—— 180 Ich möchte deshalb dieſe letztere Ausführung, die ich lediglich für meine Perſon gemacht habe, damit ſchließen, daß ich reſümiere: man kann An⸗ hänger einer Wertzuwachsſteuer ſein, und trotzdem muß man die Möglichkeit der Einführung zur Zeit für die Stadt Charlottenburg verneinen. Stadtv. Dr. Crüger: Herr Kollege Dr. Borchardt gehört zu den Optimiſten ſeiner Fraktion. Er bringt uns in der Regel das weitgehendſte Vertrauen ent⸗ gegen. Er unterſcheidet ſich dadurch lebhaft von ſeinen engeren Fraktionsfreunden, den Herren Baake und Hirſch, die uns für eine reaktionäre Maſſe er⸗ klären. Herr Dr. Borchardt verſchärft ſeinen im Ausſchuß abgelehnten Antrag und erwartet von der Stadverordnetenverſammlung, daß ſie möglichſt ein⸗ ſtimmig ihn annehmen werde. Er ſcheint das bei ſeinen Anträgen in der Regel anzunehmen, hat wohl noch immer nicht genügend Erfahrung gemacht, ob⸗ gleich er ſich in ſeiner Zuverficht ſtels getäuſcht ge⸗ ſehen hat. Meine Herren, die Wertzuwachsſteuer iſt von den Herren Vorrednern von den verſchiedenſten Geſichts⸗ punkten aus behandelt. Ich bin nicht in der Lage, namens meiner Fraktion zu ſprechen, wie ja auch Herr Kollege Marcus erklärt hat, daß er nur für ſich ſpreche. Denn offen geſtanden: wir haben nicht erwartet, daß der Antrag im Plenum, noch dazu in verſchärfter Form, nochmals vorgebracht würde. Man kann auch nicht einen Antrag wie dieſen ernſthaft nehmen: denn es iſt doch ganz unmöglich, daß ein ſolcher Antrag ſofort in Wilkſamkeit treten ſoll. Es ſoll gar kein Ausſchuß mehr zur Beratung dieſes Antrages eingeſetzt werden, ſondern wir erklären hier die Annahme, morgen ſtimmt der Magiſtrat zu, und übermorgen nachmittag tritt dieſe Steuer bereits in Kraft! (Heiterkeit.) Meine Herren, ſo außerordentlich überraſcht bin ich ja nicht, daß die Herren der ſozialdemokratiſchen Partei ſich hier für die Wertzuwachsſteuer erklären. Denn es paßt die Steuer ja vollſtändig in ihr Pro⸗ gramm, in ihre Wirtſchaftsanſchauung hinein. Ich weiß nur nicht, warum ſie ſich mit dem Wertzuwachs bei den Immobilien aufhalten. Die Sozialdemo⸗ kratie ſteht doch im Kriegszuſtand mit jedem Profit, der nach ihrer Anſchauung nicht dem einzelnen, ſondern der Geſamtheit zukommen müßte. Herr Dr. Borchardt ſagt, daß der Beſitzer von Immobilien aus dem Wertzuwachs Vorteil zieht, der nicht durch ſeine, des Beſitzers, Tätigkeit, ſondern durch die Gunſt der Verhältniſſe herbeigeführt iſt. Kommt das nur bei Immobilien ſo? Wir ſehen Inhaber von Geſchäften und geſchäftlichen Unternehmungen, die freilich mehr Tatkraft und Arbeitskraft einſetzen als Terrainſpeku⸗ lanten, die aber doch zumeiſt den größten Teil des Gewinnes nicht ihrer eigenen Intelligenz, ſondern der Gunſt der Verhältniſſe zu verdanken haben — alſo ein Wertzuwachs, der nach Anſicht des Herrn Dr. Borchardt ebenſo ungerechtfertigt iſt wie der Wertzuwachs bei Terrain⸗ und Grundſtücksſpekulanten. Warum ſoll dieſer Wertzuwachs ſteuerfrei bleiben? Jeder Wertzuwachs, jeder „Profit“ muß nach Anſicht der Sozialdemokraten ſo gründlich beſtenert werden, daß er vollſtändig der Geſamtheit zufällt. Meine Herren, wann ſoll dann eigentlich die Steuer erhoben werden, d. h. zu welchem Zeitpunkt? Iſt ſie eine Umſatzſteuer? Mir iſt es nicht klar geworden aus den Aus⸗ führungen des Herrn Dr. Borchardt. Ich glaube nicht, daß es — liegt, wie Herr Stadtv. Dr. Roſe es