Frageſteller Stadtv. Hirſch: Meine Herren, die Interpellation, die heute auf der Tagesordnung ſteht, iſt von meinen Freunden bereits am 3. Mai dieſes Jahres eingebracht worden. Ich freue mich, daß der Magiſtrat wenigſtens noch vor Ablauf des Jahres ſo gütig iſt, unſere beſcheidene Anfrage zu beant⸗ worten. Zweifellos hat ja — ich habe darauf be⸗ reits bei einer anderen Gelegenheit hingewieſen der Magiſtrat nach unſerer Geſchäftsordnung das Recht, Anfragen aus den Reihen der Stadtverord⸗ neten zu beantworten, wann es ihm paßt. Aber, meine Herren, die Beſtimmung der Geſchäftsordnung, die hier in Frage kommt, muß doch loyal gehand⸗ habt werden. Es geht unmöglich an, daß der Magiſtrat eine Interpellation erſt dann beantwortet, wenn ſie vollkommen veraltet iſt. Was würden z. B. die Herren, die heute eine Interpellation eingereicht haben. die ſich auf den preußiſchen Volksſchulgeſetzentwurf bezieht, ſagen, wenn der Magiſtrat dieſe Interpellation erſt nach Verabſchie⸗ dung des Entwurfes beantworten würde! — Soviel im allgemeinen. Wir haben bereits am 28. Juni dieſes Jahres verſucht, die Angelegenheit zur Sprache zu bringen. Wir haben damals an den Magiſtrat die Anfrage gerichtet, aus welchen Gründen ſich die Beantwor⸗ tung unſerer Interpellation verzögert hat. Der Herr Oberbürgermeiſter erklärte damals: Der Magiſtrat hat die Interpellation der ſtän⸗ digen Deputation überwieſen. Die letztere iſt bei Beſprechung dieſer Sache auch darauf ge⸗ kommen, die Lohnverhältniſſe der Gasanſtalts⸗ arbeiter einer näheren Prüfung zu unterwerfen, und hat zu dieſem Zwecke einen Ausſchuß ein⸗ geſetzt. Der Ausſchuß hat ſeine Arbeiten noch nicht erledigt. Der Magiſtrat hat infolgedeſſen von der Deputation noch keinen Bericht be⸗ kommen und iſt daher noch nicht in der Lage geweſen, der Stadtverordnetenverſammlung auf die Interpellation zu antworten. Sobald der Bericht vorliegen wird, wird der Magiſtrat die Antwort erteilen. Und der Herr Oberbürgermeiſter ſchloß eine ſpätere Rede mit den kennzeichnenden Worten: „Weder die Welt, noch Charlottenburg geht zugrunde, venn wir dieſe Sache ein paar Wochen ſpäter beantworten“. Nun, meine Herren, aus den paar Wochen iſt ein halbes Jahr geworden. Darin hat der Herr Ober⸗ bürgermeiſter vollkommen Recht, daß weder die Welt, noch Charlottenburg in der Zwiſchenzeit zugrunde gegangen iſt. Aber das Eine dürfen wir uns doch nicht verhehlen: an Anſehen hat die Stadt Char⸗ lottenburg, hat der Magiſtrat von Charlottenburg dadurch verloren, daß er die Beantwortung einer ſo ein⸗ fachen Interpellation auf die lange Bank geſchoben bat. Wenn der Herr Oberbürgermeiſter in ſeiner vor⸗ hin zitierten Rede darauf hingewieſen hat, daß auch die Lohnverhältniſſe der Gasanſtaltsarbeiter einer näheren Prüfung unterzogen werden ſollen, ſo haben wir an und für ſich gegen eine Prüfung der Löhne, namentlich wenn damit eine Lohnerhöhung beabſich⸗ tigt wird, abſolut nichts einzuwenden. Aber was in aller Welt hat die Frage der Löhne der Gas⸗ anſtaltsarbeiter mit der Frage zu tun, ob den Ar⸗ beitern das ihnen geſetzlich gewüährleiſtete Koalitionsrecht durch einen Beamten verkümmert werden ſoll?! Man kann doch unmöglich annehmen, daß der Magiſtrat auf dem Standpunkt ſteht, daß die Arbeiter auf ein ihnen zuſtehendes Recht verzichten ſollen, und daß ſie nun gewiſſermaßen als 439..