—— 358 —— Darüber iſt gar kein Zweifel, daß hier und da An⸗ weiſungen gegeben werden, das wird ſich auch nicht gut vermeiden laſſen. Darüber wird man nichts ſagen können. Große Bedenken beſtehen jedoch, und das werden Sie zugeben, wenn hier eine Behand⸗ lung ſtattfindet; denn dann wird es über kurz oder lang garnicht zu vermeiden ſein, daß Ihnen nicht bloß Kinder hingebracht werden, die kleine Magen⸗ darmſtörungen haben, ſondern ſolche Kinder, denen alles Mögliche fehlt. Man fäüngt mit Magendarm⸗ ſtörungen an und hört nachher mit Scharlach und Maſern auf. Sie können auf dieſe Weiſe die Säug⸗ lingsfürſorgeſtellen zu Infettionsſtellen machen. Man hat ſchon jetzt alle möglichen ſchönen Maßregeln ge⸗ troffen, man legt z. B. jedem Säugling ein Blatt Fliespapier unter, um die Infektion zu verhüten. Was wollen Sie ſpäter machen, wenn das einreißt und man in dieſen Beratungsſtellen tatſächlich zu einer polikliniſchen Behandlung übergeht! Ich halte das für außerordentlich bedenklich für die ganze Ein⸗ richtung und möchte dringend bitten, daß die Säug⸗ lingsfürſorgeſtellen nur auf die Belehrung ſich be⸗ ſchränken. Eine Behandlung iſt tatſächlich ab und zu vorgekommen, es ſind auch Atteſte ausgeſtellt worden. Das wird vielleicht zu den Kinderkrank⸗ heiten dieſer Einrichtung zu rechnen ſein, und ich hoffe, daß es in der Zukunft unterbleiben wird. Es wird ſich dann fragen, ob nicht der Magiſtrat doch größere Rechte an die Fürſorgeſtellen haben ſoll, Es iſt jetzt ſehr zweifelhaft, wer die Arzte angeſtellt hat. Der Magiſtrat nicht, und die Vereine anſchei⸗ nend auch nicht. Darüber iſt nicht vollkommen Klarheit geſchaffen. Ich möchte deshalb den Wunſch ausſprechen, daß der Magiſtrat die Finger auf die Fürſorgeſtellen hält und vor allen Dingen ſich das Recht wahrt durch Erlaß einer Dienſtanweiſung an die Arzte, damit er weiß, was dort zu geſchehen hat. und wieweit es geſchieht. Bei der jetzigen Einrich⸗ tung, wo alles von den Vereinen erfolgt, kann es leicht vorkommen, daß etwas geſchieht, was dem Magiſtrat und der Stadtverordnetenverſammlung nicht genehm iſt. Ich würde mich alſo dahin äußern, es möge den von der Deputation vorgeſchlagenen Punkten als Nr. 1d hinzugefügt werden: Der Magiſtrat wird erſucht, eine Dienſt⸗ anweiſung für die Arzte der Fürſorgeſtellen auszuarbeiten. Stadtv. Dr. Spiegel: Meine Herren, ich habe ſchon in der vorigen Sitzung zur Sprache gebracht, daß die Frage der Unterſtützung ſtillender Mütter nicht durch den Beſchluß der Deputation, wie er in der Vorlage enthalten iſt, abgetan ſein kann. Die Erklärung, die der Herr Bürgermeiſter daraufhin abgab, betrachte ich als eine außerordentlich entgegen⸗ kommende, da ſie ſich nur gegen den ſeinerzeit vor⸗ liegenden Antrag Dr. Zepler mit ſeinen beſonderen Forderungen ausſprach. Auch die Grundſätze, die der Herr Bürgermeiſter in bezug auf die künftige Haltung des Magiſtrats feſtlegte, machen eine Unter⸗ ſtützung, die durchaus wirkſam ſein kann, nicht un⸗ möglich. Ich habe in der Zwiſchenzeit ſchon nach ver⸗ ſchiedenen Seiten 1 genommen und mich dabei überzeugt, daß ich wahrſcheinlich in kurzer Zeit in der Lage ſein werde, der Deputation ganz beſtimmte Vorſchläge in dieſer Richtung zu machen. Ich möchte deshalb heute darauf hinwirken, daß