—— 347 — Anerkennung der außerordentlich tüchtigen wiſſen⸗ ſchaftlichen Arbeit“, aber wir können gern aner⸗ fennen, was Herr Dr. Gundlach in dem Buche wirklich bewieſen hat: Fleiß und Gewiſſenhaftigkeit; und deshalb wollen wir ihn auch für die Mehrarbeit entſchädigen. (Heiterkeit und Zuſtimmung bei den Sozial⸗ demokraten.) Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, der Herr Vorredner hat eine wiſſenſchaftliche Kritik über das vorliegende Werk gehalten. Es iſt jedem Leſer natürlich unbenommen, ſeine Kritik zu üben, und ich will die Übung einer ſolchen Kritik nicht angreifen. Aber ich will doch betonen, daß ich nicht der Anſicht des Herrn Vorredners bin, ſondern viel⸗ mehr zu der Anſicht mich bekenne, die Herr Stadtv. Dr. Hubatſch vorhin ausgeſprochen hat. Meine Herren, daß der perſönliche Ton, das ſtarke Temperament, das der Herr Vorredner ver⸗ mißt, in dem Buche fehlt, ſcheint mir ein beſonderer Vorzug, nicht ein Mangel. Wenn eine Geſchichte einer Stadt geſchrieben wird, ſo ſoll ſie wahr geſchrieben werden. Der Geſchichtsſchreiber ſoll meiner Anſicht nach die Wahrheit über die ge⸗ ſchichtliche Entwicklung ergründen und dieſe be⸗ richten: er ſoll nicht in den perſönlichen Ton eines ſtarken Temperaments verfallen, der uns dann ſeine ſubjektiv gefärbte temperamentvolle Anfſicht und nicht etwas berichtet, was wirklich Geſchichte iſt. Meine Herren, in der armen Zeit, in der Char⸗ lottenburg bis zum Jahre 1871 herangewachſen iſt, ſind in der Stadt Charlottenburg keine aufregenden die Welt bewegenden Kämpfe aufgeführt worden; da gab es weiter nichts als ein armſeliges, mühſeliges Leben, und ſoweit die großen Gedanken der Zeit ihre Wellenkreiſe auch hier nach Charlottenburg trieben und auch hier in Erſcheinung traten, inſoweit hat der Verfaſſer auch alles dargeſtellt, was darge⸗ ſtellt werden mußte. Das iſt meines Erachtens ein wiſſenſchaftlicher Vorzug des Buches: der Verfaſſer iſt ſireng der Wahrheit gemäß verfahren und hat alles, was er in ſeinem Text als Geſchichte gegeben hat, durch Urkunden, die bisher nicht bekannt waren, in ſehr fleißiger Weiſe nachgewieſen. Daß er den politiſchen Anſchauungen der heuti⸗ gen Zeit und ihrer Würdigung nicht näher getreten iſt, halte ich auch für ein Verdienſt des Werkes. Denn ein Geſchichtsſchreiber, der über die Gegenwart ſchreiben ſoll, in der er lebt und Partei nimmt, iſt mehr oder weniger befangen. Ein Geſchickh teſchreiber ſoll ſich deshalb hüten, Urteile über die Gegenwart abzugeben. Der Herr Vorredner hat ſogar ſelber ein Veiſpiel angeführt, dafür, daß es ſehr ratſam geweſen wäre, wenn ſich der Verfaſſer unſerer Stadt geſchichte nicht auf die in letzter Zeit liegenden Vor⸗ kommniſſe eingelaſſen hätte, wo er ſich als ein falſcher Prophet erwieſen hat. — Ich meine alſo, daß gegenüber der Kritik des Herrn Vorredners auch ein anderer Standpunkt mit Recht und mit Glück vertreten werden kann. Was nun die Anträge anbetrifft, die der Magiſtrat hier ſtellt, ſo glaube ich, daß es gut ift, wenn Sie ſie in einen Ausſchuß verweiſen. Ich kann z. B. dem nicht zuſtimmen, was der Herr Referent angeführt hat; ich faſſe das vertragliche Verhältnis, das die Stadt mit Herrn Dr. Gundlach hatte, doch anders auf. Aber es wird nicht möglich ſein, das hier im Plenum zu erörtern; das kann man nur in einem engeren Ausſchuß