—— 415 — Arbeiter, die ihr von den ſtädtiſchen Aſylen über⸗ wieſen worden waren, und die dort Arbeit fanden, die Arbeit aber ſpäter niederlegten, einfach als Arbeitsſcheue dem Strafrichter überweiſen wollte. Gegen dieſe Auffaſſung wurden die allerernſteſten Bedenken erhoben, und ſo hat denn der Ausſchuß in ſeiner erſten Sitzung beſchloſſen, ſich die Sache einmal perſönlich anszuſehen. Dieſe Fayrt — die Kolonie Hoffnungstal liegt ja in der Nähe von Bernau und iſt in kurzer Zeit zu erreichen — ſtand unter den günſtigſten äußeren Bedinaungen, und der Sonnenſchein, der über der Landſchaft lag, hat uns wohl alle recht bewilligungs⸗ freudig gemacht. Aber alle Teilnehmer haben auch Aulaß genommen, ſich über die Verhälmiſſe dort ge⸗ nau zu informieren, und da iſt zunächſt feſtzuſtellen, daß allerdings die Kolonie einen ſehr guten Eindruck macht. Es iſt eine Baracke, die jedem Arbeitsloſen eine einzelne Zelle gewahrt, wohin er ſich eveutuell einmal zurückziehen kann, wo er ein Pult hat, um ſeine Sachen zu verſchließen. Das Eſſen iſt gut und reichlich, wovon wir uns ſeloſt überzeugt haben. Es ſind jetzt einige 40 Leute dort, zum Teil ſeit wenigen Tagen, zum Teil ſchon zwei, drei Monate. Wir naben die Lenie vielfach ausgefragt, und es iſt uns von allen Seiten g ſagt worden, daß ſie zu⸗ frieden find, vor allen Dingen einmal wieder ein Obdach zu naben und ihre Arbeit verwerten zu können. Die A b it iſt ihnen nicht zu ſchwer. Es waren au Be enk n geaußert worden, ob nicht die Arbeir mit Graven und dergl. für gelernte Mechani⸗ ker und andere in feinen Arbeiten ausgebildete Leute, zumal ja auch häufig Kranke und Geſchwächte dieſes Aſyl aufſuchen, zu ſchwer ſei. Wir haben uns da⸗ von überzeugt, daß nicht nur die Arbeit verhältnie⸗ mäßig leicht iſt — veſonders das Rajolen, das dort viel geübt wird, verlangt bei dem leichten Sandboden nicht allzuviel Annrengung —, ſondern daß auch von ſeiten der Leitung der Anſtalt alle mögliche Rückſicht auf die Aſyliſten genommen wird. Die Bedenken, die einzelne von uns gegen die geiſtliche Leiiung hatten, ſind auch zum größten Teile zerſtreut worden, da uns von ſeiten der Lei⸗ tung verſichert und zwar alaubwürdig verſichert wurde, daß irgend ein Zwang für kurchliche Betäti gung nicht geübt wird; die Morgen⸗ und Abend⸗ andacht, die abgehalten wird, hält ſich im weſent⸗ lichen im Rahmen allaemeiner Religioſität. So war im weſentlichen der Ausſchuß der Anſicht, daß wir in dieſer Angelegenheit allerdings auch einen Zuſchuß von ſeiten der Stadt bewilligen können. Störend iſt freilich, daß die ganze Geſchäfts⸗ gebarung, die mit den Bodelſchwinghſchen Anſtalten zuſammenhängt, einen gewiſſen, nicht ganz geſchmack⸗ vollen reklamehaften Charakter trägt. (Stadtv. Dr. v Liszt: Sehr richtig!) Es wird viel zu viel davon erwartet und verſprochen. Wir ſind auch nicht der Anſicht, daß durch die Auf⸗ nahme von 50 oder 100 oder 1000 vagabundierenden Arbeitsloſen die ſoziale Frage in und um Berlin irgendwie gelöſt würde, und müſſen allen ſolchen Hoffnungen entgegentreten. Ich habe erſt heute noch wieder einen vervielfältigten Brief von Herrn von Bodelſchwingh bekommen, wo geredet wird von einem „wunderſchönen Liebesbunde“, in den man eintreten ſollte, und wo verſichert wird, es