die Deputation in die Lage verſetzt wird, in die Beratung ſolcher Die Medizin iſt heute nicht nur eine aus e einzutreten; denn ich halte es nicht 52 zweckmäßig, daß dieſe Vorſchläge zuerſt hier in Verſammlung gemacht werden, ſondern ich erachte es für viel beſſer, daß ſie erſt in der gemiſchten Depu⸗ tation gründlich durchberaten werden. Deshalb ſtelle ich hiermit den Antrag, zu beſchließen: Die Stadtverordnetenverſammlung erſucht den Magiſtrat, zu veranlaſſen, daß die gemiſchte Deputation zur Beratung von Maßregeln zur Bekämpfung der Säuglingsſterblichkeit ſich weiter mit der Frage beſchäftige, in welcher Weiſe eine Unterſtützung ſtillender Mütter durchgeführt werden kann. Was nun die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Bauer anbetrifft, die auch geſtützt werden durch eine uns zugegangene Zuſchrift des Charlottenburger Arztevereins, ſo muß ich ſagen, daß mich beſonders die Einwände ſtutzig machen, die gegen die Beſchaffen⸗ heit der Milch erhoben ſind. Ich hoffe, daß dieſe Einwände widerlegt werden können, daß auf Grund der vorgenommenen regelmäßigen Unterſuchung dieſer Milch feſtgeſtellt werden kann, daß die Milch zu irgendwelchen Bedenken keinen Anlaß gibt. Sollte das nicht der Fall ſein, ſo würden wir allerdings darau ſehen müſſen, ſchleunigſt anſtelle der bisherigen Mil eine beſſere uns zu beſchaffen. Denn das iſt aller⸗ dings wichtig, daß wir nicht da, wo wir etwas Gutes leiſten wollen, eventuell ſchädigen. Vorſchlä Vorſteher Roſenberg: Dürfte ich um Ihren An⸗ trag bitten, Herr Stadtv. Dr. Spiegel! — Jetzt hat das Wort Herr Stadtv. Vogel. Stadtv. Vogel: Meine Herren, der Herr Vor⸗ redner hat ſchon die Petition des Vorſtandes des Arztevereins erwähnt, die wir alle erhalten haben und die ſich ſo ziemlich auf denſelben Standpunkt ſtellt, den Herr Dr. Bauer uns vorgetragen hat. Es iſt hier in der Petition, was mich daran am meiſten gefreut hat, ganz offenherzig geſagt: * Wie mit jeder ſozialhygieniſchen Einrichtung ſind mit der der Säuglingsfürſorgeſtellen Schädi⸗ gungen der Arzteſchaft verbunden. Die Herren ſagen alſo, daß ſie von jeder ſozial⸗ hygieniſchen Einrichtung Schaden haben. Nun, meine Herren, dann können Sie ſich nicht wundern, daß die urzte nicht erfreut ſind, wenn wir ſolche Ein⸗ richtungen treffen. Es iſt, möchte ich ſagen, ungefähr daſſelbe Verhältnis wie vor etwa 60 Jahren, als die Eiſenbahnen gebaut wurden. Da waren die Fuhrherren von dieſer neuen Einrichtung nicht ſehr erbaut; ſie ſagten, ihnen würde das Brot genommen, ſie würden geſchäftlich ruiniert. Jetzt ſagen die erzte, ſie werden ruiniert durch die Fürſorgeſtellen, durch die Heilſtätten (Zuruf des Stadtv. Dr. Bauer) — Gegen die Heilſtätten wird auch aufgetreten. Der verſtorbene badiſche Oberregierungsrat Dr. Wörris⸗ hoffer hat in ſeiner bekannten Schrift: „Die Lage der Zigarrenarbeiter in Baden“ ausdrücklich ange⸗ führt, daß dortige Arzte den lungenkranken Patienten abgeraten haben, in die Heilſtätten zu gehen, damit ſie ſie nicht aus ihrer Klientel verlieren. Das hat Wörishoffer feſtgeſtellt, und dem kann man ſchon glauben. Die Arzte ſind ja auch Menſchen, nicht wahr; (Heiterkeit) alſo kann man ihnen das auch nachfühlen. Sie müſſen ſich aber eben nach der Zeitſtrömun richten. ſoneßiich