— 400 — nehme ich an, daß ſolche Fälle in Zukunft ſich noch häufiger zeigen werden —, dann hat eben die Offent⸗ lichkeit auch eine Veranlaſſung, zu hören, in welcher Weiſe die Minorität mundtot gemacht wird. Des⸗ wegen wehren wir uns dagegen, daß die Abänderung der Geſchäftsordnung darauf hinausläuft, das Maß der Kritik, das gegenüber ſolchen Vorkommniſſen bis⸗ her öffentlich möglich war, einzuſchränken. Ich ſage Ihnen im Voraus: allzuviel Glück werden Sie mit dieſem Vorgehen nicht haben! (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich ſage Ihnen noch einmal: wir werden uns mit aller Kraft und bei jeder Gelegenheit dagegen wehren, daß die Minorität mundtot gemacht wird, daß die Rechte der Minorität eingeſchränkt werden, daß die Freiheit der öffentlichen Kritik beſchränkt wird. Sie haben von Ihren Erfolgen bei den Wahlen geſprochen, und Herr Kollege Spiegel hat auch auf die Berliner Stadtverordnetenverſammlung hingewieſen, wo der Kommunalfreifinn bereits eine ähnliche Be⸗ ſtimmung hat, wie er ſie hier verteidigt. Vermutlich gelüſtet Ihnen auch nach den Lorbeeren, die dieſer Berliner Kommunalfreiſinn bei den letzten Stadtver⸗ ordnetenwahlen gepflückt hat! Das war eine Nieder⸗ lage, wie ſie der Berliner Kommunalfreifinn bisher noch nicht erlebt hat Und wenn Sie bei den Stich⸗ wahlen wirklich einige Augenblickserfolge haben ſollten, — die Stunde der Abrechnung wird kommen, (Lachen bei den Liberalen) und Sie werden dann auch in dieſem Saale zu⸗ ſammenſchrumpfen! Der Sozialdemokratie, dem arbeitenden Volke gehören mindeſtens die Sitze der dritten Abteilung, und ich bin feſt überzeugt, daß am Tage der Stichwahl die arbeitende Bevölkerung vnt. noch manche harte Nuß zu knacken aufgeben wird. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) (Die Beratung wird geſchloſſen.) Vorſteher Roſenberg: Ich darf, da Bedenken gegen einzelne Punkte des Antrages Hubatſch nicht aufgetaucht ſind, über den Antrag des Herrn Stadtv. Hubatſch gleich im ganzen abſtimmen laſſen. (Die Verſammlung beſchließt mit großer Mehr⸗ heit nach dem abgeänderten Antrage der Stadtv. Dr. Hubatſch und Gen., wie folgt: Abſatz 2 des § 10 der Geſchäftsordnung für die Stadtverordneten⸗Verſammlung wird, wie folgt, geändert: In geheimer Sitzung ſind ſtets zu erledigen: 1. alle perſönlichen Angelegenheiten der Be⸗ amten und Lehrer, namentlich alle An⸗ träge auf Bewilligung von Gehaltszulagen, Gratifitationen und Unterſtützungen für die Gemeindebeamten und Lehrer; die Präſentation zu Anſtellungen; die Wahlen der ſtädtiſchen Ehrenbeamten einſchließlich der Mitglieder der Verwal⸗ tungs⸗Deputationen (Kuratorien pp.); 4. die Verhandlungen über die Wahlen von Magiſtratsmitgliedern; 5. Naturaliſationsgeſuche; 6. die Verhandlungen über An⸗ und Ver⸗ käufe von Grundſtücken, ſofern die Ver⸗ ſammlung in der betreffenden Sitzung nichts anderes beſchließt. Anträge auf e² ve Beratung in öffentlicher Sitzung ſind vor Schluß der öffentlichen Sitzung zu ſtellen und nach Abſatz 1 zu behandeln.) Punkt 5 der Tagesordnung: Vorlage betr. Bereitſtellung von Mitteln zur Zahlung von Witwen⸗ und Waiſengeld⸗ — Druckſache 399. (Die Beratung wird eröffnet und geſchloſſen. Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: 4. Das der Witwe des verſtorbenen Sekretärs Ewald Schmidt zuſtehende Witwen⸗ und Waiſen⸗ geld für die Zeit vom 1. Jannar bis 31. März 1906 im Geſamtbetrage von 180 ℳ iſt dem Dispofitionsfonds Ord. I1— 14—1 für 1905 zu entnehmen.) Punkt 6 der Tagesordnung: Vorlage betr. Verſtärkung der Etatsnummer Ord. 1—13—1 für 1905. Druckſache 400. (Die Beratung wird eröffnet und geſchloſſen. Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Die Etatsnummer Ord. Kap. 1 Abſchn. 13 Nr. 1 für 1905 wird um 2000 ℳ aus dem Dispoſitionsfonds verſtärkt.) Punkt 7 der Tagesordnung: Vorlage betr. Verſtärkung der Etatsnummer Ord. 1V—1—25 für 1905. — Druckſache 401. (Die Beratung wird eröffnet und geſchloſſen. Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Zur Verſtärkung der Mittel beim Ord. Kap. IV Abſchn 1 Nr. 25 für 1905 werden 650 ℳ aus dem Dispoſitionsfonds bewilligt.) Punkt 8 der Tagesordnung: Vorlage betr. Bewilligung eines Beitrages zu der Robert Radecke⸗Stiftung. Druck⸗ ſache 402. Stadtv. Vogel: Meine Herren, namens meiner Freunde ſtelle ich den Antrag, dieſe Magiſtrats⸗ vorlage abzulehnen. Wir ſind der Meinung, daß wir noch viel dringendere Aufgaben haben als die Unterſtützung der Kirchenmuſiker. Wir haben 1901 den Beſchluß gefaßt, ein Aſyl für Obdachloſe zu ſchaffen; es find 4 Jahre her, ſeit dieſer Beſchluß gefaßt iſt; es haben vielleicht Erwägungen ſtattge⸗ funden, es iſt auch eine Summe dafür angeſetzt, aber, ſo viel ich weiß, iſt bisher noch nichts geſchehen, und doch müſſen wir erfahren, daß jeden Winter, einen wie den andern, obdachloſe Menſchen in der Verzweiflung Schaufenſter einſchlagen, bloß um ein Obdach zu bekommen. Ich habe in der vorletzten Sitzung darauf hingewieſen, daß die ſämtlichen Arzte der Säuglingsfürſorgeſtellen es für dringend not⸗ wendig erklären, daß eine Station, und wenn es eine kleine Station wäre, im Krankenhauſe für akut⸗ kranke Säuglinge errichtet werde. Es wird niemand das Bedürfnis dazu beſtreiten können, und es wird auch niemand etwas dagegen haben. Ich könnte noch