—— 310 —— Ich ſagte, daß wir ſelbſt Schweine züchten müſſen, und das können wir ſehr gut, meine Herren, wir haben ſehr bedeutende Ländereien, die dazu paſſen. Die Rieſelfelder meine ich. Die Rieſelfelder ma hen uns inſofern manchmal Kopfſchmerzen, als wir nicht wiſſen, was wir produzieren ſollen. Mit verſchiedenen Wurzelfrüchten und dergleichen hat man ſchlechte Erfahrungen gemacht. Die Nematoden haben die Krautrüben geſchädigt, uſw. In Amerila, wo die Fleiſchproduktion noch viel größer iſt als bei uns, hat man ganz einfach die Schweine auf große Weiden getrieben, und das wird geſundes Schweine⸗ fleiſch. Es iſt ein ganz anderes Fleiſch, wenn das Schwein im Freien ſich nährt, als wenn es bloß in Schweinekoben liegt und fetigemacht wird; das iſt auf⸗ geſchwemmtes Fleiſch. Unſere Rieſelfelder vroduzieren ſo enorme Maſſen von Gras, von Grünfutter, daß die Stadt es förmlich verſchleudern muß; die Stadt iſt froh, wenn ſie es los wird, wenn ſie es zu billigem Preiſe los wird an die Molkereien haupt⸗ ſächlich. Die Vegetation der Rieſelfelder kann deshalb für die Schweineproduktion ausgezeichnet be⸗ nutzt werden. Das Futter auf den Rieſelfeldern wächſt hauptſächlich deshalb ſo ſchnell im Gegenſatz zu andern Wieſen, weil es warmes Waſſer hat. Das Rieſelwaſſer iſt viel wärmer als das Bach⸗ und Flußwaſſer. Die Pflanzen, die auf den Rieſelfeldern wachſen, bekommen mehr Feuchtigkeit, mehr Wärme und mehr Nährſtoff. Und die Schweine haben mehr Luft und Bewegung. Nun kann allerdings das Rieſelgras nicht allein zur Mäſtung genügen; dazu iſt noch anderes Futter notwendig, namentlich im Winter. Aber das gibts ja auch genug. Wir haben, was auch jetzt ſchon gebraucht wird, die Kleie und die Treber von Brauereien. Wir haben ja eine Menge Brauereien in der Nähe, Pichelsberg uſw., denen es ſehr lieb wäre, wenn ſie die Treber dort los würden und nicht weit zu fahren brauchten. Wir haben den Ab⸗ fall von den Wochenmärkten, von den Schlächtereien, der zu benutzen wäre. Es wird ſogar zum Teil auch von der Müllabfuhr etwas benutzt werden können, natürlich nur vorſichtig. Die Stadt nimmt ja vorausſichtlich die Müllabfuhr in eigene Regie, und da kann eine Trennung erfolgen, und man kann alle Vorſicht beobachten. Die Futterabfälle werden durch Dampf ſteriliſiert, ſo daß man alle Sicherheit hat. Dann werden ſich die Rieſelfelder auch mehr verintereſſteren als jetzt; denn jetzt bringen ſie der Sladt nichts, ſondern koſten noch. Wir haben ſo bedeutende Terrains, die noch unbenutzt ſind, und die als reine Weiden ausgenutzt werden können, und von denen das abgemähte Gras als Futter benutzt werden kunn. Es braucht ja auch nicht bloß Gras zu ſein, es können auch Rüden ſein oder Kartoffeln oder Kraut. Und im Winter brauchen wir nicht große koſtſpielige Ställe zu haben, ſondern wie in Amerika Winterbaracken. Kurzum, das hat ſich in Amerika ganz ausgezeichnet bewährt. Deshalb möchte ich Sie dringend bitten, auch hier eine gemiſchte Deputation einzuſetzen. Ich bin überzeugt, gerade dieſe gemiſchte Deputation wird am wohltätigſten von allen ſein. Stadtu. Stein: Meine Herren, die Anregung, die Herr Kollege Kaufmann uns hier gegeben hat, entſpricht wohl dem Gefühl ſämtlicher Mitglieder der Stadtverordnetenverſammlung. Gegen Zweck und Gründe iſt abſolut nichts zu ſagen. Dann mutet auch die Beſchränkung ſehr angenehm an, die der Antrag des Herrn Kollegen Kaufmann