—— 179 — begründet, daß die Steuer ſchon im nächſtjährigen Etat wirken könne. Viele der allgemeinen Gründe, die er zur Be⸗ gründung der Steuern angeführt hat, kann man wohl unterſchreiben, und doch muß man ſich nach den Ausführungen, die er in ſeiner Rede gemacht hat, dagegen wenden. Zunächſt ſagt er: wir müſſen reichere Einnahmen haben, und zwar begründet er dies damit, weil die Stadt Charlottenburg „Kultur⸗ aufgaben, die ihr obgelegen haben, nicht hat erfüllen können.“ Ja, meine Herren, ich glaube, der Magi⸗ ſtrat und die Stadtverordnetenverſammlung wird dieſe Außerung des Herrn Stadtv. Dr. Borchardt nicht zu Recht beſtehen laſſen. Ich möchte wiſſen, welche Kulturaufgaben die Körperſchaften der Stadt Charlottenburg nicht erfüllt haben. Ich hoffe, meine Herren, daß in demſelben Maße, wie die Kultur⸗ aufgaben der Stadt Charlottenburg bisher immer von den ſtädtiſchen Körperſchaften erfüllt worden ſind, ſie auch in Zukunft erfüllt werden, und daß dies weiter auch durch die vorhandenen Etatsmittel wird geſchehen können. Dann aber, meine Herren, die reicheren Ein⸗ nahmen! Wenn ſie ſelbſt nicht notwendig find, möchten Sie, Herr Dr. Borchardt, dieſe haben, um die Steuerzuſchläge herabzumindern. Es iſt das erſte Mal, daß wir aus dem Munde des Herrn Dr. Borchardt Vorſchläge hören, die darauf abzielen, die Steuerzuſchläge herabzumindern. (Sehr richtig!) Aber, meine Herren, für dieſen Vorſchlag muß ich mich in dieſem Falle doch bedanken. Ich muß Ihnen da einige Zahlen geben, damit Sie ſich darüber klar werden und ein Bild darüber gewinnen, ob das, was Herr Dr. Borchardt anführt, auch wird ein⸗ treten können. Wenn Sie einmal eine Statiſtit mit anhören wollen, welche wir über das Eingehen der Umſatz⸗ ſteuer in deutſchen Städten haben aufmachen laſſen, ſo werden Sie erſehen, daß keine Stadt in Deutſch⸗ land ſo hohe Umſatzſteuererträge einnimmt wie gerade Charlottenburg. Es ſind hier die Zahlen der Jahre 1902 und 1903 aufgenommen, weil nur in bezug auf dieſe Jahre die Statiſtik vollkommen ſein kann, und zwar von den Städten Berlin, Breslau, Köln, Frankfurt a. M., Magdeburg, Stettin, Königsberg, Altona, Elberfeld, Halle, Dortmund, Barmen, Danzig, Kiel, Poſen, Kaſſel. Und wenn Sie, meine Herren, die Zahlen, die dort an Umſatzſteuer auf⸗ kommen in den einzelnen Städten, auf den Kopf der Bevölkerung umlegen, ſo werden Sie ſehen, daß in Charlottenburg im Jahre 1902 4,87 ℳ, im Jahre 1903 gar 5,28 ℳ aufgekommen ſind, und daß alle andern Städte hinter dieſer Zahl um 50% zurück⸗ bleiben. Die nächſte Stadt, die uns folgt, iſt Stettin: im Jahre 1903 mit 2,37 ℳ (hört, hört!) — alſo Sie ſehen: ein Abſtand von 2,37 bis 5,28 ! — die nächſte Stadt dann Frankfurt a. M. mit 2,34 ℳ, Köln mit 2,10 ℳ., und dann gibt es überhaupt keine Stadt, die einen Satz von 2 ℳ auf den Kopf der Bevölkerung hat. Es ſind dann einige Städte mit 1 ℳ, und die anderen ſind unter 1 ℳ. Daraus folgt, daß bei uns ein ganz koloſſaler Um⸗ ſatz in Grundſtücken vorhanden iſt, weit, weit größer, als er irgendwo in anderen Städten vorhanden iſt. Wir ſollten uns daher wohl fragen, ob wir Schritte tun ſollen, dieſen Umſatz in dem Maße einzuſchränken, wie es Herr Dr. Borchardt herbei⸗ führen will durch