—— 396 — Schaden der Aufklärung der Offentlichkeit. Denn die Verhandlungen über dieſen Fall haben uns eben gezeigt, wie Gerüchte, die hinter den Kuliſſen im geſchioſſenen Zimmer kolportiert werden, im ſtande ſind, die Ehre eines Mannes auf das gröblichſte zu verletzen, und daß dieſer Mann, wenn ſo etwas in ſeiner Abweſenheit und unter dem Schweigegebot gegen ihn ausgeſprochen wird, eigentlich der Ver⸗ leumdung wehrlos ansgeliefert iſt. Ich meine, das ſchickt ſich nicht für eine Stadtverordnetenverſammlung, und jeder Demokrat müßte dafür ſorgen, daß ſolche Dinge vermieden werden. Das ſicherſte Mittel, ſie zu vermeiden, aber iſt die Offentlichkeit der Ver⸗ handlungen. Nun, meine Herren, bin ich weiter der Meinung, daß Sie, wenn Sie den Antrag, wie er jetzt vor⸗ liegt, annehmen ſollten, die Städteordnung geradezu verletzen. Die Städteordnung ſchreibt in ihrem § 45 ausdrücklich vor, daß die Sitzungen der Stadt⸗ verordnetenverſammlung öffentlich ſein ſollen, und ſie fährt ſort, daß für einzelne Gegenſtände durch beſonderen Beſchluß. der in geheimer Sitzung ge⸗ faßt wird, die Offentlichkeit ausgeſchloſſen werden kann. Was das für Gegenſtände ſind, ſagt die Städteordnuna nicht; ſie ſchreibt aber einen beſondern Beſchluß jedesmal vor. Es kann daher ſchon frag⸗ lich ſein, ob derartige allgemeine Beſtimmungen in der Geſchäftsordnung, wie wir ſie hier getroffen haben und wie ſie noch erweitert werden ſollen, überhaupt zuläſſig ſind. Aber. davon ganz ab⸗ geſehen, iſt für die Wahl der Mitglieder des Ma⸗ giſtrats ſelber die Offentlichkeit vorgeſchrieben. (Zuruf: Wo denn?!) Nun ſagen Sie: die Wahien ſollen in öffentlicher Sitzung vora nommen werden aber die Verhandlungen über die Wahlen wollen wir in die gebeime Sitzung verlrgen. Ich nalte das fün falſch. Verhandlungen über eine Wahl und die Wanl ſelbſt ſind ein ein⸗ heitticher Akl, der nur durch einen künſtlichen, will⸗ kürlichen Eingriff in zwei Akte zerriſſen wird. Beides gehört zuſammen. Eine Wahl kommt erſt zuſtande auf Grund einer Beiprechung, und Sie können fich daher überzeugt walten, daß wir es zur Entſcheidung der Gerichtshöfe bringen werden, ob eine derartige Interpretation der Städteordnung, wie Sie ſie jetzt belieben, zum Nachteil der Offentlichkeit, ſelbſt von preußichen Oberverwaltungsgerichtsräten mit dem Wortlaut und dem Gein der Städteoronung in Über⸗ einnimmung gehalten wird. Die Offentlichkeit der Verhandlungen der Stadwerordnetenverſammlung. di⸗ volle Offentlichkeit dieſer Veryandlungen iſt ein Geſchenk des Jahres 1848 Sie wollen dies Ge⸗ ſchenk vermindern in ſeinem Wert, verkummern, indem Sie die Offentlichkeit bei den Verhandlungen üver Siadt atswahlen ausſchließen. Dabei iſt Ihnen nach⸗ gewieſen worden, daß die Liberalen im Falle Ströhler geradezu mit Freuden die Gelegenheit ergriffen haben, um öffentlich Material gegen dieſen Mann, der Ihnen verhaßt war, und der die Gruppe der Rechten erſt zuſtande gebract hat, zu ſammeln —, daß Imen das Stenogramm über dieſe Verhandlungen eine wirkſame Waffe im Wahlkampf geweſen iſt. Und nun mit einemmale, wo Sie anfangen die Mehrh it zu be⸗ kommen, da neymen Sie auch bereits alle die Fehler der Mehrheit an. Dieſe Fehler der Mehrheit aber laufen darauf hinaus, daß man gegen die Minorität mit allen Mitteln vorgeht, daß man verſucht, die Minorität mundtot zu machen in wichtigen Angelegen⸗ heiten. Und eine ſo wichtige Angelegenheit iſt auch