Stadtv. Bogel: Anknüpfend an die letzte Außerung des Herrn Bürgermeiſters, daß der Magiſtrat ſich ſchon viele Jahre mit der Frage der Säuglings⸗ krankenpflege beſchäftigt habe, möchte ich doch glauben, daß es ſehr angebracht iſt, wenn die neuen Er⸗ fahrungen derFürſorgeſtellenärzte herangezogen werden, um den Vorſtand des Krankenhauſes zur Errichtung einer Station für ſchwerkranke Kinder zu bewegen. Ich gebe zu, daß es ſchwierig iſt. Was übrigens die finanzielle Seite anhelangt, ſo habe ich ſchon früher einmal auf eine Außerung des Dr. Seyffert in Leipzig hingewieſen, der geſagt hat: was eine Kommune an den Kindern in den letzten Monaten vor der Geburt und in den erſten Monaten nach der Geburt ſpart, das muß ſie doppelt und dreifach ſpäter bezahlen. — Ich halte es grade für ſehr zweckmäßig, daß jetzt die Arzte der Fürſorgeſtellen mit hinzugezogen werden, wenn es ſich um die Er⸗ richtung einer k einen Station für ſchwerkranke Kinder handelt, damit dieſe im Frühjahr ſchon in Tätigkeit treten kann. Ich habe mich nur zum Sprachrohr der Wünſche der Arzte der Fürſorgeſtellen gemacht, weil dieſe in ihren Berichten beſonderen Wert auf eine ſolche Krankenſtation legen. Was die Milch anbe trifft, ſo halte ich es auch jetzt grade für an der Zeit, dafür zu ſorgen, daß die Kuhmilch allen Anforderungen, die an eine Säug⸗ lingsmilch zu ſtellen ſind, entſpricht und danach zu ſtreben, daß man ſie auch hier in Charlottenburg erhalten kann. Das Verhältnis zu Bolle wird ſich ja auch wohl löfen laſſen, und dann iſt dieſe Schwierigkeit beſeitigt. Wenn der Herr Bürger⸗ meiſter meinte, der Magiſtrat beſchäftige ſich ſchon viele Jahre damit, ſo belommt man Furcht, daß es noch viele Jahre dauern wird. Das möchte ich gern vermieden wiſſen, und das würde dadurch geſchehen, daß man die Arzte der Fürſorgeſtellen hinzuzieht. Stadtv. Dr. Baner: Meine Herren, nach den Ausführungen des Herrn Bürgermeiſters könnte es beinahe ſo ſcheinen, als wenn ich gemeint hätte, daß die Wohltätigkeitsvereine der Sache nicht gewachſen wären. Das iſt ganz und gar nicht meine Meinung. Im Gegenteil. Ich halte die Wirkſamkeit aller dieſer Vereme für ganz außerordemlich ſegensreich und für außerordentlich wichtig. Ich glaube nicht, daß an⸗ geſtellte Beamte bei bureaukratiſchem Betriebe auch nur einigermaßen das leiſten können, was die Wohl⸗ tätigkeitsvereine leiſten. Mit meinem Antrag, der ſich auf den Erlaß einer Dienſtanweiſung bezieht, will ich nur bezwecken, daß die prinzipiellen Geſichts⸗ punkte, die für die Säuglingsfürſorgeſtellen maßgebend ſein ſollen, feſtgelegt werden, nicht, daß man ſich in Einzelheiten einmiſchen ſoll. Auf dieſem Gebiete ſollen die Vereine nach wie vor weiter wirken. Nur um die Feſtlegung der großen Geſichtspunkte handelt es ſich. Deshalb bitte ich Sie auch, den Antrag anzunehmen. Die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Zepler über die ſozialpolitiſche Rückſtändigkeit der Arzte ſind meiner Anſicht nach, angeſichts der vorliegenden Petition, vollſtändig unangebracht. Ich kann nur annehmen, daß Herr Kollege Zepler dieſe Petition überhaupt nicht geleſen hat; denn darin ſteht fol⸗ gendes: Wie mit jeder ſozial⸗hygieniſchen Ein⸗ richtung