—— 305 ——— mehrten Einfuhr eine Seuchengefahr vorhanden, lediglich Redensarten ſind, brauche ich eigentlich nicht zu beweiſen. Es liegt ja auf der Hand, daß, nachdem man jetzt kontingentiert an der ſchleſiſchen Grenze 70720 Schweine einläßt, wöchentlich alſo 1360 Stück, bei einigen Stück mehr die Seuchen⸗ gefahr nicht wachſen kann; denn das Mehr würde man unter denſelben Kautelen einlaſſen, unter denen man jetzt die Zuſuhr zuläßt. Es iſt ja in der neuen Zollgeſetzgebung und in den neuen Handelsverträgen vorgeſehen, daß die für Schleſien kontingentierte Summe auf wöchentlich 2500 Stück Schweine erhöht werden ſoll. Da tritt alſo naturgemäß dann ſchon eine größere Einfuhr ein. Dieſe 2500 Stück jetzt ſchon an den betreffenden Grenzen einzulaſſen, würde indirekt von dem allergrößten Vorteile ſein. Es würde in Schleſien ſelbſt der Preisſtand damit natürlich gemindert werden, und indirekt durch die Konkurren⸗ Schleſiens, das einen bedeutenden Konſum in Schweinefleiſch, beſonders in Speck, für ſeine Arbeiter entwickelt, würde eine entſprechende Stückzahl fr i werden für andere Märkte. Schleſiens Konkurrenz beim Einkauf in Holſtein, von wo es ſich jetzt weſentlich verſorgt, käme in Fortfall. Es würden auch die großen Transportkoſten nach Schleſien erſpart. Kurzum, durch Freigabe der Ein⸗ fuhr allein ſchon des vom 1. März 1906 auf 2500 Stück kontingentierten Quantums würde ſofort eine Linderung der Fleiſchnot eintreten müſſen. Ich glaube auch, daß die Ausführungen, die der Herr Landwirtſchaftsmininer damals in ſeiner Rede gemacht hat, von der Voſſiſchen Zeitung ſo be⸗ zeichnet wurden, daß ich dafür das charakteriſtiſche Wort anwenden möchte: ſie hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Voſſiſche Zeitung ſchließt einen Artikel, in dem ſie die Fleiſchfrage behandelt, mit den Worten ab: Herr von Podbielski kann die Menſchen nicht gegen die Teuerung ſchützen, denn er muß nationale Schweine gegen die Seuchengefahr und vielleicht auch die nationalen Schweine⸗ züchter gegen niedrigere Preiſe ſchützen. Es iſt zu bedauern, daß alle bisher unter⸗ nommenen Schritte fruchtlos geweſen ſind. Die ſehr berechtigten Wünſche, ſpeziell in Schleſien eine Ab⸗ hilfe zu ſchaffen, deren Notwendigkeit ſeinerzeit auch zu allererſt vom Herrn Landwirtſchaftsminiſter an⸗ erkannt worden iſt, und die dann zu der Einberufung der Vorſtände der Landwirtſchaftskammern nach Berlin führten, ſind von dem Herrn Landwirtſchafts⸗ miniſter ſchließlich ablehnend beſchieden woerden, während der Herr Reichskanzler die Sache, als ſie an ihn gelangte, einfach an den Herrn Reſſortminiſter verwies, mit andern Worten, den Wolf zum Schäfer einſetzte. Es iſt Sache der Städte, in dieſer Lage mit aller Macht einzugreifen, ihre Stimmen lautwerden zu laſſen, damit dieſe von einſeitigen agrariſchen Intereſſen diktierten Maßregeln ſo ſchnell als möglich beſeitigt werden. Denn die Not in allen Induſtrie⸗ bezirken, in den Städten iſt derart, daß die Städte gegenüber der allgemeinen Teuerung nicht ruhig zu⸗ ſehen können. Ich habe die Empfindung trotz aller üblen Erfahrung, die wir vor drei Jahren gemacht haben, daß, wenn die Städte ſich ſämtlich in dieſer Frage hören laſſen, wenn ſie überall, wo ſie ihr Wort anbringen können, laut mit Klagen vorgehen, daß dann vielleicht ſchon etwas zu erreichen ſei, und daß die bisher unerſchütterliche