— 295 — ſtimme dem Herrn Kollegen Dr. Zepler auch darin vollſtändig bei, daß eine ſolche Unterſtützung nicht als Unterſtützung im gewöhnlichen Sinne aufzufaſſen iſt, daß ſie nicht aus Armenmitteln erfolgen darf. Meine Herren, wir geben in unſeren Säuglingsfürſorgeſtellen das Surrogat den Bedürftigen umſonſt, ohne daß dieſe Unterſtützung als eine Armenunterſtützung im geſetz⸗ lichen Sinne aufgefaßt werden ſoll, und ich meine, dieſen Grundſatz muß man auf die Gewährung des urſprünglichen guten Nahrungsmittels gleichfalls an⸗ wenden. Wenn wir trotzdem dem Antrag, wie er vorliegt, nicht zuſtimmen können, ſo hat die Motivierung dazu eigentlich Herr Kollege Dr. Zepler ſelbſt gegeben. Der Antrag iſt eilig verfaßt ohne das nötige ſtatiſtiſche Material, ohne Vorſchläge zu machen, in welcher Weiſe dieſer Dienſt an unſeren unbemittelten Mitbürgern organiſiert werden ſoll. Dieſe Frage muß natürlich in erſter Linie erledigt werden, und das geht auch nicht in der Form, daß wir einfach den Anrrag Zepler einem Ausſchuß überweiſen; denn in dieſem Antrag iſt ſchon ein beſtimmter Geldbetrag gefordert. Das geht nicht ohne weiteres. Es würde vielmehr eines neuen Antrages bedürfen, in dem die Einſetzung eines Ausſchuſſes zur Beratung derartiger Einrichtungen gefordert wird. Meine Herren, jedenfalls ſind wir der Meinung, daß der Magiſtrat es ſich angelegen ſein laſſen ſollte, gleichviel ob ein ſolcher Ausſchuß eingeſetzt wird oder nicht, über die Sache und über die Organi⸗ ſation ernſthaft nachzudenken und uns tunlichſt ſchon in den nächſtjährigen Etat eine Summe einzuſetzen für Unterſtützung an unbemittelte Mütter. Stadtv. Sachs: Ich glaube wohl ausſprechen zu dürfen, daß die Stadt Charlottenburg an der Spitze derjenigen Städte ſteht, welche für die ſoziale Für⸗ ſorge außerordentlich viel getan haben, und ich glaube, es wird in der geſamten Stadtverordnetenverſamm⸗ lung keinen geben, welcher nicht beſtrebt bleibt, dieſes Syſtem aufrechtzuerhalten, das Möglichſte zu tun, um die ſozialen Verhältniſſe zu beſſern. Nun haben wir erſt vor einiger Zeit die Fürſorgeſtellen für Säug⸗ linge eingerichtet. Ich glaube, daß dieſe Frage in innigem Zuſammenhange ſteht mit dem Antrage, welchen Herr Dr. Zepler eingebracht hat; ſie iſt wenigſtens ſehr ſchwer davon zu trennen. Wir haben darin noch gar keine Erfahrungen geſammelt, und wir meinen, es müßte auch auf dieſem Gebiete ein nicht allzu raſches Tempo angeſchlagen werden; ſonſt kommt man doch immerhin in gewiſſe Verlegenheiten, oder es iſt dann die Sache nicht in ſo klarer Weiſe zur Ausführung zu bringen. Ich meine, und meine Freunde ſind derſelben Meinung, daß wir erſt einige Zeit dieſe Fürſorgeſtellen für Säuglinge arbeiten laſſen und ſehen, in welcher Weiſe ſie ſich entwickeln. Dann können wir dieſem Gedanken des Herrn Dr. Zepler nähertreten, der ja auch bei uns eine ganz wohlwollende Aufnahme dann finden wird. Für heute möchte ich behaupten, daß der Antrag etwas zu früh eingebracht iſt und daß wir uns des⸗ halb nicht gerade zuſtimmend dazu verhalten können. