(Die Verſammlung nimmt unter Ablehnung des Zuſatzantrages des Stadtv. Vogel von der Dienſt⸗ anweiſung für die Arzte der Säuglingsfürſorgeſtellen Kenntnis und beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Zur weiteren Fortführung des Betriebes der 4 Säuglingsfürſorgeſtellen werden für das laufende Jahr 6900 ℳ aus laufenden Mitteln bewilligt.) Herr Stadtv. Dr. Borchardt bittet entgegen unſerer vorherigen Feſtſtellung, auch noch den Punkt 10 der Tagesordnung mit heranzunehmen. Er hat mir erklärt, allerdings in unverbindlicher Weiſe, er wolle ſich ſehr kurz faſſen. (Heiterkeit.) Ich glaube, wir können ſeinem Wunſche nachkommen. Punkt 10 der Tagesordnung: Antrag der Stadtv. Dr. Borchardt und Gen. betr. ſtädtiſchen Grundbeſitz. — Druckſache 464. Der Antrag lautet: Die Unterzeichneten beantragen, zu beſchließen: Die Stadtverordnetenverſammlung erſucht den Magiſtrat, mit ihr in gemiſchter Deputation zu beraten, auf welche Weiſe das Terrain, welches die Stadt durch Kauf eines Teiles der Jungfernheide, ſowie zur Ermöglichung des Bismarckſtraßen⸗Projektes vom Fiskus erworben hat, gänzlich oder doch zu einem Teile für die Stadt nutzbar gemacht werden kann, ohne daß es durch Verkauf aus ſtädtiſchem in privaten Beſitz übergeht. Charlottenburg, den 6. Dezember 1905. Dr. B. Borchardt, Paſche, Scharnberg, Jander, Dörre. Stadtu. Dr. Borchardt: In der Tat glaube ich. mich bei dieſem Antrag ſehr kurz faſſen zu können, weil ja der Antrag in keiner Weiſe bereits beſtimmte Maßregeln empfiehlt, auf welche durch ſeine An⸗ nahme die Verſammlung oder diejenigen Kollegen, die für ihn ſtimmen, ſich feſtlegen würden. Der Antrag fordert ja eigentlich nur das Anerkenntnis, daß es ſich hier um eine außerordentlich wichtige Frage handelt, und ich glaube, meine Herren, auf allen Seiten des Hauſes hier Entgegenkommen zu finden. Ich glaube, daß auf allen Seiten dieſes Hauſes anerkannt wird, daß es in der Tat eine außerordentlich ernſte Frage für alle wachſenden Großſtädte iſ — alſo auch für ein Gemeinweſen, wie das unſerige — ſich mit der Frage zu beſchäf⸗ tigen, ob weite Ländereien, die die Stadtgemeinde beſitzt, in Privatbeſitz übergehen ſollen, oder ob ver⸗ ſucht werden ſoll, mit Ausſicht auf Erfolg verſucht werden kann, große Teile des Gebietes, welches der Stadt gehört, nutzbar zu machen für die Stadt ſelbſt. Ich ſche ganz ab von einem Hinweis auf die Wohnungspolitik der Gemeinde, die dadurch über⸗ haupt erſt fruchtbar ermöglicht werden kann, wenn die Gemeinde im Beſitze von Terrains iſt, ſondern ich halte für genau ebenſo wichtig die Frage, ob man verſuchen ſoll, diejenigen Erträge, die in der ſteigenden Rente des Grund und Bodens in die Er⸗ ſcheinung treten, dem Gemeinweſen ſelbſt zuzuführen. Das kann ja allerdings auch geſchehen bei dem Grund und Boden, der der Gemeinde nicht gehört, durch eine Umſatzſteuer, durch eine Wertzuwachsſteuer, durch verſchiedene andere Maßnahmen, die man in 436 Erwägung ziehen könnte. Aber es könnte doch vor allen Dingen