—— 398 — Baake nach dem 1. Januar noch Stadtverordneter ſein wird oder nicht, das wird die Zukunft lehren. (Sehr richtig!) Sollten wir das Mandat verlieren, ſo haben wir wenigſtens das Bewußtſein, daß wir ehrlich ge⸗ kämpft und nicht unſere politiſche Über⸗ zeugung verkauft haben wie andere. (Unruhe. — Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Roſenberg: Herr Stadtv. Hirſch, ich muß nach dem, was Sie geſagt haben, annehmen, daß Sie Mitglieder der Verſammlung mit dieſer Außerung gemeint haben. Stadtv. Hirſch: Es ſollte auf die Liberalen gehen, auf die Liberalen, die das ſchmähliche Kompromiß geſchloſſen haben! (Glocke des Vorſtehers.) Sie wiſſen doch ganz gut, daß auch Herren aus dieſer Verſammlung es unterzeichnet haben. Ich mache daraus gar kein Hehl, daß ſich meine Außerung auf dieſe Kollegen bezieht. Vorſteher Roſenberg: Ich rufe Sie wegen dieſes Ausdrucks zur Ordnung. Stadtv. Hirſch (fortfahrend): Herr Kollege Spiegel beſtritt die Behauptung des Herrn Kollegen Baake, daß Sie es mit Ihrem Antrage ſehr eilig gehabt haben. Tatſächlich iſt der Antrag eingebracht worden, unmittelbar nachdem die unangenehme Debatte zwiſchen den Herren Buka und Kaufmann hier ſtattgefunden hat; er trägt das Datum des 28. Juni d. I. Die Gründe dafür, daß er erſt heute zur Beratung kommt, kenne ich nicht. Wir wiſſen ja auch nicht, weshalb eine von uns vor ſechs Monaten eingebrachte Interpellation immer noch nicht auf die Tagesordnung geſetzt iſt. Vielleicht liegt es an der Überlaſtung mit anderen Gegen⸗ ſtänden. Jedenfalls können Sie nicht behaupten, daß Sie es nicht eilig mit der Einbringung Ihres Antrages gehabt haben. Herr Stadtv. Dr. v. Liszt beruft ſich darauf, daß mit der Annahme des Antrages das Prinzip des bürgerlichen Anſtandes aufrecht erhalten wird. Meine Herren, der bürgerliche Anſtand iſt ein Begriff, der nicht recht feſtſteht. Wenn Sie aber von bürgerlichem Anſtand ſprechen, dann mache ich Sie darauf aufmerkſam, daß zuerſt der Grundſatz des bürgerlichen Anſtandes verletzt iſt von den Herren, die die Affaire Ströhler ſeinerzeit agitatoriſch aus⸗ genutzt haben. Herr Stadtv Dr. Spiegel macht uns den Vor⸗ wurf, daß wir die Debatte in ganz unberechtiater Weiſe verſchieben. Das iſt nicht der Fall. Eine Verſchiebung liegt auf Ihrer Seite vor. Wir halten lediglich den Grundſatz aufrecht, der von jeher hier in der Stadtverordnetenverſammlung maßgebend ge⸗ weſen iſt, der darin beſtand, daß die Verhandlungen über die Wahl von unbeſoldeten Stadträten, wie es auch ganz klar in der Geſchäftsordnung vorgeſchrieben iſt, in öffentlicher Sitzung ſtattfinden. Wenn Sie jetzt ſagen: das iſt nur eine falſche Auslegung der Geſchäftsordnung, ſo ſind das Ausflüchte, die Sie machen, weil Sie wirkliche Gründe für Ihren Antrag nicht anführen können. Es gibt keinen Paragraphen der ganzen Geſchäftsordnung, der ſo klar iſt, und ich begreife nicht, wie man aus dieſem Paragraphen etwas anderes herausleſen kann. Ich zweifle keinen Augenblick, daß Herr Stadtv. Dr. Hubatſch, als er in der Kommiſſion geweſen iſt, innerlich davon über⸗ zeugt war, daß die Verhandlungen über die Wahlen von unbeſoldeten Magiſtratsmitgliedern in geheimer Sitzung ſtattfinden ſollten; aber dieſer ſeiner