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, die Frage, ob es möglich und angängig iſt, den ſtillenden bezw. den ſchwangeren Müttern bare Mittel aus ſtädtiſchen gn zu geben, ohne den Weg der Armenunterftützung zu beſchreiten, hat die gemiſchte Deputation, die Ihnen neulich Bericht erſtattet hat, bereits eingehend erörtert, und ſie iſt zu dem Er⸗ gebnis gekommen, daß das nach Lage der Geſetz⸗ gebung eben nicht möglich iſt, und deshalb habe ich mir erlaubt den Hinweis neulich zu machen, daß die einzige Möglichkeit derartiger barer Zuwendungen an Mütter gegeben ſei auf dem Umwege durch einen zu dieſem Zwecke zu gründenden Verein, den man nachher in einer Pauſchalſumme mit ſtädtiſchen Mitteln unterſtützt. Das iſt nach wie vor au) nach meiner Anſicht die einzige diskutable Möglich⸗ keit, den Anträgen des Herrn Stadtv. Dr. Zepler entgegenzukommen. (Stadtv. Kaufmann: Sehr richtig!) Ich meine daher, zur weiteren Vorbereitung der Ausführungen des Herrn Stadtv. Dr. Zepler — in gleichem Sinne hat ja auch Herr Stadtv. Dr. Spiegel geſprochen —, iſt zunächſt eine Kom⸗ miſſionsberatung wohl entbehrlich. Darüber ſind wir doch einig, daß wir der einzelnen Mutter von Stadt wegen kein bares Geld geben können ohne Armen⸗ unterſtützung, und daß, wenn es geſchehen ſoll, es nur geſchehen kann auf dem Wege einer Vereins⸗ gründung, die wir unterſtützen. Soweit iſt die Frage meiner Anſicht nach vollſtändig geklärt. In der Kommiſſion werden wir kaum die Aufgabe auf uns nehmen können, nun etwa den Verein ins Leben zu rufen, um derartige Fürſorge zu treffen. Meiner Anſicht nach dürfte der dazu geeignete Verein in erſter Linie vielleicht ſchon in dem Verein gegen Verarmung gegeben ſein; denn immerhin muß doch in irgend einer Weiſe die Hilfsbedürftigkeit der be⸗ treffenden Perſonen ermittelt werden. So wie es Herr Stadtv. Dr. Zepler neulich dargeſtellt hat, daß wir es als eine ſoziale Pflicht anſehen müßten, den Charakter der Wohltätigkeit, alſo jede Prüfung der Hilfsbedürftigen zu vermeiden, bloß um überhaupt die betreffende Mutter zum Stillen zu veranlaſſen, ihr ein Geldäquivalent dafür anzubieten — ja, meine Herren, auf den Standpunkt wird ſich doch wohl die Mehrheit dieſes Hauſes nicht ſtellen können und wollen. Alſo ich möchte doch meinen, daß zur Überweiſung an einen Ausſchuß augenblicklich die Frage nicht ge⸗ eignet iſt, obgleich ja jederzeit der Magiſtrat bereit geweſen iſt, auf dieſem Gebiete, deren ſoziale Be⸗ deutung der Magiſtrat genau ſo anerkennt wie Sie, mit Ihnen zuſammen zu arbeiten. Erwidern möchte ich aber doch noch auf ein: Ausführung des Herrn Stadtv. Dr. Zepler, die mi! ganz beſonders aufgefallen iſt, indem er nämlich ausführte, daß die verſchuldete Armut aus Faulheit oder aus übertriebenem Aufwand nur in den ſoge⸗ nannten Mittelſtänden vorhanden ſei, die über ihren Etat lebten, aber um keinen Preis im Arbeiterſtande. Meine Herren, das iſt doch entſchieden nicht richtig, und wenn es richtig wäre, dann wäre es ja auch ein Unrecht, dasjenige, was zum Lebensunterhalt nötig iſt — auch das wird allerdings Herr Dr. Zepler bejahen — nur im Wege der Armenunterſtützung den Hilfsbedürftigen aus dem Arbeiterſtande zuzu⸗ wenden. Da das aber nun heute in unſerer Geſell⸗ ſchaftsordnung doch einmal ſo iſt, und da wir doch die ſtillende Mutter, ſelbſt wenn ſie unverſchuldet in Mittelloſigkeit geraten iſt, nicht anders behandeln können wie jeden andern, der in Not geraten iſt und dem wir auch nur im Wege der Armenpflege helfen können, ſo, meine ich, war dieſer Hinweis des Herrn Stadtv. Dr. Zepler — ganz abgeſehen davon, daß er objektiv unrichtig iſt — auch nicht geeignet, dieſe ſeine Ausführungen zu ſtützen.