geſchehen bei dem Grund und Boden, der der Gemeinde ſelbſt eigentümlich gehört, und zwar auch wiederum auf ſehr verſchiedenem Wege: einmal durch unmittelbare Bewirtſchaftung durch die Gemeinde — ein Weg, der, ſoweit ich unterrichtet bin, von der Mehrheit dieſer Verſammlung vermut⸗ lich abgelehnt würde. Aber auch abgeſehen von der unmittelbaren Bewirtſchaftung durch die Gemeinde, von der unmittelbaren Bebauung und Verwaltung von Häuſern auf ſtädtiſchem Boden laſſen ſich ja doch eine Reihe von Maßnahmen denken, durch welche eine Bebauung zwar vorgenommen wird nicht von Gemeinde wegen, aber doch unter Bedingungen, daß die ſteigende Rente ſchließlich der Gemeinde ganz oder zum großen Teile zugute kommt. Ich meine, gerade unſere Gemeinde Charlottenburg hat allen Anlaß, darauf Bedacht zu ſein, auf dieſe Weiſe Einnahmequellen ſich zu erſchließen. Charlottenburg gilt zwar als eine der reichſten Städte der Monarchie und iſt es auch zweifellos; aber das Einkommen, das Charlottenburg hat, iſt doch zu einem nicht un⸗ erheblichen Teile ein Steuereinkommen ſeitens der begüterten Kreiſe der Bevölkerung. Bei ſolcher Lage der Dinge, meine Herren, iſt es ganz unerläßlich, ganz unausbleiblich, daß eine Reihe ſozialer Auf⸗ gaben, welche die Gemeinde zu erfüllen hat, zeit⸗ weiſe in den Hintergrund treten einfach aus Mangel an Geld. Bei ſolcher Lage der Dinge hat die Ge⸗ meinde wohl allen Anlaß, ſich zu fragen, ob nicht Mittel und Wege gefunden werden können, aus der ſteigenden Rente des Grund und Bodens, der gegen⸗ wärtig im Beſitze der Stadt iſt, ſich für ſpäter Ein⸗ nahmequellen zu erſchließen. Da nun in dem Antrag lediglich anerkannt wird, daß dieſe Frage einer Erörterung wert iſt, glaube ich, meine Herren, daß Sie dem Antrage bei⸗ treten können, ohne ſich in der einen oder andern Weiſe für irgend eine beſtimmte Maßnahme dadurch zu binden. Stadtv. Kaufmann: Die Schlußworte des Herrn Antragſtellers erleichtern mir die Kürze meiner Ent⸗ gegnung. Wir — meine Freunde und ich — ſind gern bereit, in eine Beratung in gemiſchter Deputa⸗ tion einzutreten. Ich möchte aber, da die Begrün⸗ dung des Herrn Antragſtellers nicht in allen Punkten mit der meinigen übereinſtimmt, mich durch eine ſtillſchweigende Zuſtimmung durch ſeine Gründe nicht in irgend einer Weiſe vinkuliert erachten. Stadtv. Dr. Hubatſch: Ich wollte eine ähnliche Erklärung abgeben wie Herr Kollege Kaufmann. Auch wir ſind ſehr gern bereit, in dieſer Frage mit⸗ zuwirken, und wir halten auch dieſe Frage für ſo außerordenltich wichtig, daß ſie in der Tat einer eingehenden Beratung bedarf. Wir werden alſo auch für den Antrag ſtimmen, durch den die Beratung in einer gemiſchten Deputation mit dem Magiſtrat ge⸗ wünſcht wird. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung ſtimmt dem Antrage des Stadtv. Dr. Borchardt zu.) Vorſteher Roſenberg: Punkt 16 der Tages⸗ ordnung. Vorlage betr. Prüfung der Gültigkeit der Stadtverordnetenwahlen und erichter⸗ ſtattung des Ausſchuſſes. Druckſache 469.