Berichterſtatter Stadtv. Dr. Hubatſch: Meine Herren, ich habe im Namen des Ausſchuſſes über die Prüfung der Stadtverordnetenwahlen Bericht zu erſtatten. Der Ausſchuß empfiehlt, die Gültigkeit ſämtlicher 29 Wahlen der Stadtverordneten, die hier vom Magiſtrat mitgeteilt ſind, zu beſchließen. Der Ausſchuß empfiehlt ferner, über den eingegangenen Proteft, der in der Vorlage abgedruckt iſt, zur Tages⸗ ordnung überzugehen. Es wird wohl wünſchenswert ſein, daß ich die Gründe kurz zuſammenſtelle, die den Ausſchuß veranlaßt haben, den letzteren Beſchluß zu empfehlen. Der Wahlproteſt ſtützt ſich auf zwei Punkte: erſtens, daß 1 Stadtverordnete einen Wahlaufruf mit unterſchrieben haben, der an die Magiſtrats⸗ beamten Charlottenburgs gerichtet iſt, und zweitens, daß Poſt⸗ und Eiſenbahnbeamte durch Vorgeſetzte aufgefordert ſeien, zur Wahl zu gehen. Der Proteſt erkennt in dieſem Vorgehen eine unbefugte Wahl⸗ beeinfluſſung. Der Ausſchuß iſt, wie geſagt, nicht zu dieſem Ergebnis gekommen. Der Ausſchuß war zunächſt der Meinung, daß es keinem Stadtverordneten verwehrt werden könne, ſeinen Einfluß zur Herbeiführung einer ihm genehmen Wahl einzuſetzen, wenn er nur die Grenzen des Er⸗ laubten dabei inne hält, und der Ausſchuß war der Meinung, daß dieſe Grenzen hier nicht überſchritten ſind. Unerlaubt wäre es zum Beiſpiel geweſen, wenn die betreffenden 10 Stadtverordneten die Ma⸗ giſtratsbeamten als ihre Untergebenen betrachtet hätten, von denen ſie Gehorſam zu erwarten hätten. Das iſt aber keineswegs der Fall geweſen. Die Stadtverordneten haben recht gut gewußt, daß ſie nicht im Verhältnis von Vorgeſetzten zu dieſen Be⸗ amten ſtehen. Die Stadtverordneten haben über⸗ haupt keinen Beamtencharakter und können deshalb auch niemals in der Eigenſchaft als Vorgeſetzte auf⸗ treten wollen. Unſtatthaft wäre es ferner geweſen, wenn in dieſem Wahlaufruf irgendwie ein Verſprechen gemacht worden wäre, eine Belohnung in Ausſicht geſtellt worden wäre für die Teilnahme oder eine Drohung ausgedrückt wäre, was den Beamten ge⸗ ſchehen könnte, wenn ſie ſich nicht an der Wahl be⸗ teiligten. Das iſt alles nicht der Fall. Es iſt eben nur die Aufforderung an die Beamten gerichtet worden, und es iſt nur hingewieſen auf die Folgen, die bei der Stimmenenthaltung eintreten können nichts weiter. Darin hat der Ausſchuß keine Wahl⸗ beeinfluſſung unſtatthafter Art erblickt. Mit dem zweiten Punkt liegt es ungefähr ebenſo. Es ſollen Vorgeſetzte von Poſt⸗ und Bahn⸗ beamten dieſe aufgefordert haben, zur Wahl zu gehen. Der Erheber des Proteſtes hat, was die Bahnbeamten betrifft, dem Ausſchuß kein recht greif⸗ bares Material liefern können; er hat nur, die Poſtbeamten betreffend, eine beſtimmte Tatſache her⸗ vorgehoben und hervorheben können, nämlich daß in dem Poſtamt 2 in der Goetheſtraße den verſammelten Briefträgern von einem Vorgeſetzten geſagt worden ſei, ſie möchten, wenn ſie dienſtfrei wären, zur Wahl gehen. Ich bitte zu beachten: es iſt nicht etwa ge⸗ ſagt worden: wenn ſie zur Wahl gingen, ſollten ſie dienſtfrei ſein, ſondern umgekehrt: wenn ſie keinen Dienſt hätten, ſollten ſie doch zur Wahl gehen; nichts weiter! Es iſt dies nicht in Form eines Be⸗ fehls etwa, dem man Gehorſam ſchuldig wäre, geſagt worden. Das iſt doch ſelbſtverſtändlich; denn Stadt⸗ verordnetenwahlen gehören nicht in den Poſtbetrieb, die Teilnahme an dieſen Wahlen kann von keinem Poſtbeamten angeordnet werden. Es iſt