—— 325 — für die Schifferbevölkerung uns nicht beteiligen zu wollen. Ich möchte demgegenüber betonen, daß ich nach den warmen Worten, die der Herr Oberbürger⸗ meiſter gerade für die Schifferbevölkerung gefunden hat, erwarle, nach Ablehnung dieſer Vorlage in ſehr kurzer Zeit eine Vorlage des Magiſtrats zu finden, in der wir aufgefordert werden, Mittel zur ſozialen Fürſorge für die Schifferbevölkerung zu bewilligen. Daß Einrichtungen, welche Mittel erfordern, not⸗ wendig ſind, das ſcheint mir aus den Worten des Herrn Oberbürgermeiſters hervorzugehen, das ſcheint mir daraus hervorzugehen, daß im Magiſtrat dieſe Notwendigkeit anerkannt wird, und ich hoffe des⸗ wegen, daß der Magiſtrat uns recht bald eine derartige Vorlage machen wird. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, um auf die perſönliche Angelegenheit zu kommen, ſo muß ich mich dazu bekennen, nachdem mein Name genannt worden iſt, daß ich den Herren um mich und dem Herrn Oberbürgermeiſter allerdings mitgeteilt habe, daß der Herr Baake, während der Herr Oberbürger⸗ meiſter ſprach, zu dem Herrn Hirſch ſo laut, daß ich es hören konnie, geſagt habe: „Wir ſind hier in einem Narrenhauſe!“ Ich habe mich für verpflichtet gehalten, das den Herren mitzuteilen, da ich für den Fall, daß ich richtig gehört habe, hierin allerdings eine grobe Beleidigung des Magiſtrats und des Herrn Oberbürgermeiſters erblicken mußte. Ich muß allerdings zugeben, daß mich mein Ohr getäuſcht haben kann; das Wort „Narrenhaus“ und „Herren⸗ haus“ kann ich verwechſelt haben und muß inſofern das, was ich geſagt habe, zurücknehmen. Vorſt.⸗Stellv. Kaufmann: Nachdem Herr Bürger⸗ meiſter Matting die Möglichkeit, daß er ſich verhört habe, ſelbſt zugibt, halte ich dieſe Angelegenheit für erledigt. Stadtv. Hirſch: Meine Herren, der Punkt der Tagesordnung, über den wir augenblicklich verhandeln oder wenigſtens verhandeln ſollten, lautet: Vorlage betr. Gewährung eines einmaligen Beitrages an die Vereinigung zur kirchlichen Fürſorge für die Fluß⸗ und Kanalſchiffer in Berlin. Ich glaube, daß, wer der Debatte gefolgt iſt, nicht den Eindruck gewonnen hat, als ob wir überhaupt noch über dieſe Vorlage beraten, ſondern daß wir lediglich eine feucht⸗fröhliche Sozialiſtenhetze mit dem Herrn Oberbürgermeiſter aus⸗ fechten. Der Herr Oberbürgermeiſter beſchwert ſich über den Ton, in dem wir verhandeln. Ich muß ſagen, daß ich ſelten eine ſo ruhige und ſachliche Rede ge⸗ hört habe wie die, mit der mein Freund Borchardt unſere ablehnende Haltung begründet hat. Der Ton über den der Herr Oberbürgermeiſter ſich beſchwert, iſt nicht von uns heraufbeſchworen, ſondern von ihm ſelbſt. Auf die rein ſachlichen Ausführungen des Herrn Kollegen Borchardt hat der Herr Oberbürger⸗ meiſter nicht ſachlich erwidert, ſondern er hat ſich darin gefallen, mehr oder minder verſteckte Vorwürfe gegen die Partei, der wir angehören, zu erheben, er ſprach von Verkalkung uſw., Außerungen, auf die ja Herr Kollege Borchardt ſchon gebührend ge⸗ antwortet hat. Alſo wenn der Ton bedauerlich iſt, ſo trifft die Schuld nicht uns, ſondern denjenigen, der ihn heraufbeſchworen hat, und das iſt in dieſem Falle der Herr Oberbürgermeiſter geweſen. Mir iſt es, offen geſtanden, ja lieber, wir verhandeln in dieſem Tone; dann redet der Herr Oberbürgermeiſter wenigſtens vom Herzen herunter, dann