die Zuwachsſteuer. Die Folge würde ſein, daß das Ergebnis im nächſten Jahre nicht mehr 5,28 ℳ ſein würde, ſondern daß es zurückſchlagen würde auf die Hälfte, vielleicht noch darunter, und daß die Stadt Charlottenburg ſtatt 1300000 ℳ nach dem Etatsſoll aus der Umſatzſteuer bei dieſem Poſten vielleicht eine Unterbilanz von mehr als einer halben Million haben würde. Ich ſtehe daher nicht mit Herrn Stadtv. Dr. Borchardt auf dem Standpunkt, daß dieſer Vorſchlag geeignet ſein würde, die Steuerzuſchläge Charlottenburgs herabzu⸗ mindern. Ich würde ihm ſehr dankbar ſein, wenn er mir andere Vorſchläge machen würde, die dieſes Ergebnis hätten. (Heiterkeit.) Dieſen kann ich jedenfalls nicht akzeptieren. Dann hat Herr Dr. Borchardt andere Städte erwähnt: Köln, Frankfurt a. M. Ja, was für andere Städte paßt, paßt nicht immer für uns, und umgekehrt: was für uns paßt, paßt nicht immer für andere Städte. Sehen Sie ſich zunächſt die geogra⸗ phiſche Lage an! Die andern Städte liegen iſoliert; (ſehr richtig!) wir liegen nicht nur nicht iſoliert, ſondern mit — ich glaube — 42 anderen Gemeinden zuſammen, (ſehr richtig!) ſodaß man, wenn man nicht ganz eingeweiht iſt in die kommunalen Grenzen, nicht weiß, wo die Grenze von Charlottenburg iſt, wo Wilmersdorf anfängt uſw. Deshalb ſind wir naturgemäß bei Schritten, die ſo ſchwerwiegender Natur ſind wie gerade dieſer Schritt der Einführung einer Zuwachsſteuer, abhängig von anderen Gemeinden, welche mit uns im Gemenge liegen. Man kann Anhänger, man kann ſogar ein warmer Anhänger der Wertzuwachsſteuer ſein, und trotzdem kann man ſagen: die Wertzuwachsſteuer iſt nicht geſchaffen für die Stadt Charlottenburg. (Sehr richtig!) Dann hat Herr Dr. Borchardt weiter ausgeführt: zur Entwickelung der Stadt Charlottenburg würde dieſe Steuer beitragen. Und in demſelben Satz hat er geſagt: der Terrainſpekulation würde ein wirkſamer Riegel vorgeſchoben ſein. Ich habe mir die Worte notiert; ich glaube, aus dem Zuruf entnehmen zu ſollen, daß Herr Dr. Borchardt die Worte nicht be⸗ ſtreitet. Jawohl, das gebe ich zu: der Terrain⸗ ſpekulation würde ein Riegel vorgeſchoben werden. Aber bedenken Sie, daß zum Teil durch die Terrain⸗ ſpekulation die Entwickelung Charlottenburgs herbei⸗ geführt iſt, (ſehr richtig!) und daß, wenn wir der Terrainſpekulation einen Riegel vorſchieben, wir — ich will nicht ſagen: Selbſt⸗ mord begehen, aber ſehr wichtige Lebensadern uns abſchneiden! Einen ſolchen Schritt ſollen wir doch ſehr überlegen. Ich komme zum dritten Punkt, den Herr Dr. Borchardt angeführt hat: das iſt die Plötzlichkeit. Er will die Wirkung bereits im nächſten Etat haben. Herr Dr. Borchardt, wir können es machen, wie wir wollen, eine Wirkung im nächſten Etat iſt deshalb nicht möglich, weil eine ſolche Steuer ſelbſtverſtand⸗ lich erſt in der Zukunft wirkt — unter der Annahme, daß der Umſatz der gleiche bleibt; dieſe Annahme habe ich ja verneint. Im nächſtjährigen Etat — das ſehen Sie aus Köln — würde ſie abſolut keinen Erfolg haben; ſelbſt unter der Annahme, daß der Umſatz nicht nachlaſſen würde, würden Sie im nächſt⸗ jährigen Etat keinerlei reichere Mittel zur Verfügung haben, um irgend welche Zwecke, die Ihnen nahe⸗ liegen, zu erfüllen.