Meine Herren, es fehlt, wie geſagt, ein Zwiſchenſatz, den der Herr Oberbürgermeiſter, wie er eben durch Zuruf kundgab, für die Hauptſache hält, ein Satz, daß die Direktion ſtets bereit iſt, den berechtigten Wünſchen der Arbeiter enigegenzukommen. Ich glaube, der Herr Oberbürgermeiſter hat durch ſeinen Zwiſchenruf der Sache einen fehr ſchlechten Dienſt erwieſen; er hat dadurch indirekt beſtätigt, daß, wenn nur die Dircktion den berechtigten Wünſchen der Arbeiter entgegenkommt, ſie gar keine Verſammlung abzuhalten brauchen. Er hat ſich alſo durch dieſen Zwiſchenruf, wenn auch indirekt, als ein Gegner des freien Vereins⸗ und Koalitionsrechts bezeichnet. Meine Herren, ich übergehe es zunächſt, auf die Behauptung des Anſchlages zu antworten, daß ſich Dritte zwiſchen Arbeiter und Direktion eingedrängt haben. Wir können ja ganz offen ſagen: Der Dritte, um den es ſich hier handelt, iſt einer unſerer Herren Kollegen, noch dazu ein Mitglied der ſtädtiſchen Gasanſtallsdeputation, es iſt der Kollege Dr. Borchardt. Ich finde keinen parlamentariſchen Ausdruck dafür, daß ein Betriebs irektor ſich herausnimmt, gegen Mitglieder der Stadtverordnetenverſammlung. gegen Mitglieder einer Deputation in dieſer Weiſe vorzu⸗ gehen, — daß er ſich herausnimmt, in dieſer Weiſe über Stadtverordnete ſich zu äußern. (Lachen am Magiſtratstiſch.) Meine Herren, es iſt unwahr, daß der Stadtver⸗ ordnete Dr. Borchardt ſich zwiſchen die Arbeiter und die Direktion eingedrängt hat. (Unruhe am Maaiſtratstiſch.) Dieſe Behauptung des Anſchlages iſt eine poſitive Unwahrheit! Herr Dr. Borchardt hat ſich nicht zwiſchen die Arbeiter der Gasanſtalt und die Direl⸗ tion eingedrängt, ſondern die Arbeiter haben ſich an ihn gewandt, und zwar haben ſie ſich an ihn gewandt, weil alle ihre Wünſche, die ſie ſeit Jahren vorgebracht haben, unberückſichtigt geblieben ſind. Ich ſelbſt weiß aus meiner eigenen Tätigkeit — das iſt ja auch den Herren vom Magiſtrat be⸗ kannt —, daß die ſtädtiſchen Arbeiter, insoeſondere die Gasanſtaltsarbeiter, ſich ſeit langen Jahren ſtets, wenn ſie irgendwelche Wünſche haben, an uns wen⸗ den. Es wird darauf vingewieſen, daß die ſtädtiſchen Gasanſtallsarbeiter ſich an den Ausſchuß wenden fönnen. Uns wird immer vom Magiſtrat geſagt, die ſtädtiſchen Gasanſtaltsarbeiter haben ja einen Arbeiterausſchuß, dem ſie ihre Wünſche vortragen können. Nun, meine Herren, wir haben es oft ge⸗ nug hier in der Verſammlung betont, daß dieſer Arbeiterausſchuß nichts iſt als ein Dekorationsſtück. Er iſt ſeinerzeit eingeſetz: worden, um die Gärung unter den Arbeitern zu beſeitigen; aber mit einem wirk⸗ lichen Arbeiterausſchuß hat er abſolut nichts zu tun, er iſt höchſtens dem Namen nach ein Arbeiteraus⸗ ſchuß. Vor allen Dingen fehlt in den Satzungen eine der wichtigſten Beſtimmungen; es fehlt die Be⸗ ſtimmung, daß es den Arteitern erlaubt iſt, ſich über Vorgeſetzte bei dem Arbeiterausſchuß zu beſchweren. Und die Klagen der Arbeiter richteten ſich zum großen Teil gegen Vorgeſetzte. Sie hatten alſo gar nicht die Möglichkeit, ihre Beſchwerden irgendwie beim Ausſchuß anzubringen, ſie mußten ſich in die Offent⸗ lichkeit flüchten. Wenn weiter in dem Anſchlage geſagt iſt, die Arbeiter ſollten ſich von Beſtrebungen fern halten, die ohne Rückſicht auf das Wohl und Wehe der Ar⸗ beiter ſelbſtſüchtige Zwecke verfolgen, ſo muß ich eine ſolche Inſinuation