— 296 Vorſteher Roſenberg: Herr Stadtv. Dr. Zepler hat in erſter Reihe beantragt, eine gemiſchte Depu⸗ tation einzuſetzen zur Prüfung der Frage der Bei⸗ hilfen aus ſtädtiſchen Mitteln an unbemittelte Schwangere und unbemittelte Mütter behufs Ermög⸗ lichung des Stillens. Stadtu. Vogel: letzten Sitzung hat er eigentlich erſtaunt Meine Herren, bereits in der Herr Kollege Zepler erklärt, daß 0 war, daß keine Sitzung der ge⸗ miſchten Deputation, die für dieſe Frage eingeſetzt war, ſtattgefunden hatte, weil noch eine ganze Reihe Punkte unerledigt waren. Dem war in der Tat ſo. Der Herr Bürgermeiſter meint, daß eine direkie Unterſtützung der Schwangeren und Wöchnerinnen nur im Wege der Armenpflege ſtattfinden könnte. Es iſt doch in andren Städien, für die dieſelben ge⸗ ſetzlichen Beſtimmungen gelten wie bei uns, möglich, daß die Wöchnerinnen auch noch andere Unterſtützungen bekommen, und deshalb zweifle ich nicht, daß es auch hier zu erreichen iſt, wenn man nur will. Die neu⸗ errichteten Säuglingefürſorgeſiellen werden ſchon viel in Anſpruch genommen. Ich habe mich ſelbſt überzeugt in der Fürſorgeſtelle z. B. bei Dr. Neu⸗ mann in Berlin und dann bei einigen hieſigen, wo die Arzie nur erklärt haben, daß ſie ſehr achten müſſen. daß ſie nicht zu viel geben, daß ſie nicht über den Etat gehen, über den Satz. der ihnen feſt⸗ geſetzt iſt. Ich bin in zwei Stellen geweſen, und ich habe in beiden dieſen betrübenden Eindruck gehabt, und es wurde in beiden geſagt: ja, wenn Sie etwas dafür veranlaſſen könnten, daß wir mehr tun können für die Kranken, das wäre ſehr wünſchenswert. Aber, meine Herren, man denkt jetzt: das koſtet zu viel, es iſt eine übermäßige Ausgabe. Ihnen ſagen: in wirtſchaftücher Hinſicht iſt es die größte Ofonomie, wenn man für die Säuglinge und die Kinder ſorgt ſowohl vor der Geburt, wie in den erſten Monaten nach der Geburt. Die Sorge ſoll ja darin beſtehen, daß den Müttern ermöglicht wird, die Kinder zu ſtillen. Die Kinder, die nicht geſtillt ſind, liefern die große Zahl der Rhachitiſchen und der Tuberkulöſen. Das wird jeder betätigen, daß ein Kind, welches an der Bruſt geſtillt iſt, Unpäß⸗ lichkeiten uſw. viel leichter überſteht und davon 4. ſchwere Folgen hat als ein künſtlich ernährtes ind. Ich muß da doch einige Zahlen anführen. Herr Dr. Neumann hat in der Blumenſtraße in ſeiner Klinik feſtgeſtellt, daß von den Kindern der drei erſten Lebensjahre, die in die Poliklinik gebracht worden ſind, und die künſtlich ernährt waren, 65/, % rhachitiſch geweſen ſind. Nach dem Bericht des Leipziger Kleinkinder⸗Krankenhauſes vom Jahre 1903 befanden ſich unter 6555 polikliniſch behandelten Kindern 965 rhachitiſche. Dr. Seifferth in Leipzig nimmt als das mindeſte, was für dieſe der Be⸗ handlung unzweifelhaft bedürftigen Kindern getan g werden muß, an: 5 Flaſchen Phosphor⸗Lebertran; jede koſtet 1 ℳ, das macht im Jahre 4825 ℳ allein Phosphor-Lebertran für dieſe rhachitiſchen Kinder in dieſem einen Krankenhauſe, abgeſehen von allen ſonſtigen Aufwendungen für Ernährung, für Verpflegung, Badeſalz uſw. Man wird Dr. Seifferth nicht Unrecht geben können, wenn er ſagt: Was eine Kommune an den Kindern in den letzten Monaten vor und den erſten Monaten nach der Geburt verſäumt, hat ſie an denſelben in ſpäterm Alter