—— 399 —— von den andern Kandidaten, und unſere Stimmen⸗ zahl iſt ganz erheblich geſtiegen. Dann kommt weiter hinzu, daß Sie auf den Stimmenzuwachs, den Sie erhalten haben, nicht ſtolz ſein dürfen. Vergeſſen Sie nicht, daß alle die Manöver, die Sie im Reichs⸗ tag und Landtag verurteilen, wenn ſie von konſer⸗ vativer Seite angewendet werden, von Ihnen ange⸗ wendet ſind, um Stimmen zu bekommen. Sie haben dafür geſorgt, daß die Beamien zur Wahl kommandiert wurden, Sie haben die Magiſtratsbeamten in einem Flugblatt, das Sie in Ihrer Eigenſchaft als Stadt⸗ verordneter unterzeichnet haben, dringend davor ge⸗ warnt, einem Sozialdemokraten die Stimme zu geben. (Sehr richtig!) Glauben Sie doch nicht, daß derartige Flugblätter nicht auch in unſere Hände gelangen. Sie können ſich alſo wirkich mit Ihren Wahlerfolgen nicht brüſten, zumal da dieſe ſogenannten Erfolge — wenn man von Erfolgen reden kann in anbetracht deſſen, was ſich unter dem Namen „Liberale“ zuſammengefunden hat — nur möglich ſind dank dem Dreiklaſſenwahl⸗ Syſtem Hätten wir ein vernünftiges Wanlſyſtem, dann können Sie glauben, daß kaum ein Liberaler noch in dieſem Saale ſitzen würde! Vorſteher Roſenberg: Das Letztere gehörte eigent⸗ lich nicht mehr zur Sache. (Zuruf des Stadtw. Hirſch.) Ich habe Sie auch auereden laſſen, da Herr Stadtv. Dr. Spiegel ebenfalls über denſelben Gegenſtand ge⸗ ſprochen hat; aber Herr Stadtv. Dr. Spiegel hat 5 Minuten und Sie haben 10 Minuten länger darüber geſprochen. (Heiterkeit.) Stadtv. Baake: Ich glaube, der Herr Vorſtehrr wird mir geſtatten, daß ich dem Kollegen Spiegel auf das, was er über mich geſagt hat, auch antworte, aber nur ſo viel, wie Herr Kollege Spiegel ge⸗ ſagt hat. (Zuruf: Wieviel Minuten? — Heiterkeit.) Herr Kollege Spiegel wird ja von liefem Schmerz ergriffen ſein, wenn ich im nächſten Jahre nicht mehr Mitglied der Verſammlung ſein ſollte; er hat ja jetzt ſchon wahre Jammertöne darüber ausgeſtoßen, daß ich vielleicht im erſten Wahlbezirk nicht mehr gewählt werde. Nun hat Herr Kollege Hirſch ſchon darauf hinge⸗ wieſen, wie die Verhältniſſe in dieſem Wahlbezirke wirklich liegen; wir werden ja ſpäter vielleicht auf die Manöver noch näher eingehen können, die bei der ſ Hauptwahl vorgekommen ſind. Ich wollte nur ſagen: falls wirklich der erſten Wahlbezirk nicht mehr von uns gehalten werden ſollte, dann würde ein liberaler Herr an meine Stelle treten, gewählt auch mit den Stimmen der Anhänger des Herrn Dr. Hahn; dann würde Herr Kollege Dr. Spiegel allerdings nicht mich mehr hier erblicken, ſondern einen Herrn, der ſeinen Sitz Wählern verdankt, die an das Blutmärchen und den Ritualmord glauben. (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Vielleicht iſt die liberale Partei bereit, auch über dieſen Punkt mit ſich handeln zu laſſen. Soviel über dieſen Fall. Nun wollte ich mit ein paar Worten dem Herrn Oberbürgermeiſter erwidern. Er ſagt, es handelt ſich lediglich um eine Interpretation. Wenn es ſich bloß darum handelte, wäre ein allgemein gültiger Beſchluß ja überflüſſüg; dann könnte man in jedem Falle den Paſſus der Geſchäftsordnung eben interpretieren. Aber tatſächlich wird ja der Magiſtrat ſelber zu dieſem Falle Stellung nehmen müſſen. Es handelt ſich um eine Anderung der Geſchäftsordnung, die nicht eine Interpretation des urſprünglichen