—— Entgelt dafür eine Erhöhung der Löhne bekommen! Anders kann man die Antwort des Herrn Ober⸗ bürgermeiſters kaum auffafſen. Meine Herren, in unſerer Interpellation iſt mit keinem Worte von der Lohnfrage die Rede. Der Magiſtrat wird nach zweierlei Dingen gefragt: erſtens. ob ihm bekannt iſt, daß die Arbeiter der ſtädtiſchen Gasanſtalten durch einen Anſchlag vor dem Beſuch einer öffentlichen Verſammlung zur Beſprechung ihrer Lohnverhältniſſe dringend gewarnt worden ſind, und zweitens. was der Magiſtrat zu tun gedenkt, um derartige Beeinträchtigungen des Verſammlungs⸗ rechts der ſtädtiſchen Arbeiter für die Zukunft zu verhüten. Von Lohnverhältniſſen iſt nur ganz nebenbei die Rede, nur inſofern, als es in dem Anſchlage heißt, daß die Verſammlung einberufen iſt zur Beſprechung der Lohnverhältniſſe. Aber von einer unſererſeits angeſtrebten Erhöhung der Löhne ift nicht die Rede. Und ich meine, darauf hätte der Magiſtrat doch ſehr einfach antworten können; er hätte antworten können: jawohl, es iſt uns bekannt, daß der Betriebsdirektor einen ſolchen Anſchlag hat verbreiten laſſen —, und er hätte ferner ſagen können: wir ſind damit einverſtanden, daß in Char⸗ lottenburg den ſtädtiſchen Arbeitern das Koalitions⸗ recht genommen wird — oder aber: wir tadeln es, daß ein Beamter ſich derartiges herausnimmt. Nun, es ſcheint dem Magiſtrat nicht bekannt zu ſein, um was es ſich bei der ganzen Angelegenheit handelt. Ich möchte mir deshalb erlauben, den An⸗ ſchlag, der der Interpellation zugrunde liegt, zu verlefen. Ich bemerke im voraus, daß der Anſchlag mir nicht ganz genau wiedergegeben iſt: es fehlt darin ein Satz. un) zwar, das kann ich gleich hin⸗ zufügen, ein Satz, der dem Sinne nach ſo lautet, daß die Direktion ſtets bereit iſt, berechtigten Wün⸗ ſchen der Arbeiter entgegenzukommen. Das ändert aber an dem übrigen weſentlichen Inhalt des An⸗ ſchlages, worauf 5 hierbei ankommt, abſolut nichts. (Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Die Hauptſache iſt weggelaſſen!) — Herr Oberbürgermeiſter, was Sie für die Haupt⸗ ſache halten, halte ich für ſehr nebenſächlich. (Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Natürlich!) Wahrſcheinlich werden Sie umgekehrt der Meinung ſein, daß das, was ich für die Hauptſache halte, in Ihren Augen nebenſächlich iſt. Darüber werden wir uns ſchwerlich verſtändigen. — Alſo der am 19. April erſchienene Anſchlag lautet ſo, wie er mir zugegangen iſt, folgendermaßen: Geſtern Abend ſind an die Arbeiter der Städtiſchen Gasanſtalten gedruckte Einladungen zu einer Verſammlung verteilt worden, in welcher außer anderen Gegenſtänden die Ver⸗ hältniſſe der ſtädtiſchen Gasarbeiter beſprochen werden ſollen. Bisher hat der Direktor durch den Arbeiterausſchuß, deſſen Tätigkeit dem Einberufer und Referenten bekannt ſein dürfte, ſtets Fühlung mit den Arbeitern unterhalten, deren Wünſche entgegengenommen, ohne daß ſich Dritte zwiſchen Arbeiter und Direknion einge⸗ drängt haben; es iſt wünſchenswert, und liegt im gegenſeitigen Intereſſe, daß auch dieſes in Zukunft beſtehen bleibt. Ich möchte daher den Gasanſtaltsarbeitern den dringenden Rat geben, ſich von Beſtrebungen fern zu halten, die ohne Rückſicht auf das Wohl und Wehe der Arbeiter ſelbſtſüchtige Zwecke verfolgen und Zwietracht zwiſchen Arbeiterſchaft und Direktion ſäen wollen. (Sehr gut!)