eine Stadtraiswahl. Gerade durch die Wahl der Stadträte haben wir die Möglichkeit, teilzunehmen an der wirklichen Verwaltung dieſer Stadt. Das Recht iſt ſehr beſchränkt; ich wünſchte es viel weiter, und die Liberalen, die Demokraten ſollten es auch viel weiter wünſchen. Aber dies beſchränkte Recht kann nur dann nutzbar angewandt werden, wenn wirklich die Kontrolle der Offentlichkeit da iſt. Sie flüchten ſich hinter verſchloſſene Türen. Genau ſo, wie Ihnen jetzt die Beſtimmung der Städteordnung mit dem Hausbeſitzerprivilegium lieb und wert ge⸗ worden iſt, weil ſie Ihnen die Merrheit in der Ver⸗ ſammlung ſichert, ſo ſuchen Sie auch dafür zu ſorgen, daß die Offentlichkeit der Verhandlungen in einem Punkt, wo die Stadtverordnetenverſammlung das Recht hat, durch die Wahl von Mitgliedern in die Verwaltung dieſe Verwaltung ſelber zu beeinfluſſen, ausgeſchaltet werde. Sie ſuchen dieſes Recht zu mindern und zu ſchmälern und durch ein Gelegen⸗ heitsgeſetz eine Beſtimmung, die natürlich nur ſo ver⸗ ſtanden werden fann, wie Herr Kollege Hubaiſch ſelber geſagt hat, zu elimini ren und durch ihr ge⸗ rades Gegenteil zu erſetzen. Und mit welcher Haſt, mit welcher Eile arbeiten Sie dabei! Sie gönnen nichl einmal dem neuen Drittel der Stadtverordneten, das vom Innuar an diejer Verſammlung angenören wird, die Möglichkeit, über dieße Geſchäftsordnungsfrage mit zu eniſcheiden! Noch knapp vor Toresichluß wollen Sie dieſe über⸗ eilige, in der erſten Faſſung gänzlich verungluckte Beſtimmung ann hmen! Der Antrag liegt nicht ein⸗ mal gedruckt vor; ich hoffe, er wird auch noch einige Hintertüren enthalten, obwohl ihm bereits das Zeugnis der Güie und Brauchbarkeit von dem Herrn Pro⸗ feſſor der Jurisprudenz Dr. v. Liszt ausgeſtellt worden iſt. Aber täuſchen Sie ſich nicht: genau ſo, wie der er ſte Antrag verunglückt war, daß der Herr Verfaſſer ihn zurückezogen und durch einen andern Antrag erſetzt hat, genau ſo wird es mit dem andern Antrage ſein. Wir werden, wenn er gedruckt vorliegt, ſeyen, was bei ihm noch vergeſſen worden iſt; denn ſo ara auch Ihr Wille ift, die Offentlichkeit aus⸗ zuichließen, an der Geſchicklichkeit fehlt es Ihnen manchmal. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Vorſteher Roſenberg: Herr Stadtv. Baake, Sie haben in Inrer Rede geſagt, Ihre Freunde würden Mittel und Wege finden, um die Sache zur gericht⸗ lichen Entſcheidung zu bringen, und Sie haben dabei geäußert, Sie würden feſtſtellen laſſen, ob ſelbſt preußiſche Oberverwaltungsgerichtsräte dieſe Inter⸗ pretation für zutreffend erllären würden. In dieſer Faſſung halte ich Ihre Außerung für unzuläſſig. Oberbürgermeiſter Schuſtehrns: Meine Herren, die Geſchäfisordnung der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung iſt nicht von der Stadtverordnetenverſammlung allein aufaenellt worden, ſondern der Magiſtrat hat dabei miigewirkt und ſeine Genehmigung zu der Faſſung, die vorliegt, erteilt. Das gibt mir Ver⸗ anlaſſung, auch vom Magiſtratstiſche aus meine Stellungnahme zu dem Antrage des Herrn Stadtv. Dr. Hubatſch zu erklären. Ein Paſſus dieſer zwiſchen Magiſtrat und Stadt⸗ verordnetenverſammlung vereinbarten Geſchäftsord⸗ nung gibt Anlaß zu einem Zeifel über das, was er meint. Es handelt ſich hier bei dem Antrage des Herrn Stadtv. Dr. Hubatſch alſo nicht um eine Anderung der Geſchäftsordnung, ſondern es handelt ſich, wie Herr Stadiv. v. Liszt ſehr klar ausgeſprochen