Anſicht hat Herr Kollege Hubatſch im Plenum nicht Aus⸗ druck gegeben, und die Mehrheit der Verſammlung hat jedenfalls, als ſie dieſe klare Beſtimmung der Geſchäftsordnung ſchuf, damit ſagen wollen, daß ſolche Verhandlungen in öffentlicher Sitzung ſtattzu⸗ finden haben. Es iſt ferner auf interne Angelegenheiten meiner Partei angeſpielt worden. Es iſt ja be⸗ greiflich, daß dieſe Anſpielung bei Ihnen allen eine große Freude erregt hat, namentlich wenn man die Vorgänge mit einer ſo großen Verkennung der Tat⸗ ſachen vorträgt, wie es Herr Kollege Spiegel getan hat. Herr Kollege Spiegel ſtellt ſich kühn hin und behauptet, in Jena hätten perſönliche Auseinander⸗ ſetzungen ſtattgefunden zwiſchen verſchiedenen Ver⸗ tretern meiner Partei, und man hätte die Ver⸗ handlungen darüber in eine Kommiſſion verwieſen, um dort hinter verſchloſſenen Türen zu beraten. Meine Herren, das ſtimmt ja gar nicht! In Jena hat es ſich um prin ʒipielle Meinungsverſchiedenheiten gehandelt, und dieſe prinzipiellen Meinungsver⸗ ſchiedenheiten ſind in einer Kommiſſion vorberaten worden, die nachher im Plenum in breiteſter Offentlichkeit darüber Bericht erſtattet hat. (Zuruf des Stadtv. Dr. Spiegel.) Herr Kollege Spiegel, ich bin ſehr gern bereit, Ihnen ein Exemplar des Stenogramms des Jenaer Partei⸗ tages zur Verfügung zu ſtellen. Sie werden daraus ſehen, daß ich im Recht bin, und daß es ſich nicht um perſönliche Streitigkeiten gehandelt hat. Auch der Hinweis auf die Vorwärtsangelegenheit iſt nur erfolgt aus einer gewiſſen Stimmunasmacherei heraus. Es iſt nun einmal modern, auf die Vorwärts⸗ affaire bei jeder Gelegenheit anzuſpielen, aber mit der Frage, mit der wir uns beſchäftigen, hat dieſe Angelegenheit gar nichts zu tun. Zunächſt handelt es ſich um ganz interne Angelegenheiten einer poli⸗ tiſchen Partei, und da ſollten doch Mitglieder einer anderen Partei, die ſeit Jahren hinter verſchloſſenen Türen tagt, die alle ihre Verhandlungen hinter ver⸗ ſchloſſenen Türen abhält, nicht einer gegneriſchen Partei einen Vorwurf daraus machen, wenn fie ge⸗ wiſſe Dinge nicht in der breiteſten Offentlichkeit berät. Bei der Vorwärtsaffaire ſpielt die Frage, ob Offent⸗ lichkeit oder Nichtöffentlichkeit, gar keine Rolle. Es handelt ſich vielmehr darum, ob gewiſſe Perſonen zu geheimen Beratungen hinzugezogen werden ſollten oder nicht. Es gibt Angelegenheiten, die eine poli⸗ tiſche Partei ſtets in geheimen Sitzungen erledigt, und das iſt auch ganz in der Ordnung. Wir wären ja Idioten, wenn wir ſolche internen Parteifragen nicht in geheimer Sitzung erledigen wollten! Viel⸗ leicht verlangen Sie von uns, daß wir Ihnen ſchließlich auch noch mitteilen, in welcher Weiſe wir Sie zu vernichten gedenken. (Heiterkeit.) Für ſo töricht werden Sie uns doch nicht halten. Und nun noch ein letztes Wort an Herrn Koll egen Spicgel, der ſich jetzt wieder einmal als Sozialiſten⸗ töter aufſpielt. Großes Geſchick hat er darin nichl. Sie haben höhnend darauf hingewieſen, daß mein Freund Baake vielleicht nicht wieder in das Stadt⸗ parlament einzieht. Da muß ich doch feſtſtellen, daß mein Freund Baake in dem erſten Wahlbezirk von allen Kandidaten die meiſten Stimmen erhalten hat: er hat mehr Stimmen erhalten relativ als jeder