— 2324 beſeelt iſt, werden unliebſame Debatten dieſer Art nicht unterbleiben. Nur würden ſie, wenn der An⸗ trag Hubatſch angenommen wird, in die geheime Sitzung verlegt werden. Aber, meine Herren, die Bevölkerung von Charlottenburg wird ſich dann mit vollem Recht ſagen, daß jetzt in geheimer Sitzung noch viel ſchlimmere Dinge über die zur Wahl vor⸗ geſchlagenen Herren geſagt werden als bisher in öffentlicher Sitzung. Ich glaube daher nicht, daß es im Intereſſe der zu Wählenden liegt, wenn wir hinter verſchloſſenen Türen derartige perſönliche An⸗ gelegenheiten erörtern. Im hoöchſten Grade erſtaunt war ich darüber, meine Herren, daß auch eine Anzahl von Mitgliedern der liberalen Fraktion den Antrag Hubatſch mit unterzeichnet haben. Die Herren von der liberalen Fraktion — ich will nicht ſagen: alle, aber ein großer Teil von den Herren hat ſeinerzeit, als die Debatten über den Fall Ströhler ſtattfanden, mit Freude die Gelegenheit benutzt, einmal um den ihnen verhaßten Vorſteher zu ſtürzen, und zweitens, um die Wahl⸗ agitation zu betreiben gegen Sie (zur Freien Ver⸗ einigung gewandt), die Sie heute mit den Herren von der liberalen Fraktion eng verbündet ſind. Vor zwei Jahren haben die Liberalen ausdrücklich den ſtenographiſchen Bericht über den Fall Ströhler mit einem Anſchreiben an Einwohner von Charlottenburg geſandt und ſie aufgefordert, nicht mehr für die An⸗ hänger dieſes Mannes zu ſtimmen, über den in der Offentlichkeit ſolche Dinge geſagt worden ſind. Nun kommen dieſelben Liberalen und unterzeichnen, nach⸗ dem einmal einer ihrer eigenen Freunde in der Offemlichkeit angegriffen iſt, ſofort einen Antrag, wonach in Zukunft derartige Debatten in die geheime Sitzung zu verlegen ſind. Wie man ein ſolches Ge⸗ bahren geſchäftsordnungsmäßig bezeichnen kann, weiß ich nicht. Meine Herren, gewundert hat mich aber das Vorgehen der Liberalen noch aus einem anderen Grunde. Gerade die Vorkämpfer der Liberalen, die Herren, die vor 50, 60 Jahren die Ideen vertreten haben, die die Liberalen jetzt eigentlich vertreten ſollten, die ſie allerdings längſt beiſeite geworfen haben, — gerade die Vorkämpfer der heuligen Libe⸗ ralen haben ſich ſtets für die Offentlichkeit der Ver⸗ handlungen ins Zeug gelegt. Ich erinnere Sie an einen Mann, deſſen Andenken Sie allerdings höchſtens noch mal bei irgend einer feſtlichen Gelegenheit preiſen, deſſen Andenken Sie aber im übrigen heute mit Füßen treten, an einen Mann, der doch auch von kommunalen Angelegenheiten etwas verſtanden hat. da er längere Zeit Oberbürgermeiſter war, an den alten Franz Ziegler. Er hat einmal in einer Rede, und zwar in derſelben Rede, in der er ſich für das allgemeine Wahlrecht zu den Kommunalwahlen aus⸗ fprach, auch über die Offentlichkeit der Verhandlungen ſich geäußert und dabei folgendes geſagt: Allgemeines Wahlrecht und Offentlichkeit der Verhandlungen im Rathauſe: dabei vermag keine Clique zu beſtehen; denn das allgemeine Wahlrecht gibt der Majorität die Herrſchaft, Offentlichkeit garantiert die Kontrolle der Ver⸗ waltung durch die Geſamtheit. Sie ſehen alſo, wie ſich Franz Ziegler ſeinerzeit für die Offentlichkeit der Verhandlungen ausgeſprochen hat. (Unruhe und Lachen bei den Liberalen.) — Ja, Sie lachen natürlich, weil Sie ſehr wohl wiſſen, daß Sie ſich heute nicht mehr auf wirklich liberale und demokratiſche Elemente berufen dürfen. Wenn ſchon die Offentlichkeit der