gegen meine Freunde oder gegen einen meiner Freunde auf das allerentſchiedenſte zu⸗ 431 rückweiſen. Niedrige Motive liegen keinem von uns bei ſeinen Handlungen zugrunde, und ich muß auch hier wieder ſagen, daß es eine Anmaßung ohne gleichen iſt, wenn ein Betriebsdirektor ſich erlaubt, in dieſer Weiſe über Stadtverordnete zu ſprechen. Ich habe bereits geſagt, wie die Sache lag; ich habe darauf hingewieſen, daß die Arbeiter ſich an einen Stadtverordneten gewandt und ihn gebeten haben, für ſie einzutreten. Das iſt ihr gutes Recht, und ebenſo iſt es ihr gutes Recht, ſich zu koalieren und in öffentlichen Verſammlungen ihre Lage zu be⸗ ſprechen. Nun wird mir ja zweifellos vom Magiſtrat eingewendet werden: ja, was wollt ihr denn, es handelt ſich doch um gar keinen Eingriff in das Koalitionsrecht; den Arbeitern iſt ja nur der drin⸗ gende Rat gegeben worden, ſich von dieſer Verſamm⸗ lung fern zu halten. Ja, meine Herren, ſo töricht wird natürlich kein Vorgeſetzter ſein, daß er einen Anſchlag erläßt, worin es heißt, daß alle diejenigen Arbeiter, die es wagen ſollten, in eine Verſammlung zu gehen, am nächſten Tage entlaſſen werden. Es genügt vollkommen, wenn darin ſteht, den Arbeitern wird der dringende Rat gegeben, an einer Verſamm⸗ lung ſich nicht zu beteiligen. Bei der Abhängigkeit, in der unſere Arbeiter leben, iſt das ein Verſuch, das ihnen geſetzlich gewährleiſtete Koalitionsrecht zu be⸗ einträchtigen, und gegen dieſen Verſuch müſſen wir auf das allerentſchiedenſte proteſtieren. Gerade der Charlottenburger Magiſtrat ſollte doch aus der Ge⸗ ſchichte gelernt haben, er ſollte wiſſen, wohin es führt, wenn die Arveiter nicht die Möglichkeit haben, in irgend einer Form ihre Wünſche und Beſchwerden vorzutragen. Ich erinnere Sie an den Streik vor ſechs Jahren: der wäre nie und nimmer ausge⸗ brochen, wenn damals irgend eine Körperſchaft be⸗ ſtanden hätte, bei der die ſtädtiſchen Arbeiter ihre Wünſche hätten vorbringen können. Wenn damals die ſtädtiſchen Arbeiter in öffentlichen Verſammlungen zuſammengetreten wären, um über ihre Lage zu be⸗ raten, dann hätte der Magiſtrat, der damals in keiner Weiſe informiert war, gewußt, welches die Beſchwerden der Arbeiter find, dann hätte er beizeiten verhindern können, daß ein Streik ausbrach. Meine Herren, auch das Beſtreben derjenigen meiner Freunde, die in dieſer Verſammlung geweſen ſind, iſt dahin gegangen, zu verhüten, daß wieder ein neuer Streik unter den Gasanſtaltsarbeitern aus⸗ bricht. Der Magiſtrat follte uns dankbar dafür ſein, daß wir uns der Arbeiter annehmen; er ſollte es aber nicht dulden, daß in ſolcher Weiſe Stadtver⸗ ordnete durch untergeordnete Beamte förmlich be⸗ ſchimpft werden. Meine Herren, wir verlangen vom Magiſtrat, daß er klipp und klar erklärt, daß er das Vorgehen des Betriebsdirektors mißbilligt und in Zukunft ein ähnliches Vorgehen verhindert. Wir zweifeln nicht daran, daß die übrigen Parteien dieſes Hauſes, ſo ſehr ſie auch ſonſt in ihren Anſchauungen von uns abweichen, ſich doch eins mit uns darin wiſſen, daß auch der leiſeſte Verſuch einer Beeinträchtigung des Koalitionsrechts — und um einen ſolchen handelt es delt es ſich — (Stadtv. Freund: Nicht!) uc. ſchärfſte von uns allen verurteilt werden muß. Stadtrat Caſſirer: Meine Herren, trotz der ſehr eingehenden und ausführlichen Begründung des Herrn Stadtv. Hirſch werde ich mich kurz faſſen