eines Wiſſenſchaftlers Verzicht leiſten müſſen. Aber man kann Wahrheit auch temperamentvoll vorbringen, und wenn Ihnen die Erinnerung an Treitſchke nicht paßt, ſo will ich an Mommſen erinnern, deſſen Römiſche Geſchichte ſehr viel Temperament enthält und doch ein großes wiſſenſchaftliches Werk iſt. Nun noch ein Wort zu Herrn Kollegen Dr. Hubatſch! Er ſagt, man ſolle bei einer vier⸗ jährigen wiſſenſchaftlichen Arbeit nicht Kritik üben an Kleinigkeiten. Es möchte danach beinahe vermeſſen klingen, wenn man angeſichts einer ſolchen Arbeit kommt und ſagt: hier und da ſcheint manches ver⸗ fehlt zu ſein. Mir will es z. B. erſcheinen, als ob Leibniz' Wirken in Charlottenburg nicht gebührend gewürdigt iſt uſw. Aber das ſind Dinge, auf die ich kein Gewicht lege. Was mir die Hauptſache iſt, iſt, daß das Buch überhaupt keinen Charakter hat, daß, wenn ich es leſe, ich mich immer vergebens frage: was gibt dir denn dieſes Buch, weshalb nimmſt du es überhaupt in die Hand? Das iſt es, was ich an dem Buche auszuſetzen habe, und weshalb ich nicht von einer tüchtigen wiſſenſchaftlichen Arbeit ſprechen mag. Es iſt natürlich ſehr leicht, zu ſagen: ſo oder ſo hätte es gemacht werden ſollen. Ich will auch nicht ſagen: ſo hätte es auf jeden Fall gemacht werden müſſen. Ich will, was ich meine, ſo ausdrücken: nehmen wir an, Profeſſor Lamprecht hätte die Aufgabe gehabt, eine Monographie der Stadt Leipzig zu ſchreiben; ich vermute, Lamprecht hätte die Sache etwas anders angefaßt; ich vermute, daß ihm leitende Geſichts⸗ punkte zu Gebote geſtanden hätten, daß er ſcharf die ſozialen Triebkräfte in ſeinem Buche hervorgehoben hätte. Und da ſoll man nicht kommen und ſagen: die Aufgabe iſt für Charlottenburg unmöglich! Charlottenburg iſt in der Tat bis 1870 eine kleine Landſtadt geweſen, noch etwas zurück hinter dem übrigen Deutſchland; aber Deutſchland beſtand lange Jahre nur aus ſolchen kleinen Landſtädten; ſeit dem dreißigjährigen Kriege war die ganze Geſchichte Deutſchlands bis tief ins vorige Jahrhundert hinein doch nur die Geſchichte einer kleinen kulturverlaſſenen Landſtadt! Warum ſollte da nicht Charlottenburg gewiſſermaßen ein Paradigma abgeben können für die Geſchichte Deutſchlands? Aber ſeit 1870 ſind wir etwas ganz anderes geworden; da ſind wir Bannerträger geworden des modernen Kapitalismus. Das iſt aber in dieſem Buche gar nicht zum Aus⸗ druck gekommen. Wir hören gar kein Wort von der berauſchenden Entwicklung, die Charlottenburg ge⸗ nommen hat, wir ſehen ſeine Arbeiterheere nicht, wir ſehen nicht die Paläſte der Reichen, der Millionäre und der Milliardäre, die in unſern Mauern wohnen, wir finden kein Wort von den Klaſſengegenſätzen, die die Weltgeſchichte weiter treiben, — wir ſehen nur eine Idylle. Eine nüchterne Oberlehrerarbeit haben wir vor uns. Das iſt vielleicht etwas zu ſcharf ge⸗ ſagt; aber wie man ſich auch zu dem Buche ſtellen mag: es verdient immerhin, daß die Herren Kollegen und die Herren vom Magiſtrat es leſen, ſchon um zu einem wirklichen Urteil zu kommen, und nicht blos in ihm blättern und mit liebevollem Auge höchſtens ihre eigenen Bilder und die der Herren Kollegen betrachten und dieſe Bilderſammlung der lieben Frau zeigen. (Große