Verhandlungen im allgemeinen von uns als notwendig anerkannt wird, dann iſt ſie doppelt notwendig da, wo es ſich um die Wahlen von Mitgliedern des Magiſtrats handelt. Die Einwohnerſchaft hat ja kein Recht, dieſe Wahlen direkt vorzunehmen; ſie muß ſie indirekt vornehmen laſſen durch die Stadtverordneten. Iſt aber ſchon der Einfluß der Bürgerſchaft im allge⸗ meinen ſo gering, dann ſollte man den Bürgern wenigſtens die Möglichkeit geben, ſich davon zu über⸗ zeugen, welche Stellung die von ihnen gewählten Stadtverordneten den in den Magiſtrat zu wählenden Herren gegenüber einnehmen. Wenn Sie den Antrag Hubatſch annehmen, dann ſchmälern Sie dadurch die Rechte der Bürgerſchaft, die ohnehin ſchon gering genug ſind, noch mehr. Ich möchte Sie dringend bitten, nicht dieſe Fucht in die geheime Sitzung mit⸗ zumachen, ſondern den Antrag Hubatſch abzulehnen. Stadtv. Dr. v. Liszt: Meine Herren, ich möchte zunächſt per önlich erklären, daß ich durchaus mit der geänderten Faſſung des von uns gemeinſchaftlich geſtellten Antrages einverſtanden bin. Ich glaube, daß durch dieſe Faſſung etwaige Zweifel, die bei der Interpretation entſtehen könnten, in glücklicher Weiſe ausgeſchaltet werden. Meine Herren, ich habe mich ſeinerzeit bereits, als wir uns hier über die Auslegung des § 10 unterhielten, in dem Sinne geäußert, daß die Inter⸗ pretation, die von der äußerſten linken Seite dem § 10 Ziffer 3 gegeben wurde, durchaus nicht not⸗ wendig aus dem Inhalte der Faſſung dieſer Be⸗ ſtimmung folgt, daß im Gegenteil ohne weiteres auch demjenigen, der die Entſtehungsgeſchichte nicht kennt, auch dem Fernerſtehenden, die Interpretation ein⸗ leuchten müßte, wie ſie jetzt durch den Begründer des Antrages gegeben worden iſt. Es handelt ſich alſo um eine authentiſche Interpretation, wie wir Juriſten zu ſagen pflegen, die wir zur Vermeidung von Meinungsverſchiedenheiten dieſem § 10 geben wollen. Daß Meinungsverſchiedenheiten vorhanden geweſen ſind, daß ein großer Teil unſerer Stadtverordneten⸗ verſammlung den Paragraphen ſo interpretiert hat, wie es heute von ſeiten des Herrn Kollegen Hubatſch geſchehen iſt, daß ein anderer Teil ihn im entgegen⸗ geſetzten Sinne interpretiert hat, wird nicht in Abrede geſtellt werden können. Daß unter dieſen Umſtänden bei einem Zweifel zwiſchen einer Mehrheit und einer ſehr bedeutenden Minderheit eine authentiſche Inter⸗ pretation am Platze iſt, das, meine ich, iſt durchaus ſelbſtverſtändlich. Wenn wir dieſe Interpretation nun einmal geben, ſo kann ſie nur in demjenigen Sinne erfolgen, wie unſer Antrag es bezweckt, 4 2 Antrag, bei dem nicht bloß dieſer oder jener von der liberalen Fraktion, ſondern, wie ich glaube, wohl alle Mit⸗ glieder der liberalen Fraktion beteiligt ſind. Ich glaube, meine Herren, das liegt doch voll⸗ ſtändig auf der Hand, wenn über die Qualifikation eines Herrn als Stadtrat geſprochen wird, als Ma⸗ giſtratsmitglied, daß dann, ganz abgeſehen von per⸗ ſönlicher Ehrenhaftigkeit uſw., gewiſſe Bedenken geltend gemacht werden können dagegen, daß er geeignet ſei, — ſagen wir etwa, um an das ſeinerzeit ſoviel miß⸗ brauchte Beiſpiel anzuknüpfen: eine Verkalkung der Aterien oder irgend ſ etwas ähnliches, ein Ausſpruch des Arztes über ſeinen Geſundheitszuſtand uſw. Ich glaube, die große Mehrheit von uns und die große Mehrheit unſerer Wähler hat es damals in der aller⸗ peinlichſten Weiſe empfunden, daß derartige Dinge