—— 2083 — und die Frage zu prüfen, wie hoch die Aufwendungen dann notwendig ſein müßten. Der Herr Bürger⸗ meiſter verweiſt demgegenüber darauf, daß ja außer den von zu uns entſendenden 500 Kindern der Verein aus eigenen Mitteln noch weitere 400 entſenden wird, alſo ein ſehr deutliches Zeichen dafür, daß in der Tat ſehr viel mehr als 500 Kinder dieſer ganz beſonderen Erholung teilhaftig werden müßten. Denn daß der Verein ſich auf die Zahl 400 beſchränkt, geſchieht doch lediglich deswegen, weil ſeine Mittel nicht weiter reichen. Würden wir ihm z. B. die Mittel für 900 Kinder bewilligen, ſo würde er wahrſcheinlich eine weitere Anzahl von mehreren hundert Kindern entſenden können. Alſo dieſe Aus⸗ führungen ſcheinen mir alle durchaus geeignet, für meinen Antrag der weiteren Beratung in einem Ausſchuß zu ſprechen. Nun, meine Herren, entwirft der Herr Bürger⸗ meiſter ein Bild, das vor der Verſtadtlichung der Ferienkolonien überhaupt graulich machen ſoll, indem er als Schreckgeſpenſt hinmalt: man erhebe da die Forderung, daß jedes Kind überhaupt einer ſolchen Erholung teilhaftig werden ſolle, es würde das eine finanzielle Belaſtung darſtellen — nun, ſagen wir: von rund 1 Million Mark; denn die Zahl von 20000 Kindern iſt ja bei uns bereits überſchritten oder wird demnächſt überſchritten. Alſo eine Mehr⸗ belaſtung unſeres Schuletats von rund einer Million Mart iſt bereits etwas ſo ungeheuerliches, daß man es überhaupt nur zu denken braucht, um ſofort ein⸗ zuſehen: ſo ewas iſt in aller Zukunft vollſtändig undenkbar. Meine Herren, ſo ähnlich mögen vor 100 oder mehr Jahren die Leute geurteilt haben, wenn man von einer allgemeinen Schulpflicht ſprechen wollte, wenn man davon ſprechen wollte, daß jedes Kind leſen und ſchreiben lernen ſoll. Denken Sie nur an: jedes Kind, nicht bloß die Kinder der Vornehmen und Reichen ſoll leſen und ſchreiben lernen, man ſoll die Mittel aufwenden, um jedem einzigen Kinde das Leſen und Schreiben und Rechnen beizubringen: was das für enorme Koſten macht! Nun, glücklicher⸗ weiſe iſt dieſe Frage doch gelöſt worden trotz der enormen Koſten. Ich weiß im Moment nicht, wie hoch unſer Gemeindeſchuletat iſt, aber jedenfalls beträgt er mehr als eine Million; es werden mehrere Millionen jedes Jahr aufgewendet, um jedes Char⸗ lottenburger Kind an dieſem Unterricht teilnehmen zu laſſen. Wenn alſo das der einzige Grund wäre, der dagegen ſpricht, daß gegenwärtig die Koſten ſo enorm erſcheinen, ſo iſt dieſer Grund durchaus nicht ſtichhaltig. Aber freilich, meine Herren, ich bin mir ja voll⸗ kommen darüber klar, daß wir auch bei einer Ver⸗ ſtadtlichung der Ferienkolonien nicht ſofort dahin kommen werden, namentlich angeſichts der Anſchau⸗ ungen in den maßgebenden Kreiſen, nun für jedes Kind eine ſolche Erholung durchzuführen, und des⸗ wegen ſtelle ich ja auch lediglich den Antrag, mit dem Ausblick auf dieſen, wie ich vorhin wohl ſagte ich glaube, ich brauchte dieſen Ausdruck — idealen Zu⸗ ſtand, die Einrichtung zu verſtadtlichen, um zunächſt mal für jedes beſonders erholungsbedürftige Kind ein direktes Anrecht auf dieſen Urlaub, auf dieſe Erholungszeit zu ſchaffen. Vorläufig iſt es eine Wohltat, da die Stadtgemeinde dieſe Einrichtung nicht getroffen hat, ſondern ſie der Privatwohltätigkeit überlaſſen blieb und in dankenswerter Weiſe von hochherzigen Leuten in Angriff