aufgefaßt hat; denn dann würde die Wertzuwachsſteuer tat⸗ fächlich eine Umſatzſteuer ſein, und die haben wir bereits. Es ſoll wohl eine Steuer ſein, die jährlich erhoben wird von dem Wertzuwachs, der abgeſchätzt wird. Von wem abgeſchätzt wird? Von den Grund⸗ ſtücksbeſitzern oder von einer Deputation des Magi⸗ ſtrats und der Stadtverordnetenverſammlung? Meine Herren, wenn wir vielleicht den Herrn Kollegen Dr. Borchardt in dieſe Einſchätungskommiſſion hinein⸗ wählen würden, dann würde ich mich beſtens bedanken für die Mietsſteigerung, die wir dabei zu erfahren haben müßten. (Sehr richtig!) Ein wenig erfreulicher Erfolg der Steuer! Wir hören immer vom Wertzuwachs. Meine Heeren, ein dauernder Wertzuwachs iſt mir eigentlich nicht be⸗ kannt. Wir haben auch auf dem Gebiete des Wertzu⸗ wachſes die Wellenbewegung: nach dem Wertzuwachs tritt auch einmal eine Wertverminderung ein. Es ergibt ſich folgender Fall: der Grundbeſitzer hat ſein Terrain nicht verkauft, die Steuer hat er von dem Wertzuwachs bereits bezahlt, im nächſten Jahre tritt eine Werwerminderung ein, — ſoll die Stadt Charlotten⸗ burg dann die Steuer zurückgeben oder eine — wir müſſen doch ſagen: unberechtigte — Bereicherung einſtecken? Die ganze Zuwachsſteuer iſt, obgleich Herr Dr. Borchardt ſich — von ſeinem Standpunkt, muß ich ſagen, ganz beſonders anerkennenswert — auf die ſächſiſche Regierung berufen hat, (Heiterkeit) um zu zeigen, wie klar und ſchön die Steuer iſt, doch wirklich noch eine ſo unklare Steuer, nach den verſchiedenſten Richtungen hin ſo wenig geklärt, daß gar keine Rede davon ſein kann, heute bereits einen Beſchluß zu faſſen, durch den wir uns für die Wert⸗ zuwachsſteuer ausſprechen. Meine Herren, es iſt ja von Herrn Kollegen Marcus darauf aufmerkſam gemacht, daß uns eine Petition der Bodenreformer vorliegt, die für einen ganz beſtimmten Fall einen Verſuch mit der Wert⸗ zuwacheſtener fordert, die hinweiſt auf ein ganz be⸗ ſtimmtes Objekt, das in den Beſitz der Kommune gelangt iſt, das von der Kommune möglicherweiſe parzelliert werden ſoll. — Die Bodenreformer fürchten, daß die Kommune vielleicht 60000 ℳ dabei heraus⸗ ſchlägt und ſpäter die Spekulanten 1 600 000 ℳ dabei gewinnen; dieſe 1 600 000 ℳ ſollen dann durch irgend welche Manipulationen, die dem Verein ja auch noch nicht klar find, die ich auch noch nicht überſehen kann, der Kommune geſichert werden. Es wird bei der Beratung jener Petition ſich die Möglichkeit für uns ergeben, die Wertzuwachsſteuer funditus zu prüfen und zu unterſuchen. Denn nach einer ſo all⸗ gemein gehaltenen Empfehlung, wie es hier von dem Herrn Antragſteller geſchehen iſt, iſt es einfach ein Ding der Unmöglichkeit, in beſtimmter Weiſe Stellung zu nehmen. Ich gebe ohne weiteres zu, wie der Herr Käm⸗ merer es auch bereits getan hat: manche der Aus⸗ führungen des Herrn Kollegen Dr. Borchardt haben etwas außerordentlich Blendendes für ſich. Es liegt ſo nahe, daß jemand, der aus der Gunſt der Ver⸗ hältniſſe beſondere Gewinne zieht, mit einer beſonderen Steuer veranlagt wird. Aber wir dürfen dabei nicht nur die augenblickliche Wirkung der Stener ins Auge faſſen, ſondern müſſen hinausſchauend die weitere Wirkung der Steuer in der Zukunft im Auge haben. Ich meine, es würde tatſächlich ein recht hoher Grad von Leichtſinn dazu gehören, dem Antrage des Kollegen Dr. Borchardt hier zuzuſtimmen. Ich halte es