—— 370 Streitfrage in dem gegenwärtigen Vertrage wird Abſtand genommen. Meine Herren, dieſer Puſſus: „Von einer prinzipiellen Regelung dieſer Streitfrage wird Abſtand genommen“ iſt es, der mich mit ſchweren Bedenken erfüllt. Nicht daß ich etwa der Straßenbahnverwaltung direkt einen Gegenſatz zu einer bona ſides imputieren möchte; aber, meine Herren, wer von Ihnen vor ungefähr 3 Wochen die Rede des Herren Oberbürgermeiſters Kirſchner in Berlin geleſen hat — ich meine nicht die letzte Erklärung, ſondern die vorhergehende über das Verhältnis mit der Straßenbahn —, der wird, oder wenigſtens viele von Ihnen werden gleich mir die Empfindung haben, Herr Kirſchner meinte, daß die Straßenbahn im großen Ganzen nach dem Goethe⸗ ſchen Satze vorgeht: „Im Auslegen ſeid friſch und munter! Legt ihr's nicht aus, ſo legt was unter.“ Und daher möchte ich gegen einen ſo zweifelhaften Paſſus, wie er hier ſteht, daß man von einer prin⸗ zipiellen Regelung dieſer Streitfrage in dem gegen⸗ wärtigen Vertrage abſehen wolle, ſchwere Bedenken erheben und möchte ſchon aus dieſem Grunde, neben 12, 15 anderen Urſachen, Ihnen unter allen Um⸗ ſtänden vorſchlagen, dieſe außerordentlich wichtige Vorlage einem Ausſchuß von 15 Mitgliedern zu überweiſen. Geſtatten Sie mir aber noch, einige andere Punkte zu erwähnen, die der damalige Ausſchuß ebenfalls mit in Erwägung gezogen hat. Zu ſeinen Arbeiten gehörte auch die Feſtſtellung der einzelnen Linien in den Anfangs⸗ und Endpunkten und die Auswahl der Straßen, welche dieſe Linien durch⸗ kreuzen. Darin begegnen ſich ja allerdings die In⸗ tereſſen der Straßenbahn ſowohl wie die der Stadt; denn ſelbſtverſtändlich hat die Stadt das lebhafteſte Intereſſe daran, daß vor allen in den ſtark be⸗ völkerten Straßen, deren Bewohner viel außerhalb der Stadt zu tun haben, namentlich in Berlin, Straßenbahnlinien und bequeme Verbindungen ein⸗ gerichtet werden müſſen; das iſt ja auch im Intereſſe der Hausbeſitzer, da dadurch die Wohnungen in dieſen Straßen ſich gut vermieten und die Häuſer beſſer verwertbar werden. Das ſind ebenfalls außerordent⸗ lich wichtige Fragen; aber meiner Anſicht nach kommen hier die Intereſſen der Straßenbahn wie der Stadt zuſammen. Es bedarf jedoch unſererſeits einer Mit⸗ arbeit von Männern, welche über die lokalen Ver⸗ hältniſſe eingehende Kenntniſſe und Beobachtungen beſitzen. Schon deshalb iſt es abſolut notwendig, die Vorlage einem Ausſchuß zu überweiſen. Ferner war in den damaligen Verhandlungen davon die Rede, daß das Umſteigen vermieden werden müſſe, ſowohl auf Bahnen, welche, wie die Stammbahn, direkt von Charlottenburg nach Berlin und umgekehrt in das Herz der Stadt führen, als auch auf ſolchen Bahnen, welche jenſeits von Berlin in irgend einem Vororte beginnen, Berlin durch⸗ fahren, durch Charlottenburg führen und hinter Char⸗ lottenburg in einem anderen Vorort enden. — Das ſind auch ſehr ſchwierige Fragen, die einer ſehr reif⸗ lichen Uberlegung und Erwägung bedürfen, zumal zwar nicht verſchiedene Straßenbahngeſellſchaften, aber doch verſchiedene Linien beteiligt ſind, die unterein⸗ ander keine einzelne Abrechnung haben. Indeſſen auf die einzelnen Linien will ich hier nicht weiter eingehen. Nur kurz will ich erwähnen, daß bezüglich der vom Bahnhof Jungfernheide nach dem Bahnhof Friedrichſtraße mit der Abzweigung Nonnen⸗ damm —Tegeler Weg führenden Linie urſprünglich die Vorſchläge der Straßenbahn geradezu unglaubliche