genommen iſt; aber naturgemäß ſtellt ſie nur einen Tropfen auf den heißen Stein dar. Mit fortſchreitender Entwickelung ſuchten dieſe Leute den Kreis ihrer Tätigkeit weiter und weiter auszudehnen, und die Stadt iſt ihnen entgegengekommen, bewilligt ihnen Mittel und Bei⸗ hilfen. Nun wäre doch der weitere Schritt, dieſes, was bisher eine Wohltat iſt, wenigſtens für die beſonders kränklichen und ſchwächlichen Kinder zu einem Recht zu ſtempeln und jedes von der Schulverwaltung zu bezeichnende Kind dieſer Wohltat teilhaftig werden zu laſſen. Ich bitte Sie daher, dieſe Frage nach meinem Antrage einem Ausſchuß zu überweiſen, damit dort die finanzielle Belaſtung näher geprüft werden kann. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Berichterſtatter Stadtv. Dr. Frentzel (Schlußwort): Meine Herren, ich bedauere ſehr, daß mein Referat nicht den Beifall des Herrn Kollegen Dr. Borchardt ge⸗ funden hat; ich bedauere es noch mehr, daß ich ihm nicht einmal Befſerung in dieſer Beziehung verſprechen kann, und hoffe auch, daß er mir mildernde Umſtände bewilligen wird, wenn ich ihm mitteile, daß nach meiner Auffaſſung der Referent doch im weſentlichen verpflichtet iſt, über das vorliegende Material zu referieren. Das glaube ich nach beſtem Wiſſen und Können auch getan zu haben. Auch in dem in den Akten vorliegenden Material war über die Stimmung und über die Meinungen, die in der gemiſchten Deputation ausgetauſcht worden ſind, nichts zu finden. Es war mir bei der Kürze der Zeit auch nicht möglich, hierüber ein ſo authentiſches Material, daß ich es hier als Referent vortragen könnte, bei⸗ zubringen. Im übrigen möchte ich ihn noch darauf aufmerkſam machen, daß ich als Referent nicht quasi als Grund, weswegen man die Verſtadtlichung nicht beſchloſſen hat, einzig und allein angeführt habe, man hätte ſich dann einer Undankbarkeit gegen den Verein ſchuldig gemacht, ſondern daß ich das lediglich zitiert habe als die Meinung derjenigen Leute, welche ſelbſt den Antrag geſtellt hatten, aber ſich darüber klar waren, daß dies Motiv gegen ihren Antrag geſprochen hätte. Dies dazu. Im übrigen hat Herr Kollege Borchardt den Antrag geſtellt, die Angelegenheit noch einmal einem Ausſchuß zu überweiſen, alſo nicht einer gemiſchten Deputation. Ich glaube kaum, daß, nachdem eben die gemiſchte Deputation darüber lang und breit verhandelt hat, jetzt nach ſo kurzer Zeit ſchwerlich etwas anderes herauskommen wird. Ich glaube kaum, daß jetzt andere Gründe vorliegen, anders zu entſcheiden, als man es bisher getan hat. Ich kann meinerſeits mich nicht dafür entſchließen, jetzt einen Ausſchuß zu befürworten. Liegen längere Erfahrungen vor — Sie haben ja vom Herrn Bürgermeiſter gehört, daß auch dies Abkommen lediglich ein provi⸗ ſoriſches iſt —, ſo bin ich gern dafür zu haben, dies Thema noch einmal aufzurollen und nach beſten Kräften auch im Sinne des Stadtv. Borchardt an der Löſung mitzuarbeiten. (Die Verſammlung lehnt den Antrag des Stadtv. Or. Borchardt ab, nimmt von der Mitteilung des Magiſtrats über das Ergebnis der Beratungen der gemiſchten Deputation Kenntnis und beſchließt mit großer Mehrheit nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Dem Verein gegen Verarmung, Abteilung Ferienkolonien, wird für das Jahr 1904 eine einmalige außer ordentliche Beihitfe von 6000 ℳ aus berriten Mitteln bewilligt.)