—— 312 Ausführungen machen zu können, nicht machen zu brauchen. Ich bitte, dieſen Antrag abzulehnen. Stadtv. Baake: Meine Herren, der Grund, wes⸗ halb wir mit dem Antrage der Liberalen nicht voll⸗ ſtändig einverſtanden find, iſt bereits mitgeteilt worden. Ich habe den Eindruck, daß die Liberalen den Antrag ſo gefaßt haben, um alle in dieſem Saale vorhan⸗ denen Richtungen unter einen Hut zu bringen. Dieſen Erfolg haben ſie bei der rechten Seite ja vollkommen erreicht. Was die linke Seite betifft, ſo muß ich in aller Deutlichkeit betonen, daß zu wenig in dieſem Antrage ausgeſprochen iſt. Vor allen Dingen wiſſen wir gar nicht, was der Magiſtrat in dieſer ganzen Angelegenheit ſagt. Ich hatte erwartet, daß bei der allgemeinen Notlage, wie ſie die Arbeitermaſſen Char⸗ lottenburgs auf dem Gebiete der Fleiſchnot gegen⸗ wärtig ergriffen hat, der Herr Oberbürgermeiſter doch Veranlaſſung nehmen würde, hier ſeinen Standpunkt und den Standpunkt des Magiſtrats, falls das hohe Kollegium ſich mit dieſer Notlage bereits befaßt hat, auseinanderzuſetzen. Wir haben kein Wort darüber gehört! Infolgedeſſen iſt es eine etwas ſonderbare Simation, in der ſich die Stadtverordnetenverſamm⸗ lung befindet, wenn ſie ein Verlangen an den Ma⸗ giſtrat ſtellt, ohne daß ſeitens des Magiſtrats eine beſondere Neigung — bis jetzt wenigſtens — hervor⸗ getreten iſt, dieſem Verlangen nachzukommen. Ich ſage, der Antrag der Liberalen genügt uns nicht, weil er nur die Aufhebung der Grenzſperre für den Augenblick verlangt. Wir meinen, daß bei dieſer Gelegenheit die Stadtverordnetenverſammlung doch ihr Votum abgeben ſoll gegen die ganze agrariſche Politik, ſoweit ſie ſtädtiſche Intereſſen berührt, d. h. daß bei dieſer Gelegenheit, wie es in unſerem Antrage zu 2 geſchieht, gleichzeitig an die Reichs⸗ und Landes⸗ behörden herangegangen wird mit der Aufforderung, die Fleiſchzölle ſowie die Einfuhrverbote für über⸗ ſeeiſches Fleiſch und Fleiſchwaren ſcheunigſt auf ge⸗ ſetzmäßigem Wege wieder zu beſeitigen. Es iſt not⸗ wendig, daß auch bei dieſer Gelegenheit wieder zurück⸗ gegriffen wird auf die eigentliche Urſache der Fleiſch⸗ not, auf die agrariſche Politik, die uns dieſe Kala⸗ mität für die großſtädtiſche Bevölkerung beſchert hat. Sollte es etwa ſein, daß die Erinnerung an die Zoll⸗ kämpfe, die für die Likeralen vielleicht nicht ange⸗ nehm iſt, ſie verhindert hat, auch auf dieſen Teil, den wichtigſten Teil dieſer Angelegenheit, einzugehen? Dann haben wir diittens vorgeſchlagen, eine gemiſchte Deputation einzuſetzen. Die Aufgaben, die dieſer gemiſchten Deputation erwachſen ſollen, ſind in unſerem Antrage bereits ausgeſprochen, ſo, wie wir ſie uns denken. Ich habe mich gefrent, daß von zwei Vorrednern wenigſtens eine allgemeine Sympathie⸗ erklärung zu dem Gedanken dieſer gemiſchten Depu⸗ tation abgegeben worden iſt. Vielleicht wäre die Möglichkeit vorhanden, daß wir uns auf den Antrag dahin einigen, eine gemiſchte Deputation einzuſetzen, die über die Beſchaffung geſunden und billigen Fleiſches für die ſtädtiſche Bevölkerung Charlottenburgs zu beraten hat. Dann ſind die Mittel und Wege, die dabei eingeſchlagen werden ſollen, nicht genannt, und es wäre dann wohl die Mäglichkeit gegeben, auf dieſem Wege vorwärts zu kommen. Ich werde mir erlauben, einen ſo formulierten Antrag zu über⸗ reichen. Das iſt das, was ich zu der Debatte zu ſagen hatte. Vor allen Dingen