würde keine dauernde Hilfe nötig ſein, denn „die Hilfe wird die Not bald verſchlingen“. Ja, meine Herren, das ſind denn doch Verſprechungen, die zu demjenigen, was geleiſtet wird und geleiſtet werden kann, in allzu großem Mißverhältnis ſtehen. Man wird ſich ſagen: es wird eine beſtimmte Anzahl von Hilfsbedürftigen und Arbeitsloſen allerdings Unterſtützung und Hilfe bekommen in ihrer ſchweren Not; aber daß dadurch eine weitere Wirkung erreicht würde, iſt ausgeſchloſſen. Trotz alledem hat der Ausſchuß beſchloſſen, da auch die Befürchtungen betr. die Uberweiſung an den Strafrichter durch das in der Vorlage abgedruckte Schreiben beſeitigt ſcheinen, Ihnen die Bewilligung dieſer 3000 ℳ zu empfehlen. Der Ausſchuß hat draußen in Kolonie Hoffnungstal eine Sitzung abgehalten; es hat aber nachher — vor der heutigen Sitzung der Stadtverordnetenverſammlung — noch eine andere Sitzung ſtattgefunden, weil wir nicht ordnungsmäßig zu der Ausſchußſitzung in Hoffnungs⸗ tal eingeladen hatten. Die letzte Ausſchußſitzung hat den neulichen Beſchluß beſtätigt, und ich bitte Sie alſo, die Vorlage anzunehmen. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung beſchließt nach dem Antrage des Aus⸗ ſchuſſes wie folgt: Zur Unterſtützung der zur Bekämpfung des Vagabundentums und der Bettelei in Groß⸗ Berlin geſchaffenen Kolonie Hoffnungstal wird ein einmaliger Beitrag von 3000 ℳ aus dem Dispoſinionsfonds bewilligt). Vorſteher Roſenberg: Punkt 10 der Tages⸗ ordnung: Bericht des Ausſchuſſes über die Vor⸗ lage betr. Erweiterung des Schillertheater⸗ baus. — Druckſachen 430, 441. Berichterſtatter Stadtu. Kaufmann: Meine Herren, die Vorlage betr. die weitere Bewilligung von Mitteln für den Bau unſeres Schillertheaters haben Sie einem Ausſchuſſe überwieſen. Der Ausſchuß hat ſich mit dieſer Angelegenneit befaßt und ſich im weſentlichen auf den Standpunkt geſtellt, den ich in der letzten Sitzung hier zu entwickeln die Ehre hatte. Ich kann es mir deshalb erſparen, auf die Einzelheiten der Vorlage einzugehen und will Ihnen nur generell über die Vorgänge im Ausſchuß berichten. Vorerſt möchte ich Ihnen mitteilen, daß dem Ausſchuß eine Petition des Haus⸗ und Grundbefitzer⸗ vereins von 1895 vorlag, die ſich mit den techniſchen Verbeſſerungen der Bühne, auch mit der archi⸗ tektoniſchen Verbeſſerung des Gebäudes einverſtanden erklärt, dagegen die Stadtverordnetenverſammlung erſucht, die Vorlage zur Errichtung eines Ver⸗ waltungshauſes und eines Volksunterhaltungsſaales abzulehnen. Dieſe Petition ſelbſt hat einen glück⸗ lichen Grundgedanken inſofern, als ſie anregt, daß es für Charlottenburg ſehr wünſchenswert wäre, eine ſtädtiſche Tonhalle zu errichten. Die Herren Petenten ſind aber im Irrtum; eine ſolche Tonhalle würde ſich auf dem fraglichen Gelände, das wir zur Aus⸗ geſtaltung des Schillertheaters verwenden wollen, nicht errichten laſſen, auch nicht mit den geringen Koſten, die hier gefordert werden. Der Gedanke ſelbſt iſt aber freudig zu begrüßen, und die Stadt⸗ gemeinde wird ſich zu irgend einer Zeit auch damit beſchäftigen können. (Stadtv. Dr. von Liszt: Sehr richtig!) Im übrigen aber geht die Petition von falſchen Vorausſetzungen aus, indem ſie betont, es ſei geplant, ein Operntheater in unſerer Stadt zu errichten. Ich