ſind mit der der Säuglingsfürſorge⸗ ſtellen Schädigungen der Arzteſchaft verbunden. Dieſe Schädigungen ertragen die Arzte willig, 363 wenn ſie davon überzeugt ſind, daß dem Ge⸗ meinwohl genützt wird. Meine Herren, daß darin etwas liegen kann, was Herrn Kollegen Zepler zu ſeinen Ausführungen Veranlaſſung hätte geben können, verſtehe ich nicht. — Hinterher heißt es dann: wenn das aber fraglich iſt, ſo kann man wohl verlangen, daß auf den Arzte⸗ ſtand eine gewiſſe Rückſicht genommen wird. Davon iſt alſo gar keine Rede, daß ſich die Arzte dagegen wehren, ſondern ſie ſagen nur, es ſollen diejenigen Mißſtände abgeſchafft werden, die ſich für die All gemeinheit herausgeſtellt haben. Was im übrigen die etwas vorzeitige Wahlrede des Kollegen Zepler an ſeine ärztlichen Kollegen angeht, ſo glaube ich kaum, daß ſie dieſem Prole⸗ tarier folgen werden. Ich glaube, ſie werden bei ihrer bisherigen Meinung verbleiben. Roſenberg: Ich muß erklären, daß Vorſteher „nicht zuläſſig iſt. der Ausdruck „vorzeitige Wahlrede Stadtv. Dr. Zepler: Ich habe wohl anerkannt, daß die Arzte bis zu einem gewiſſen Punkte mit ihrer. Eingabe Recht haben. Ich habe die Notlage der Arzte anerkannt und auch, daß es nicht richtig wäre, wenn Wohlnabende ſich der Inſtitution der Säuglingsfürſorgeſtellen bedienen. Wenn im übrigen die Ausführungen in der Eingabe der Arzte ſo ge⸗ halten ſind, daß man daraus ſieht, es ſoll uns nicht ein Knüppel zwiſchen die Füße geworfen werden — ſchön, ſo will ich das dem Wortlaut nach wohl an⸗ erkennen. Indeſſen hat die ganze Frage, abgeſehen von dieſer Eingabe, ſoviel Aufregung hervorgebracht, in der Arziekorreſpondenz iſt ſie in unliebſamer Weiſe beſprochen worden, daß man annehmen muß, daß ein großer Teil der Arzteſchaft ſehr unſozial denkt. Das habe ich aber nicht einmal hier geſagt, Tatſache iſt das jedoch. Im übrigen erkenne ich gern an. daß die Arzte prinzipiell ſich nicht ablehnend gegen die Sache ver⸗ halten haben. Ich habe aber auch geſagt, daß ſie zu ängſtlich ſind, zu ſchwarz ſehen, daß ſie die ein⸗ zelnen Fälle, die ihnen verloren gehen, zu hoch be⸗ werten, als wenn dadurch dem Arzteſtand geſchadet würde, und das iſt nicht der Fall. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Verſamm⸗ lung beſchließt unter Annahme des vom Stadtv. UDr. Bauer geſtellten Amendements nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: 1. Der weiteren Fortſetzung des Verſuchs der Abgabe von Milch durch die 4 Säuglings⸗ fürſorgeſtellen auch für den Winter 1905/ wird zugeſtimmi mit der Maßgabe, 4) daß als Preis für die abzugebende Milch grundſützlich der Selbſtkoſtenpreis, d. i. zur Zeit 22 Pf. pro Liter, eryoben werde, ſo jedoch, daß es den Vereinen überlaſſen blei t, von Minderbemittelten nach veſonderer Recherche einen herabgeſetzten Preis (16 Pf.) zu verlangen und auf Armenſchein wie bis⸗ her die Milch unentgeltlich zu liefern. daß ſobald wie möglich, ſpäteſtens zum 1. Januar 1906, der Verſuch gemacht wird, anſtelle der paneuriſierten Milch friſche Milch aus Kuhſtällen, die unter tierärztlicher und polizeilicher Kontrolle ſtehen, zu liefern, woran nach Möglichkeit geeignete Charlotten⸗ burger Molkereien zu beteiligen ſind. b)