waren. Im Winter wollte ſie überhaupt nur einmal in der Stunde fahren. Ich habe in meinem damaligen Referat angeführt, daß dies geradezu wie ein Hohn ausſehe, daß man von Berlin oder Charlottenb aus beinahe ebenſo oft täglich nach Paris, Londo und Rom fahren könne, wie vom Bahnhof Jungfern⸗ heide nach Bahnhof Friedrichſtraße, bei Annahme der⸗ artiger Vorſchläge der Straßenbahn. Ich kann ſie auch garnicht begreifen; denn bekanntlich fährt die Stadtbahn von Jungfernheide nach Bahnhof Fried⸗ richſtraße alle 7 ½ Minuten — in den Abendſtunden, glaube ich, noch öfter — und dabei billiger. Auf die Preiſe, die uns am Schluß mitgeteilt werden, will ich vorläufig auch nicht eingehen. Sie erſcheinen mir ſehr hoch. Denn von der Schönhauſer Allee nach dem Königsdamm, alſo für eine Strecke von 16,3 Km, werden 20 Pf. verlangt, von der Schönhauſer Allee nach dem Nonnendamm, für 16,9 km, auch 20 Pf. Dagegen will ich hierbei daran erinnern, daß die Linie von Britz nach Tegel 24 km lang iſt, alſo noch 7 bis 8 km länger als die eben genannten Strecken, und doch nur 10 Pf. koſtet. Ich möchte meinen, daß der Verkehr von Britz nach Tegel nicht ein ſo außerordentlich erheb⸗ licher ſein wird, daß durch die große Anzahl der Fahrgäſte der Preis herauskommt. Ich wollte hier⸗ mit nur ein Streiflicht auf die Bemeſſung der Preiſe geworfen haben; ſie müſſen natürlich im Ausſchuß im Detail behandelt werden. Nun geſtatten ſie mir noch einige allgemeine Bemerkungen. Die Direktion der Straßenbahn hat allerdings was ich gern zugebe ein außerordentlich großes Verwaltungsgebiet. Wenn man ſo in der Potsdamerſtraße, bei einem Verkehrshindernis, 30, 40, 50 Wagen hintereinander halten ſieht, ſo be⸗ kommt man ungefähr einen Begriff von der Aus⸗ dehnung der Verwaltung. Ich bin daher auch weit entfernt davon, hier ein Mißtrauen oder ein be⸗ ſonders abfälliges Urteil über die techniſche und kaufmänniſche Leitung der Straßenbahn auszuſprechen. Ich möchte glauben, daß ſie im ausſchließlichen Hin⸗ blick auf die Intereſſen ihrer Aktionäre immerhin dasjenige leiſtet, was zu leiſten ihre Aufgabe iſt. Ganz anders aber liegt die Sache bezüglich der be⸗ rechtigten Anforderungen der Kommunen in Bezug auf die Leiſtungen der Bureaubeamten und des Be⸗ triebsperſonals Denn dieſe verſteht die Direktion abſolut nicht richtig zu inſtruieren, und ſie verſteht ferner nicht die richtigen Maßnahmen zu treffen und das Unterperſonal ſo anzuleiten, daß das Publikum nicht fortwährend zu Beſchwerden und allem möglichen Arger Anlaß findet. Sie wiſſen, auf meine An⸗ regung iſt es endlich gelungen, durchzuſetzen, daß Abonnements am Ende des Monats an 2 Tagen erneuert werden können. Früher war der Beginn der Erneuerung erſt um 9 Uhr früh feſtgeſetzt. Jetzt endlich iſt die Zeit von 8 Uhr durchgeführt, und zwar an 2 Tagen. Der Magiſtrat erwähnt uns das hier — ich will nicht gerade ſagen: triumphierend — als einen beſondern Erfolg. Es iſt aber doch in der Tat nur ein recht ſchwacher Erfolg. Für das Vorgehen der Beamten erlaube ich mir einige Beiſpiele anzuführen. Ein Herr, Ihnen allen bekannt, kommt mit ſeiner 8jährigen Tochter, um das Schülerabonnement zu erneuern. Er prä⸗ ſentiert die Zenſur zum Beweiſe, daß das Mädchen wirklich eine Schülerin iſt und in der und der Klaſſe ſich befindet. Darauf ſagt der Beamte: ja, ich be⸗ darf nun noch eines ſchriftlichen Zeugniſſes darüber, daß das Kind noch nicht 16 Jahre alt iſt. Darauf