— 289 „Zum Schreiben vom 18. d. Mts. Nr. III. 4187. Die von dem Magiſtrat beklagten, mir übrigens längſt bekannten Unzuträglichkeiten haben mir wiederholt, insbeſondere noch in letzter Zeit Gelegenheit gegeben, die Auf⸗ ſichtsbeamten zu unnachſichtigem Einſchreiten dagegen anzuweiſen Wenn ein nennenswerter Erfolg bis jetzt nicht erreicht worden iſt, ſo liegt der Grund in der unzureichenden Anzahl von Erecutiv⸗ beamten, deren Vermehrung ich bisher ver⸗ geblich angeſtrebt habe. *, 1 Jedenfalls werde ich, ohne daß es einer beſonderen weiteren Anregung bedarf, nach wie vor auf die Beſeitigung der zur Sprache gebrachten Übelſtände Bedacht nehmen. Steifenſand. An den Magiſtrat hierſelbſt.“ Charlottenburg, den 10. Juni 1905. Vorſt.⸗Stellv Kaufmann: Es iſt der Antrag auf Beſprechung der Anfrage geſtellt worden. (Der Antrag wird genügend unterſtützt. Die Beſprechung wird eröffnet.) „Stadiv Stein: Meine Herren, ich habe, wie ge⸗ ſagt, zwei Sachen angeregt, von denen die eine auch beantwortet worden iſt; das iſt die Anfrage wegen Beaufſichtigung des Fuhrverkehrs Der zweite Teil der Anfrage bezog ſich darauf, durch neu zu ſchaffende Maßnahmen wieder größere Sicherheit auf den Straßen herzuſtellen. Dieſen zweiten Teil hat der Magiſtrat auch an das Polizeipräſidium weitergereicht; darauf hat aber der Herr Polizeipräfident gar nicht geantwortet. Nun, meine Herren, ich bin weit davon entfernt, der Polizei einen Vorwurf daraus zu machen, daß ſie in der Beaufſichtigung des Verkehrs auf den Straßen nachläſſig iſt. Im Gegenteil, ich weiß aus einer anderen Erfahrung vom vorigen Jahre, wie tatkräftig das Polizeipräfidium eingeſchritten iſt. Ich will Ihnen das kurz erzählen. Im vorigen Jahre ſiſtiert ein Schutzmann einen Wagenführer in der Nettelbeckſtraße, weil er auf dem Straßenbahngeleiſe fährt. Er ſtellt ihn feſt, und der ſagt: „Ach, da ſtand ein Wagen auf der Straße, und da mußte ich herum⸗ fahren“ Der Schutzmann ſtellt feſt, daß das hundert Meter weiter geweſen iſt, und bringt die Sache zur Anzeige. Es wird gerichtliche Entſcheidung beantragt, und das Gericht entſcheidet: das wäre nicht ſtraffällig. Ich führe das an, nicht weil ich der Polizei einen Vorwurf machen will; ich möchte aber, daß überhaupt über die Sache geſprochen wird, und daß der Magiſtrat in Verbindung mit dem Polizeipräſidium, vielleicht auch in Verbindung mit der Stadtverord⸗ netenverſammlung auf Mittel und Wege finnt, wie Abhilfe geſchafft werden kann. Ich will keine definitiven Vorſchläge machen. Aber Sie können ſich wohl denken, daß, wenn ich die Sache zur Spruche bringe, ich mir auch Gedanken gemacht habe, wie Verbeſſerungen vorgenommen werden können. Zunächſt, was das Fahren der Kraftwagen anbelangt, meine Herren! Es iſt Beſtimmung, daß unten am Wagen hinten ein Schild angebracht werden muß mit Buchſtaben und Nummer. Der Wagen ährt ſchnell: wer von Ihnen iſt wohl im ſtande, bei mellfahrendem Wagen feſtzuſtellen, was für eine Nummer er hat? f 3. t (Sehr richtig!) Alſo dieſe ganze Anbringung der Nummer iſt nutzlos beim Schnellfahren. Beim langſamen Fahren kommt es nicht darauf an; beim Schnellfahren kommt aber Staub, Schmutz uſw. darauf, und es iſt dann ſehr ſchwer, die Nummer feſtzuſtellen. Aber das läßt ſich doch ändern! Wenn es ſich blos um den Buchſtaben und die Zahl handelt, weshalb kann das nicht hinten oben angebracht werden? Warum kann man nicht weiter gehen und den Namen des Beſitzers an dem Wagen anbringen? Ich habe mit Automobilbeſitzern geſprochen, und die ſagen: „Ach das ſind bloß Rowdies, und wenn die in unſere Klubs eintreten, dann ſtoßen wir ſie aus!