berührt es mich ſehr merkwürdig, daß ſeitens des Magiſtrats gar keine Außerung er⸗ folgt. Ich erwartete von ihm, daß er ſich ſogar Material darüber verſchafft haben würde, in welcher Weiſe ſich die Steigerung der Fleiſchpreiſe beſonders in Charlottenburg bemerkbar gemacht hat. Char⸗ lottenburg iſt ja eine Stadt, in der die Arbeiterbe⸗ völkerung von Jahr zu Jahr zunimmt. Wir werden, obwohl wir die reichſte Stadt Preußens ſind, gleich⸗ zeitig eine große Arbeiterſtadt, und gerade die Ar⸗ beiterſchaft Charlottenburgs muß außerordentlich leiden unter der Teuerung des Schweinefleiſches beſonders. Da iſt von meinem Kollegen Vogel der Ge⸗ danke angeregt worden, daß der Magiſtrat ſich unter den Schutz des göttlichen Sauhirten Eumaios begibt und ſelber auf ſeinen Gütern Schweinezucht betreibt. Das iſt ein Gedanke, den Herr Kollege Vogel aus Eigenem heraus der Verſammlung unterbreitet hat, eine Anregung, über die wir, ſeine näheren Freunde, ſelbſt noch nicht zu feſten Entſchlüſſen gediehen ſind: es iſt eine Privatmeinung, die von Herrn Kollegen Vogel in die Debatte geworfen iſt — ich wollte das hervorheben —, da erſt genau kalkuliert werden muß, ob die Stadt in der Lage iſt, mit Hilfe der Rieſel⸗ felder Schweinefleiſch ſo billig zu produzieren, (ſehr richtig! bei den Liberalen) wie es die amerikaniſchen Großzüchter können, deren Produktion uns aber nicht zu gute kommt. weil das Verbot beſteht, das die Einfuhr von Pökelfleiſch uſw. unmöglich macht. Herr Stadtv. Stein hat vorhin die Stadt Dresden erwähnt, die ſich gegen die Offnung der Grenzen ge⸗ wendet hat. Ich din über die Verhandlungen in Dresden nicht unterrichtet; ich wollte nur erwähnen, daß infolge der Viehkonvention, die mit Oſterreich abgeſchloſſen iſt, die Zahl der kontingentierten Schweine künftig erheblich höher iſt als augenblicklich, und daß es außerordentlich ſegensreich fuͤr die Bevölkerung wäre, wenn wenigſtens dieſes größere Schweinekon⸗ tingent aus Oſterreich und Rußland ſchon jetzt her⸗ überkäme. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Antragſteller Stadtv. Kaufmann (Schlußwort): Meine Herren, ich will mich ſehr kurz faſſen; ich habe nur einzelne Bemerkungen zu machen, ſpeziell zu den eingebrachten Anträgen. Vorweg möchte ich dem Herrn Kollegen Zepler erwidern, daß ich mich freue, nicht in dem Tone zu reden, den er anzuſchlagen beliebte. Im übrigen aber habe ich mich dagegen zu verwahren, daß in unſerem Antrage und in meiner Motivierung irgend⸗ wie von einem Winſeln um Gnade die Rede war. Wir haben, wie ich vorhin ſchon ausführte, die Faſſung gewählt: „geeigneten Ortes vorſtellig zu werden“, und wir haben das Gefühl, daß wir bei den Stellen, wo wir vorſtellig werden könnten, bei der preußiſchen Staatsregierung, bei dem Herrn Reichs⸗ kanzler, nicht Gehör finden werden, und deshalb uns an die höchſte Stelle im Intereſſe unſerer Mitbürger zu wenden; ich erachte dies für eine durchaus ange⸗ brachte und für jeden Freiſinnigen denkbare Maß⸗ regel. Wir wollen den Petitionsweg wählen, und wenn er nicht fruchtet, haben wir nach unſerer preu⸗ ßiſchen Verfaſſung noch die Krone, an die wir uns wenden können. Dann will ich noch auf die Frage eingehen, die Herr Kollege Stein geſtreift hat. Die Einfuhr über die öſterreichiſche Grenze nach Bayern und Sachſen wird in Dresden doch nicht unliebſam aufgenommen werden; im Gegenteil, ſie werden ſich 1 freuen,