beſprechen. Ich ſtelle anheim, dem Antrage des Herrn Referenten ſtattzugeben. Berichterſtatter Stadtv. Dr. Hubatſch: Ich hatte gedacht, wir würden hier nicht in eine Kritik des Werkes eintreten und lieber im Ausſchuß etwas aus⸗ führlicher darüber ſprechen. Nun iſt es aber doch geſchehen, Herr Kollege Baake hat das Werk kritiſtert. Ich freue mich aber, daß er in den Hauptpunkten mit mir übereinſtimmt; denn was ich beſonders her⸗ vorgehoben habe, iſt der Fleiß, die Sorgfältigkeit in der Zuſammentragung, in der Sichtung und Prüfung des vorhandenen Materials. Es iſt ſchon eine ſehr tüchtige Leiſtung, daß er dieſes verſprengte und ver⸗ ſtreute Material überhaupt noch gefundeu hat. Er hat da einen Spürſinn bewieſen, der wirklich aner⸗ kennenswert iſt, und ich glaube nicht, daß er einen Nachfolger bekommen wird, der noch weſentlich Neues finden wird. Nun aber macht Herr Kollege Baake dem Ver⸗ faſſer einen ſchweren Vorwurf, indem er ſagt: er hat nicht nach großen Geſichtspunkten gearbeitet. Ja, daran ſind wir ſchuid. Denn wenn Sie die Sache bei Licht betrachten, ſo hat Charlottenburg bis 1870 überhaupt keine Geſchichte, ſondern bis dahin iſt Charlottenburg ein ländliches Idyll, und über ein ländliches Joyll kann man keine Geſchichte von Ringen und Kämpfen ſchreiben; denn das iſt nicht vorhanden, es ſind alles ſehr kleinliche Verhältniſſe. Und endlich von 1870 ab iſt Charlottenburg gar nicht als ſelbſtändiger Körper zu behandeln, in wel⸗ chem man ein ganz beſonderes Leben und eine ganz beſondere geſchichtliche Entwickelung wahrnehmen könnte. Dann hätte der Verfaſſer eine Geſchichte von Groß⸗Berlin ſchreiben müſſen, von dem Char⸗ lottenburg ein Glied iſt, ein Glied, das beeinflußt wird von dem großen Körper. Alſo den Vorwurf darf man dem Verfaſſer nicht machen; das hieße, ihm eine unmögliche Aufgabe ſtellen; das hätte er gar nicht leiſten können. Ich meine, daß wir in dieſer Weiſe doch nicht ſeine Arbeit kritiſieren ſollen. Hier handelt es ſich um eine Geldfrage. Warum wollen Sie ſich auf den Standpunkt ſtellen, daß ihm dieſe Vergütung nicht zu gewähren ſei, weil ſeine Arbeit nicht ſo außerordentlich zu rühmen ſei? Stellen Sie ſich doch auf den Standpunkt, den Sie ſelbſt anerkannt haben, daß der Verfaſſer mit außerordentlichem Fleiß. ich möchte ſagen: mit doppelt ſo großem Fleiß ge⸗ arbeitet hat, als wir haben vorausſetzen können, und daß dafür die Vergütung gegeben werden ſoll. Der Magiſtrat ſpricht auch von keiner Ehrengabe, ſondern von „einer außerordentlichen Vergütung“ „in Aner⸗ kennung der tüchtigen wifſenſchaftlichen Arbeitsleiſtung“. Ich beantrage nochmals, die Vorlage einem Ausſchuß zu übergeben, in dem über die Frage, die noch offen iſt, und die der Herr Oberbürgermeiſter berührt hat, entſchieden werden kann. Stadtv. Baake: Meine Herren, der Herr Ober⸗ bürgermeiſter ſcheint mir nicht ſehr glücklich gegen mich operiert zu haben. Er betonte mit beſonderem Nachdruck, daß Herr Dr. Gundlach ſo vollkommen der Wahrheit die Ehre gegeben hätte, daß er alles, was er Tatſächliches aufgefunden, gebracht hätte. Damit ſchien er mir ſagen zu wollen, daß eine temperamen voll vorgetragene Wahrheit nicht mehr als Wahrheit zu gelten habe. Ich meine: daß ein Geſchichtsſchreiber wahr iſt, das iſt eine Selbſtver⸗ ſtändlichkeit; er würde ſonſt auf den Ehrennamen