beſteht kein Zweifel darüber, daß wir uns in einem Kampf mit ihm befinden. Der Herr Oberbürgermeiſter hat ſachliche Gründe überhaupt nicht angeführt. Ich erinnere daran, daß er nicht einmal auf die Anfrage des Herrn Kollegen Penzig geantwortet hat, warum denn, wenn es ihm wirklich um die Erfüllung einer ſozialen Aufgabe zu tun wäre, der Magiſtrat im vorigen Jahre den An⸗ trag auf Linderung der Not unter den Fluß⸗ und Kanalſchiffern adgelehnt hat. Und nun richtet der Herr Oberbürgermeiſter an die Herren, die bisher geſchwiegen haben, den Appell, ſie möchten ſich gegen uns zuſammenſchließen! Ich nehme an, daß das eine Rede iſt, die der Herr Ober⸗ bürgermeiſter für das Herrenhaus nicht für das Narrenhaus — vorbereitet hat. Ich weiß wirklich nicht, was hier ein ſolcher Appell ſoll. Er beweiſt nichts anderes, als daß der Herr Oberbürgermeiſter abſolut keine Gründe für die Vorlage anzuführen hat, und ich hoffe, daß die Mehrheit der Stadt⸗ verordnetenverſammlung auf dieſen Appell nichts gibt, ſondern ſich ebenſo wie wir von rein ſachlichen Er⸗ wägungen leiten läßt und die Vorlage ablehnt. Stadtv. Baake: Meine Herren, ich muß auf dieſe unerquickliche perſönliche Angelegenheit mit ein paar Worten zurückkommen. Die Sache war ſo, daß, während der Herr Oberbürgermeiſter ſprach, ich von dem guten Rechte jeder parlamentariſchen Verhand⸗ lung Gebrauch machte und in einem Zwiſchenruf äußerte: „Wir ſind hier nicht im Herrenhauſe!“ Das hat der Herr Bürgermeiſter gehört, der Herr Oberbürgermeiſter, der lebhaft ſprach, nicht. Der Herr Bürgermeiſter hat ſich aber dabei verhört und das Reſultat ſeines falſchen Hörens dem Herrn Ober⸗ bürgermeiſter mitgeteilt. Er hat jetzt zugegeben, daß er ſich verhört haben kann. Der ganze Zuſammen⸗ hang legt nahe, daß es ſich ſo verhalten hat. Wie ſollte ich dazu kommen, zu behaupten, daß der Magiſtrat in einem Narrenhauſe ſäße? Das iſt doch eine törichte Auffaſſung. Die ganze Angelegenheit iſt aber damit nicht erledigt. Nuchdem es ſich herausgeſtellt hatte, daß es ſich um einen Irrtum handelte, und ich zurief, daß ich geſagt hätte „Herrenhaus“ und nicht „Narren⸗ haus“, da hat der Herr Oberbürgermeiſter auf mich gedeutet und geſagt: „Da ſehen Sie den Mut!“ Er hat mir damit Mangel an Mut vorgeworfen. Ich möchte wiſſen, wo ich je dieſen Mangel an Mut gezeigt hättel Ich habe immer meinen Mann ge⸗ ſtanden, auch dem Herrn Oberbürgermeiſter gegen⸗ über, und werde das ſtets tun. Ich verlange und nehme an von dem Herrn Oberbürgermeiſter, daß er das anerkennt. Der Herr Oberbürgermeiſter iſt ſehr aufgeregt und bringt dann einen Ton in die Debatte, der nicht gerechtfertigt iſt. Die Debatte hielt ſich in ſehr ge⸗ mäßigten Formen; der Herr Oberbürgermeiſter hält es aber für angemeſſen, einen Angriff gegen die Sozialdemokratie vom Zaun zu brechen, er tut ſo, als ob wir als Kirchengegner nun auch in das innere Gefühlsleben der Menſchen eingreifen wollten. Wir überlaſſen das religiöſe Moment jedem einzelnen: wir wollen die Freiheit der Religion für jeden, dem ſie Herzensſache iſt, aber nicht den Mißbrauch der Religion für ſtaatliche Zwecke und auch nicht, daß ſtädtiſche Gelder für kirchliche Zwecke bereit geſtellt werden. Von dieſem Standpunkt haben wir ge⸗ ſprochen, und der Herr Oberbürgermeiſter hält es für angemeſſen, wegen dieſes Standpunktes gegen