳ alte Schulden getilgt: außerdem verwandte man für die Kanaliſation zuerſt 198 574 ℳ— und dann weitere 216 000 ℳ Die nächſte Anleihe war dann, als die Stadt 40 000 Einwohner hatte, die von 1885; und damit betraten wir denn das ſeitdem häufiger kultivierte