in doppeltem und dreifachem Betrage zu bezahlen. Denn dieſe Ausgaben Ich will h milden Stif⸗ können nicht von den Eltern und da muß auch tungen allein beſtritten werden, die Kommune eintreten. Daher liegt es im Intereſſe der Kommune, rechtzeitig das Erforderliche beſonders für die Kinder der Unbemittelten zu tun. Aber es iſt nicht bloß die Kommune, die davon materiellen, finanziellen Nutzen hat, wenn die Kinder in den erſten Lebensjahren richtig ernährt werden. Der bayriſche Generalſtabsarzt Dr. von Vogl in München ſagt (ſiehe Kliniſch. Jahrbuch 14. B. 1. eft): Es iſt gewiß nicht Zufall, daß Oberbayern der bei weitem beſte bayriſche Bezirk bezüglich der Militärtauglichkeit eine natürliche Kinderer⸗ nährung von 60% aufweiſt, während im ſchlechteſten Aushebungsbezirke mit dem gering⸗ wertigſten Rekrutenmaterial nur 5% der Neu⸗ geborenen die Bruſt bekommen. Ich möchte darauf gerade die Herren hinweiſen, die das Heer und die Geſundheit des Heeres fördern wollen, daß ebenfalls die Pflege der Säuglinge von der erſten Zeit an der beſte Weg dazu iſt. Alſo, meine Herren, es iſt durchaus nicht über⸗ flüſſig, die Sache in einer Kommiſſion zu beſprechen. Ich möchte dringend raten und auffordern, daß wir eine Kommiſſion einſetzen. Es gibt da noch ſo viele Punkte, und Verbeſſerungen ſind da möglich, es fönnen für die Bevölkerung fruchtbare Vorſchläge gemacht werden. Stadtv. Dr. Zepler: auf Einzelheiten einzugehen, wir werden die Sache ja wohl, wenn Sie, wie ich offe, unſern Wünſchen entgegenkommen, in der Kom⸗ miſſion beraten. Ich möchte deshalb hinſichtlich der Einzelheilen nichts weiter hinzufügen. Ich möchte nur noch dem Herrn Bürgermeiſter antworten, daß ſich die Kommiſſion durchaus nicht erübrigt. Denn es handelt ſich nicht lediglich darum, zu unierſuchen und die Frage zu entſcheiden. wie die Unterſtützungen gewährt werden können, ob durch einen Verein oder direlt, ſondern wir wollen die ganze Frage überhanpt unterſuchen, ſehen, wie wir die ganze Sache ins Leben ſetzen können, wie die Mittel zu beſchaffen ſind uſw. Ich bitte alſo, laſſen Sie ſich nicht durch die Worte des Herrn Bürger⸗ meiſters abhalten, dem Vorſchlage, noch eine Kom⸗ miſſion einzufetzen, zuzuſtimmen. Was eben mein Freund Vogel ſagte, iſt. wenn es auch momentan noch nicht hier hineingehört, doch von großer Wichtigkeit. Denn wenn hier für die Säuglinge öffentliche Mitiel aufgewendet werden, ſo werden ſie wahrſcheinlich an ſonſt Krankwerdenden geſpart; denn öffentliche Mittel werden doch dafür in Anſpruch genommen. Man kann alſo ſagen: die Sache gleicht ſich aus. Wenn ſie ſich auch nicht ganz enau ausgleichen wird, ſo iſt es immerhin volks⸗ Ich bitte alſo,4 dem zuzuſtimmen. Meine Herren, ich glaube, wird ſich hente erübrigen wirtſchaftlich ſehr erheblich. Vorſchlag, eine Kommiſſion einzuſetzen, Stadtv.5 Kaufmann: 3Meine Herren, Herr Kollege Spiegel erklärte ſchon vorhin, daß wir grundſätzlich dem ganzen Antrage freundlich gegenüberſtehen. Wir können ihn nur in der Form, wie er vorgebracht iſt, nicht gutheißen. Auch dieſem jetzt abgeänderten Anirag kann ich nicht zuſtimmen, aus dem einfachen Grunde, weil wir unſere Kraft und unſere Mittel durch lauter kleine Palliatiomittel verzetteln würden. Die Hauptſache iſt, daß der Magiſtrat je eher je