—— 369 Berichterſtatter Stadtv. Marcus: Am 29. Ok⸗ tober 1903 legte uns der Magiſtrat den Entwurf ſeines Vertrages vom 11. Oktober mit den drei Straßenbahnen vor. Der von Ihnen erwählte Aus⸗ ſchuß hat in zahlreichen Sitzungen vom November 1903 bis Februar 1904 die Sache ſehr eingehend beraten und hat Ihnen nachher den Bericht über⸗ reicht, welchen Sie auf Seite 602 bis 617, linke Spalte, abgedruckt finden, worin der Ausſchuß ver⸗ ſchiedene andere Vorſchläge gemacht hat. Sie haben dieſe akzeptiert, und auf Grund dieſer Vorſchläge iſt der Magiſtrat von neuem mit den Straßenbahnen in Verhandlung getreten und legt uns nun heute dieſen Vertrag vor. Der Kardinalpunkt der damaligen Verhandlungen, meine Herren, betraf die Auffaſſung der Straßenbahn, daß durch Führung der Untergrundbahn vom Knie bis zur Weichbildgrenze, die Rechte, welche die Straßenbahn von der Stadt erworben zu haben glaubt, verletzt würden, und daß ſie ſich infolgendeſſen die Geltendmachung eines Schadenerſatzanſpruchs vor⸗ behalte. Ebenſo deutete ſie an, daß ſie ſich auch be⸗ züglich der Untergrundbahnführung vom Zoologiſchen Garten bis zum Knie ebenfalls ihre Rechte vorbe⸗ halte. Das war natürlich ein ganz außerordentlich heikler Punkt. Denn die Straßenbahn behauptete, wir hätten durch Erteilung der Konzeſſion an ſie uns auch gleichzeitig des Rechtes begeben, einer kon⸗ kurrierenden Linie die Konzeſſion zur Führung einer Bahn in den parallel laufenden Straßen zu erteilen. Eine weitere Folge dieſer Behauptung war nun, daß, als die Untergrundbahn von dieſen Anſprüchen der Straßenbahn hörte, ſie natürlicherweiſe ſagt: ja, Stadt, du haſt uns die Konzeſſion erteilt; wir mußten daher annehmen, daß du dazu vollſtändig berechtigt warſt. Wenn wir jetzt hören, daß die Straßenbahn dagegen Einſpruch erhebt und mit einem Prozeß droht; wenn ſogar, wie damals dem Vorſitzenden unſeres Aus⸗ ſchuſſes von einem Mitgliede unſerer Verſammlung, einem Juriſten, ſchriftlich mitgeteilt worden war, die Straßenbahn beabſichtige, von der Untergrundbahn für jedes einzelne von ihr verkaufte Billet einige Pfennige einzuklagen, weil ſie per nefas fahre — ſo können Sie ſich vorſtellen, in welche Aufregung damals der Ausſchuß über dieſe Zumutung geraten iſt. Denn es waren immerhin eine Anzahl Er⸗ kenntniſſe ergangen, namentlich in rheiniſchen Städten, in Köln, in Düſſeldorf, welche die rechtliche Lage zweifelhaft erſcheinen ließen. Allerdings gehörte da⸗ mals zu dem Ausſchuß unſer früherer Kollege Herr Geheimrat Gleim, der ja auf dieſem Gebiet Autorität erſten Ranges iſt, und der uns ſagte, daß dieſe früheren Erkenntniſſe, die unſere Pofition ſo zu ge⸗ fährden ſchienen, noch nicht auf Grund der neueren geſetzlichen Beſtimmungen des Kleinbahngeſetzes ergangen ſeien, daß wir alſo nicht grade nötig hätten, dieſe Entſcheidungen als auf unſeren Fall anwendbar anzuſehen und uns davor zu fürchten. Immerhin aber, meine Herren, können Sie ſich vorſtellen, daß es eine außerordentlich penible Sache war, zumal die Untergrundbahn erklärte: unter ſolchen Umſtänden laſſen wir uns überhaupt auf den Bau der Unter⸗ rundbahn garnicht ein; denn wir haben nicht die bſicht, uns in einen langwierigen Prozeß zu ver⸗ wickeln, der möglicherweiſe zu unſerem Schaden aus⸗ fällt; lieber wollen wir die in dem Vertrag mit der Stadt feſtgeſetzte Konventionalſtrafe zahlen, als daß wir uns auf ein ſo