Heiterkeit.) (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Verſamm⸗ lung beſchließt die Einſetzung eines Ausſchuſſes von neun Mitgliedern und wählt zu Ausſchußmitgliedern 348 —— — die Stadtv. Baake, Dr. Bauer, Foerſtner, Dr. Hubatſch, Kaufmann, Mann, Dr. Penzig, Dr. Riel, Ruß.) Vorſteher Roſenberg: Es werden für den Aus⸗ ſchuß betreffend die Verſtadtlichung der Müllabfuhr vorgeſchlagen an Stelle des Herrn Stadtv. Protze Herr Stadtv. Becker und an Stelle des Herrn Stadtv. Mann Herr Stadtv. Frantz. — Auch dieſe beiden Herren ſind in den Ausſchuß gewählt, wie ich hiermit konſtatiere. Punkt 3 der Tagesordnung. Bericht des Ausſchuſſes über die Vorlagen betr. ÜUberlaſſung der Feſtſäle des Rat⸗ hauſes 32) an den Verein Werkring, D) an die Direktion des Schillertheaters, e) an den Deutſchen Bund abſtinenter Frauen. Berichterſtatter Stadtv. Dr. Hubatſch: Meine Herren, der Ausſchuß hat die drei Vorlagen zu be⸗ handeln gehabt, welche von der UIberlaſſung der Feſt⸗ ſäle handeln, und es iſt der Wunſch ausgeſprochen worden, daß dieſer Ausſchuß auch in Erwägung ziehen ſollte, ob für die künftige Vergebung der Rathausfeſtſäle beſtimmte Grundſätze aufgeſtellt werden ſollen, und welcher Art dieſe Grundſätze ſein könnten. Der Ausſchuß hat zunächſt eine generelle Behandlung der Frage eintreten laſſen und iſt ſehr ſchnell einig darüber geworden, daß es zweckmäßig wäre, Grund⸗ ſätze aufzuſtellen. Er iſt auch ſehr ſchnell über einige Grundſätze einig geworden, welche beſagen, in welchen Fällen die Säle jedenfalls nicht vergeben werden dürfen. Aber eine Reihe von Fragen blieben noch übrig, in welchen eine Einigung nicht ſofort zu er⸗ zielen war. Da nun der Herr Oberbürgermeiſter ſelbſt an der Ausſchußfitzung teilgenommen hat und in Ausficht ſtellte, daß er die Angelegenheit auch im Magiſtrat zur Verhandlung bringen wollte, und da ja über die Verleihung der Feſtſäle Magiſtrat und Stadtverordnetenverſammlung in vollem Einvernehmen ſtehen müſſen, ſo hielt der Ausſchuß es für praktiſch, wenn Ihnen vorgeſchlagen würde, den Magiſtrat zu erſuchen, was unter Nr. 1 geſchieht: Grundſätze aufzuſtellen und der Verſammlung vorzulegen, nach denen die Vergebung der Feſtſäle erfolgen ſoll. Dann trat der Ausſchuß in die Beratung ein über die drei Vorlagen. Die erſte Vorlage betrifft den Verein Werkring, der einen der Feſtſäle zu einer A usſtellung kunſtgewerblicher Gegenſtände haben möchte. Gegen dieſe IIberlaſſung wurde nichts ein gewendet, da die Herren, die an der Spitze dieſes Unternehmens ſtehen, die volle Garantie dafür ge⸗ währen, daß ein Mißbrauch nicht ſtattfinden wird. Aber der Ausſchuß hatte doch das Bedenken, es könnte, wenn nicht durch die Leitung des Unternehmens, ſo doch durch Angeſtellte desſelben, ſozuſagen durch Unter⸗ beamte, allerhand Mißbrauch getrieben werden, indem dieſe Ausſtellung vielleicht zu Erwerbszwecken benutzt würde. Um nun dem gleich einen Riegel vorzu⸗ ſchieben, um auch jeden Verdacht im Publikum zu beſeitigen, als ob es ſich bei dieſer Ausſtellung um ein Konkurrenzunternehmen handelte, welches die Stadt den gewerblichen Firmen gegenüber in Schutz nehmen wollte, ſchlägt der Ausſchuß Ihnen vor, noch eine Bedingung einzuſchieben; alſo nicht nur die Bedingung zu ſtellen, daß der Verein Eintrittsgeld