zeigt. Ich fürchte nur eins: es ſind verſchiedene dergleichen Anregungen in großen Städten Preußens ſchon ge⸗ geben, und ſie haben eigentlich alle nichts genützt. Die Antworten, die die Herren Miniſter darauf ge⸗ geben haben, ſind allerdings eigentümlich. Der eine Miniſter ſagt: nach drei Wochen wird die Fleiſchnot verſchwunden ſein. Es ſind ſchon drei Wochen ver⸗ gangen, aber die Fleiſchnot beſteht noch. Darauf können wir uns abſolut nicht verlaſſen. Der andere Miniſter ſagt: es ſind die Einkommen größer ge⸗ worden, die Leute können mehr ausgeben für Fleiſch. Meine Herren, was mich anbetrifft, ſo habe ich als preußiſcher Invalide kein größeres Einkommen, wir können nicht mehr ausgeben für Fleiſch! Dieſe Gründe ſind nicht maßgebend. Trotzdem iſt zu befürchten, daß, wenn die Stadt Charlottenburg mit ihrem Antrag kommt, ihr ähnliches geantwortet wird. Deshalb ſcheint es mir empfehlenswert, daß eine größere Anzahl von Städten — und die kommen ja zuſammen, in der nächſten Woche tagt der Bran⸗ denburgiſche Städtetag — ſich mit der Sache be⸗ ſchäftigen. Das hat größeres Gewicht, wenn eine größere Anzahl von Städten in der Sache gemeinſam vorgeht. Die Gründe können wir ja nicht prüfen. Herr Stadtrat Jaſtrow hat beſſeres Material zur Hand gehabt als jeder einzelne von uns, der auf die Zeitungen angewieſen iſt. Und daß die Zeitungen gegeneinander ſprechen, das iſt eine alte Sache. Von dem Antrage des Herrn Kollegen Vogel mutet mich das eine auch angenehm an, daß er in einer gemiſchten Depution die Sache beraten will. Ja, aber dieſe gemiſchte Deputation hätte ſchon vor Wochen zuſammentreten müſſen; das iſt heute etwas zu ſpät. Heutzutage verlangen wir mit Recht mit dem Kollegen Kaufmann von dem Magiſtrat, daß er an geeigneter Stelle bald vorſtellig wird. Wo, wie, in welcher Weiſe, das iſt Vertrauensſache; wir müſſen dem Magiſtrat zutrauen, daß er das Richtige tun wird. Daß dann daneben eine gemiſchte Depu⸗ tation eingeſetzt wird, um über die Fleiſchnot zu beraten, dagegen kann man nichts einwenden. Die Städte handeln ja verſchieden. Dresden hat einfach nichts davon wiſſen wollen, daß die Grenzen gegen Rußland und Oſterreich geöffnet werden. Die Stadt Dresden iſt ſehr nahe daran und weiß genau, was für Zuſtände da drüben herrſchen; ſie will ſich die Seuchen nicht nahekommen laſſen. Die Stadt Elbing iſt ja nicht ſo groß wie Charlottenburg, aber ſie iſt der Sache praktiſch nahegetreten. Dort hat ein größerer Konſumverein eine eigene Schlächterei eingerichtet. Das können wir hier nicht von heute zu morgen tun: aber die gemiſchte Deputation könnte doch etwas tun, was ein praktiſches Reſultat gibt. Ich gehe nicht ſo weit wie Herr Kollege Vogel, der ſagt: wir ſollen eine große Schweinezucht entrieren auf unſeren Rieſelfeldern; — das halte ich vorläufig nicht für prakliſch. Aber wenn man den Herren Großſchlächtern vielleicht doch das Geſpenſt an die Wand malt und ihnen zeigt, daß die Städte ſich ſelbſt helfen, das wird wohl ganz gut ſein. Die kleinen Schlächter können nichts machen, aber die Herren Großſchlächter haben das ganz in der Hand. Ich weiß das aus Erfahrung; ich bin jetzt wochenlang auf dem Lande geweſen, ich habe ſelbſt Briefe ge⸗ leſen, in denen Großſchlächter ſagen: wir können euer Fleiſch nicht brauchen. Ich erinnere Sie daran — einige von Ihnen werden auch ſchon ſo alt ſein —, wie Anfang der 70er Jahre die Kolonial⸗