“ Meine Herren, die meiſten Automobil⸗ beſitzer ſind nicht Mitglieder der Klubs und wollen nicht in ſolche eintreten, im übrigen kann es uns ganz egal ſein, ob die Beſitzer von Automobilen Mitglieder von Klubs ſind. Darauf kommt es gar nicht an; wir wollen nur das Publikum ſchützen vor den Automobilen! Wir haben eine ſchöne Stadt, wunderbare Straßen, und die werden uns verunziert durch die Kraftwagen, die gar nicht einmal aus Charlottenburg kommen! Aber die Leute denken: auf unſeren ſchönen breiten Straßen fährt es ſich ſehr ſchön; ſie wollen nach dem Grunewald. Es iſt ſo weit gekommen, daß die Anwohner am Kurfürſten⸗ damm ſagen: „Wir ziehen weg! Der fortwährende Geſtank und der Staub und der Lärm verleidet uns den Anfenthalt an dieſer ſchönen Straße.“ Ich meine, das iſt doch wohl ein Grund, daß der Magiſtrat an Abhilfe denkt! — Das iſt der eine Punkt: Beaufſichtigung des Fahrverkehrs. Dann: Neue Maßnahmen! Ich habe hier ge⸗ ſagt: das ſchnelle Fahren der Kraftwagen verleitet die Beſitzer von Pferdegeſpannen auch ſchneller zu fahren, das ſteckt eben an. Es kommt hinzu, daß bei uns Leute Fuhrwerke mit einem oder zwei Pferden fahren, die keine Ahnung vom Fahren haben. Dem müßte doch abgeholfen werden dadurch, daß jeder, der auf der Straße fährt, auch den Befähigungsnach⸗ weis dafür erbracht haben muß! Die Sache iſt in Berlin eingeleitet; ich glaube, daß der Herr Polizei⸗ präſident der Sache ſehr günſtig gegenüberſteht. Aber es wäre doch auch ſehr gut, wenn hier in unſerer Verſammlung darüber geſprochen wird, wenn die Herren ſagen, wie ſie darüber denken, ob ſie empfehlen würden, in dieſer Weiſe vorzugehen. Ein⸗ fach iſt es ja nicht, eine Fahrſchule zu errichten; in Berlin iſt man ſeit Jahren darum bemüht, man iſt aber immer abgewieſen. Wir ſind aber, Gott ſei Dank, nicht ſo abhängig von Berlin, wir haben ſchon manches bei uns eingeführt, was Berlin uns nach⸗ macht; wir brauchen uns alſo hier auch nicht zu ſcheuen, zuerſt vorzugehen! Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, es iſt ja nicht zu verkennen, daß die Schäden, die durch das neue Verkehrsmittel für die Großſtadt er⸗ wachſen ſind, von dem Herrn Vorredner richtig und charakteriſtiſch geſchildert worden ſind. Das über⸗ ſchnelle Fahren, zu dem nicht blos die Rowdies bereit ſind, die im Automobil ſitzen, ſondern zu dem das Vehikel ſelbſt geradezu verleitet, iſt gefährlich für die Paſſanten, und der Benzingeruch, den viele dieſer Fahrzeuge heute noch hinter ſich laſſen, iſt ſcheußlich, namentlich für die Spaziergänger, und der Staub, der aufgewirbelt wird, iſt unangenehm und ungeſund. Das gebe ich zu. Aber, meine Herren, wir haben bei allen Fahrzeugen, die wir in der Großſtadt haben, ähnliche Mißſtünde zu beklagen. Wie oft haben wir uns ſchon über die elektriſchen Bahnen unterhalten und geklagt über die Mängel, die dieſes Vehikel zeigt!