Poſition des Herrn Landwirtſchaftsminiſters doch vielleicht ins Wanken kommen könnte. Auf unſern Antrag insbeſondere eingehend, habe ich Ihnen anzuführen, daß wir abſichtlich die Faſſung gewählt haben, man ſolle: „geeigneten Ortes vorſtellig werden behufs zeitweiliger Aufhebung der Grenzſperre für die Einführung lebenden Schlacht⸗ viehes unter Wahrung der veterinären Maßregeln“. Wir haben uns damit auf das Maß des Erreichbaren beſchränkt. Wären wir eine geſetzgebende Körperſchaft, dann könnten wir über Geſetze mitſprechen, dann würde ich mich auch nicht damit begnügen. Ich würde auch vielleicht weitergehen wie andere Städte, und würde auch eine Abſchaffung der Zölle be⸗ antragen. Aber das hieße, an dieſer Stelle doch nur Senſation machen wollen und nicht wirklich dem Kernpunkt zu Leibe gehen. Deshalb haben wir ab⸗ ſichtlich die Worte gewählt „geeigneten Ortes vor⸗ ſtellig zu werden“. Es ſchwebt uns dabei der Gedanke vor, daß, wenn die Städte bei dem Reſſort⸗ miniſter, beim Staatsminiſterium, bei dem Herrn Reichskanzler vergeblich ihre Stimmen geltend ge⸗ macht haben, ſie dann ihre Wünſche zu Füßen des Thrones legen ſollen. Vielleicht wird dort eher er⸗ reicht, was an den andern Stellen nicht zu erreichen war. Ich will jetzt nicht weiter auf die ganze Frage eingehen. Ich will durch den Antrag, wie ich vor⸗ hin ſchon ſagte, das Erreichbare möglichſt herbeizu⸗ führen ſuchen. Das würde nicht ausſchließen, daß, wenn andere Städte und namentlich ein Deutſcher Städtetag zuſammentreten, und dieſer dieſe wichtige Frage behandeln ſollte, wir dort über andere Maß⸗ regeln mitberaten und uns deſſen Anträgen an⸗ ſchließen könnten. Heute wird es aber genügen, wenn Sie unſerm Antrage Ihre Zuſtimmung geben, und darum möchte ich Sie gebeten haben. Stadtv. Vogel: Meine Herren, ich habe nicht die rofige Hoffnung, die der Herr Vorredner hat, daß die Petition um Aufhebung der Grenzſperre Erfolg haben wird. Wir unterſchreiben ſie aber doch, weil wir die Forderung für recht halten. Eben aus demſelben Grunde, weil wir es für recht und notwendig halten, haben wir auch den Antrag geſtellt, den der Herr Vorſteher vorhin ver⸗ leſen hat. Wir werden das auch nicht erreichen, das weiß ich ganz genau; da kennen wir unſere Leute; aber wir halten es für recht. Aber was wir glauben erreichen zu können, das iſt, daß die Stadt ſelbſt etwas tut, daß die Stadt ſelbſt diejenigen Schritte tut, durch die der Bevöllerung ausreichendes und billiges Fleiſch verſchafft werden kann. Wir haben den Antrag geſtellt, daß die Stadt eigene Schlächtereien und eigene Fleiſchhallen errichten ſoll. Aber es iſt dazu noch etwas nötig, was ich zu ergänzen bitte, daß die Stadt ſelbſt Fleiſchtiere produziert. Von den Fleiſchtieren kommt bei uns heutzutage in erſter Linie das Schwein in Betracht. Das hat einen ſehr natürlichen Grund. Um 1 Pfund Rindfleiſch zu produzieren, müſſen wenigſtens 12 bis 13 Pfund Trockenſubſtanz als Futter gegeben werden. Es muß gutes Futter ſein; denn die Kuh iſt be⸗ kanntlich viel wähleriſcher als das Schwein. Um 1 Pfund Schaffleiſch zu produzieren, ſind etwa 9 Pfund Trockenſubſtanz nötig. Aber um 1 Pfund Schweinefleiſch zu produzieren, ſind nur 4½ Pfund nötig als Trockenfutter berechnet. Und dazu produziert ſich Schweinefleiſch ſchneller als anderes Fleiſch; deshalb iſt das Schwein das erſte Fleiſchnahrungs⸗ mittel bei uns.