auch hier kein Zuſatz gemacht worden, der irgend ein Ver⸗ ſprechen enthält; es iſt nicht einmal denen, die zur Wahl gingen, in Ausſicht geſtellt worden, daß ſie eine Stunde dienſtfrei ſein ſollten; es iſt auch keine Drohung ausgeſprochen worden, ſondern nichts weiter als die bloße Mahnung, ſie ſollten doch ihrer Bürger⸗ pflicht genügen, und den Briefträgern und den andern Unterbeamten, die noch in Betracht kommen, iſt all⸗ gemein Freiheit gelaſſen worden, ob ſie gehen wollten oder nicht. Sie haben auch tatſächlich von dieſer Freiheit ausgiebigen Gebrauch gemacht: eine ganze Menge ſind zur Wahl gekommen, eine ganze Menge ſind weggeblieben. Von einem Zwang, einem Druck kann auch hier keine Rede ſein. Da alſo auch hier keine unſtatthafte Beeinfluſſung vorlag, ſo empfiehlt der Ausſchuß, über den Proteſt zur Tagesordnung überzugehen und die ſämtlichen Wahlen zu genehmigen. Stadtv. Stein. Meine Herren, dieſer Punkt gibt die Gelegenheit, über die Wahlen zu ſprechen. Wir haben viel Unbequemlichkeit bei den Wahlen gehabt — wir, d. h. die Vorſteher bei den ver⸗ ſchiedenen Wahlhandlungen. Ich bin ſeit 15 Jahren bei jeglichen Wahlen in Charlottenburg, ſeien es ſtädtiſche, Landtags⸗ oder Reichstagswahlen, tätig geweſen; aber noch nie haben wir ſolche Unbequem⸗ lichkeiten gehabt wie diesmal. Es mag ein Zufall ſein. Es ſind aber ein paar Sachen, die ich dem Magiſtrat zur Erwägung geben möchte, damit er darüber nachdenkt, wo eine Anderung zu treffen ſei. Es handelt ſich um den Vorſitzenden des Vor⸗ ſtandes. Nach der Städteordnung ernennt der Ober⸗ bürgermeiſter den Vorſitzenden und den Stellver⸗ treter des Wahlvorſtandes. Damit hat es aber diesmal ſehr gehapert. An mir ſelbſt habe ich das erfahren. Ich war zuerſt als Stellvertreter ernannt; dann bekomme ich auf einmal ein Schreiben: Du biſt Wahlvorſteher. Der dann ernannte Stellver⸗ vertreter war ein Herr, der ſchon ſeit Wochen aus Charlottenburg fortgezogen war; er iſt nachher noch in das Wahllokal gekommen, obgleich er es garnicht nötig hatte. Der Herr Bürgermeiſter war ſo freund⸗ lich, dafür zu ſorgen, daß noch ein anderer als mein Stellvertreter ernannt würde. Dieſer Herr hatte ein offenes Geſchäft, er könnte ſchwer abkommen. Ich ſagte ihm: „Kommen Sie wenigſtens hin, wenn ich Mittag eſſen will.“ Das tat er. Aber bei anderen Wahlabteilungen iſt das nicht möglich geweſen; dort hat der Vorſitzende des Wahlvorſtandes einfach die ganze Zeit da ſitzen müſſen von 9 Uhr bis Abends ſpät. Das iſt doch ſehr ſchwierig. Es kann dabei vorkommen, daß die Wahl einfach ungültig wird: denn es kann doch paſſieren, daß man im Laufe von zwölf Stunden einmal vom Tiſche auf⸗ ſtehen muß — das kommt in den beſten Familien vor. (Heiterkeit.) Das iſt eine böſe Sache. Ich möchte den Magiſtrat bitten, ſich zu überlegen, ob es möglich wäre, hier eine Anderung zu ſchaffen. So gut, wie verſchiedene Zählabteilungen in einer Wahlabteilung ſind, ſo iſt es vielleicht auch möglich, zwei Stellvertreter für den Vorſitzenden zu ernennen. Das wollte ich dem Ma⸗ giſtrat gern empfehlen zu bedenken. Ich bin nicht allein in dieſer Lage geweſen, meine Herren; mich haben ſehr viele von den Wahlvorſtehern gebeten, die Sache hier zur Sprache zu bringen. Eine zweite Sache iſt folgende. Der betreffende Beamte, der uns vom Magiſtrat als Protokollführer zur Hilfe geſchickt wurde, war nämlich nicht immer recht qualiftziert dazu. Die Leute hatten ja den