Willens iſt, ſondern die tatſächlich neues Recht ſchafft. Der Herr Oberbürgermeiſter verſichert, daß Ma⸗ wie Stadtverordnetenverſammlung in ihrer Mehrheit immer auf dem Standpunkt geſtanden haben, daß die Verhandlungen über die Wahl unbe⸗ ſoldeter Stadträte in nichtöffentlicher Sitzung ſtatt⸗ zufinden haben. Da wundert es mich aber, daß dieſe Wächter des Geſetzes geſchlafen haben, als es ſich um den andern Fall, um den Fall Ströhler ge⸗ handelt hat! Da iſt alles in breiteſter Offentlichkeit geſchehen. Nun giſtrat hat Herr Kollege Spiegel noch auf den Parteitag in Jena und auf die Vorgänge in der Vorwärts⸗Redaktion angeſpielt. Ich weiß nicht: wir können es eben unſern Gegner niemals recht machen. (Heiterkeit.) Als der Parteitag in Dresden war, — Herr Gott, was hat man darüber geſprochen, welche Menge ſchmutzige Wäſche die Sozialdemokratie in der Offent⸗ lichkeit zu waſchen habe! Nun iſt der Parteitag in Jena in aller Harmonie verlaufen, und ſofort kommt die entgegengeſetzte Behauptung, daß die ſchmutzige Wäſche in nichtöffentticher Sitzung gewaſchen worden iſt! Das iſt aber tatfächlich nicht der Fall. Es handelte ſich in der Kommiſſionsſitzung darum, daß eine prinzipielle Meinungsverſch iedenheit zwiſchen den Blättern ansgetragen werden ſollte; der Bericht über die Kommiſſionsverhandlungen aber iſt in aller Offent⸗ lichkeit erſtattet. Gerade, wie Sie. Ausſchüſſe haben. die unter Ausſchluß der breiten Offentlichkeit tagen, iſt auch da verfahren worden; nachher aber iſt der Bericht in voller Offentlichkeit erſtattet worden; jeder fonnte das Wort nehmen, konnte reden, wenn er das Bedürfnis dazu fühlte, und der Beſchluß iſt gleich⸗ falls in voller Offentlichkeit zuſtande gekommen. Herr Kollege Spiegel verſchiebt alſo, um was es ſich handelt. Und dann, meine Herren, ſelbſt wenn es auch in unſerer Partei hier und da ſchmutzige Wäſche gibt und ſchmutzige Wäſche gewaſchen wird, — wir haben ja noch ganze Schränke voll reiner Wäſche, die ſich ſehen laſſen kann, und ich wünſche jeder Partei, daß ſie in demfelben Beſitze ſolcher Schränke iſt wie wir! (Brarol bei den Sozialdemolraten. — Heiterkeit.) Es handelt ſich nicht darum, als wollten wir die Stadträte, die zur Wahl kommen, an den Pranger tellen. Das iſt von unſerer Seite nie geſchehen. Es handelt ſich aber darum, daß öffentlich z. B. feſt⸗ geſtellt wird, auf welche Weiſe Perſonen zu Stadt⸗ räten vorgeſchlagen werden. Es kann ja der Fall ſein — ich ſpreche nicht von dieſer Stadtverordneten⸗ verſammlung. ſondern von irgendeiner anderen Stadtwerordnetenverſammlung —, daß eine kleine Gruppe einflußreicher Männer ſich zuſammenfindet, die unter ſich die Stadtratepoſten verteilen. Soweit wir prinzipiell an dem vorigen Fall intereſſiert waren, handelt es ſich ja nur darum, daß Sie die Minori⸗ tät von dem Rechte, daß ſie gewohnheitsmäßig hatte, nämlich auch ihrerſeits Stadträte zu präſentieren, ausgeſchloſſen haben. Das war doch das Weſentliche: Sie haben die Minorität ausgeſchloſſen, haben ihr nicht einmal das Recht gegeben, Vorſchläge zu machen, und haben aus Eigenem heraus ſelber die Stadtrats⸗ poſten in Widerſpruch mit der bisherigen Gepflogen⸗ heit beſetzt. Darum handelte es ſich. Und wenn ſolche Fälle ſich wiederholen ſollten — und nach dem engen Bündnis, das hier zu ſtande gekommen iſt, 4