gefährliches Gebiet begeben. Infolgedeſſen haben wir damals den Magiſtrat erſucht, den vom Ausſchuß ausgearbeiteten Entwurf der Straßenbahn vorzulegen, mit dem ausdrücklichen Hinzufügen, daß, wenn die Straßenbahn bezüglich der vermeintlichen Konkurrenzlinie der Untergrund⸗ bahn von ihrer Androhung nicht ablaſſe, der Ma⸗ giſtrat dann ſofort ſeinerſeits die Klage gegen die Straßenbahn anſtrengen ſolle. Es hieß damals in dieſem Antrage: „zugleich ſind wir ermächtigt,“ — ſo ſchreibt der Magiſtrat hier auf der erſten Seite — „gegen die Aktiengeſellſchaften die Klage anzuſtrengen, wenn dieſe den von der Stadtverorduetenverſammlung in unſerem Entwurf eingefügten Artikel XIv, be⸗ treffend die Entſchädigungsfrage gegen ſogenannte Konkurrenzbetriebe anderer Bahnen, nicht annehmen ſollte.“ Das war alſo, wie geſagt, der Kardinalpunkt, deſſentwegen der Magiſtrat von der Stadtverordneten⸗ verſammlung bevollmächtigt war, ev. ſogleich die Klage einzuleiten. Inzwiſchen haben nun erneut Verhandlungen des Magiſtrats mit der Straßenbahn ſtattgefunden, und deren Ergebnis liegt uns nun heute vor. Bezüglich der erwähnten Konkurrenzfrage iſt nun allerdings eine Vereinbarung getroffen worden, und zwar dahin, daß zwar von einer definitiven prinzi⸗ piellen Regelung momentan Abſtand genommen werden ſolle, und daß man zwar gegen den Betrieb der elektriſchen Hoch⸗ und Untergrundbahn vom Knie bis zur Gemarkungsgrenze und deren Abzweigung nach dem Wilhelmsplatz gegen Nachlaß von jährlich 4000 ℳ Abgaben weder Widerſpruch noch Ent⸗ ſchädigungsanſprüche erheben würde, aber, wie geſagt, dies bedeute keine definitive und prinzipielle Feſt⸗ ſtellung. Meine Herren, dieſen Nachlaß von jährlich 4000 ℳ an Abgaben bis zum Jahre 1919, alſo ſagen wir auf 9 oder 10 Jahre, in Summa 36 bis 40000 ℳ, würde ich allerdings außerordentlich ungern bewilligen, und ich würde im Großen und Ganzen vom rechtlichen Standpunkt ſchwere Bedenken dagegen haben, für den Nachlaß einer ſolchen Summe Ihre Bewilligung einzuholen, da er mir ein Präjudiz zu enthalten ſcheint. Indeſſen der Gedanke, daß wir uns ev. in einen höchſt unliebſamen Prozeß einlaſſen müßten, nämlich darüber, ob die Untergrundbahn in der Tat eine Konkurrenz der Straßenbahn bildet, und ob die Stadt berechtigt war, nachdem ſie der Straßenbahn ein Privilegium für ſo und ſo viel Jahre gegeben hatte, nun nachträglich eine Konzeſſion einer anderen Geſellſchaft für eine in paralleler Richtung zu führende Bahn zu erteilen, angeſichts der Ungewißheit eines derartigen langwierigen Pro⸗ zeſſes möchte ich für meine Perſon beinahe ſagen: es erſcheint mir vielleicht nicht ganz unrichtig, das⸗ jenige, was der Magiſtrat hier vorſchlägt, zu akzep⸗ tieren. Ich komme hierauf noch zurück. In dem gleichen Artikel XIV ſteht nun aber noch ein anderer Paſſus: Die vertragſchließenden Geſellſchaften glau⸗ ben durch die ihnen von der Stadtgemeinde Charlottenburg in den früheren Verträgen ein⸗ geräumten Rechte zur Benutzung ſtädtiſcher Straßen auch das Recht erworben zu haben, gegen die Herſtellung von Bahnen in denſelben Straßen und von Konkurrenzbahnen auch in anderen Straßen durch die Stadtgemeinde oder durch andere Unternehmer auf Grund eines von der Stadt ihnen gewährten Straßenbe⸗ nutzungsrechts Widerſpruch zu erheben und im Falle ihrer Herſtellung Enſchadigung zu ver⸗ langen. Indeſſen: Von einer prinzipiellen Regelung dieſer