—— 438 beſten Willen; aber wenn einer das erſte Mal als Protokollführer zur Wahl kommt, ſo iſt die Sache nicht ganz leicht für ihn. Ich kann hierbei dem Magiſtrat keinen Vorwurf machen das liegt mir ferr —: denn eigentlich iſt der Wahlvorſteher ver⸗ pflichtet, ſelbſt den Protokollführer aus den Beiſitzern zu ernennen. In Berlin, glaube ich, geſchieht das auch ſo. Wenn aber der Magiſtrat uns einen Pro⸗ tokollführer ſchickt, ſo möchte ich bitten, daß bei den nächſten Wahlen vielleicht ein Stadtrat, der ſchon viel bei den Wahlen dabei geweſen iſt, oder der Herr Vorſteher des Statiſtiſchen Bureaus vorher die betreffen⸗ den Beamten inſtruiert, worauf ſie zu achten haben. Dieſe beiden Sachen möchte ich im Namen vieler, die als Wahlvorſteher fungierten, dem Ma⸗ giſtrat zur Beachtung empfehlen. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, es iſt ohne weiteres anzuerkennen, daß die Herren, die ſich im Ehrenamte dieſem Geſchäfte unterziehen, ein außer⸗ ordentlich ſchwieriges Amt auf ſich nehmen. Ind ich glaube, der Magiſtrat hat ſich dieſer Erkenntnis nie entzogen und iſt den Herren, die ſich dazu bereit er⸗ klärt haben, ſteis zu Dank verpflichtet. Infolgedeſſen wird er auch ſo weit wie möglich allen Wünſchen der⸗ jenigen, die ſich an den Wahlvorſtänden beteiligt haben, gern entgegenkommen. Das Beiſpiel, daß der Herr Stadtv. Stein hin⸗ ſichtlich ſeiner eigenen Perſon angeführt hat, beruht lediglich auf dem Umſtande, daß ſein Stellvertreter verzogen war und infolgedeſſen zunächſt garnicht geantwortet hatte; im letzten Augenblick hieß es: ja der wohnt jetzt garnicht in Charlottenburg, und es mußte noch im ietzten Augenblick, ich möchte ſagen Hals über Kopf, ein Vertreter beſorgt werden. Wenn Sie ſich nun klar machen, daß bei dem Wahlgeſchäft ſchon 300 Perſonen ehrenamtlich feſtgelegt waren, ſo werden Sie einſehen, daß es außerordentlich ſchwierig iſt, in den letzten 24 Stunden noch einen geeigneten Stellvertreter zu find en, und wenn in der Auswahl, die getroffen wurde, das zu Tage getreten iſt, was Herr Stadtv. Stein beklagt hat, ſo iſt das ſehr be⸗ dauerlich; aber Herr Stadtv. Stein, glaube ich, wird zugeben, daß er einen Vorwurf daraus dem Magiſtrat nicht wird machen können. Was den zweiten Punkt anbetrifft, ſo hat Herr Stadtv. Stein ſelbſt ſchon zugegeben, daß der Magiſtrat in der Abordnung von Protokollführern geglanbt hat den Wahlvorſtänden entgegenzukommen. Denn eigent⸗ lich hat der Wahlvorſteher den Protokollführer zu beſorgen. Auch hier wird, wenn ſich in dem einen oder andern Falle die Unzulänglichkeit des gewählten Protokollführers herausgeſtellt hat, Abhilfe geſchaffen werden müſſen. Aber auch hier möchte ich bitten zu berückſichtigen, daß wir ſelbſtwerſtändlich an dem Wahltage im übrigen nicht unſere Bureaus zumachen können; die Geſchäfte des Magiſtrats müſſen weiter geführt werden; es können immer nur gelegentlich mal Beamte disponibel gemacht werden, und teilweiſe müſſen Hilfskräfte herangezogen werden. Es wird verfucht werden, im Wege der Inſtruktion vorher die Protorollführer auf ihre Anfgaben hinzuweiſen; aber hin und wieder wird ein Übelſtand, wie Herr Stadww. Stein ihn vorgetragen hat, doch wohl nicht zu ver⸗ meiden ſein. Stadtv. Hirſch: Meine Herren, ich ſtelle namens meiner Freunde den Antrag, die Wahlen der Herren Callam, Bollmann, Dr. Rothholz, Wöllmer und Jolenberg für ungültig zu erklären. Auf die Gründe, die mich dazu bewegen, hat bereits der Herr Bericht⸗ erſtatter hingewieſen, als er über die Verhandlungen im Wahlprüfungsausſchuß berichtete. Es ſind tat⸗ ſächlich bei den letzten Wahlen, insbeſondere bei den Stichwahlen in der dritten Abteilung, Wahlbeein⸗ fluſſungen vorgekommen, wie ſie bisher in Charlotten⸗ burg nicht üblich geweſen ſind, Wahlbeeinfluſſungen, die lebhaft an die Wahlbeeinfluſſungen unter dem Miniſterium Puttkamer erinnern. Dagegen läßi ſich ja an und für ſich nichts einwenden, daß die verſchiedenen Parteien eine lebhafte Agitation ent⸗ falten. Was aber zu verlangen iſt, iſt, daß die Agitation mit lauteren Mitteln betrieben wird. und daß die Wahlen ſelbſt in einer Weiſe vor ſich gehen, daß dabei der freie Wille der Wähler zum Ausdruck kommt. Das iſt aber bei den Stichwahlen in der dritten Abteilung nicht der Fall geweſen. Zunächſt ſind ſämtliche Beamten, die in irgend einer abhängigen Stellung ſind, mobil gemacht worden — natürlich nicht, um einfach ihr Wahlrecht ſo aus⸗ zuüben, wie ſie es für richtig halten, ſondern um für die Gegner der Sozialdemokratie zu ſtimmen. Ich habe bereits im Ausſchuß erklärt, daß ich die Namen derjenigen Beamten, die mir ſelbſt Mitteilungen von Wahlbeeinfluſſungen ihrer Vorgeſetzten gemacht haben, ſelbſtverſtändlich nicht nennen werde; ich kann ſie nicht nennen, da ich die Beamten dadurch ins Unglück ſtürzen würde. Ich möchte nur einige ganz allgemeine Beiſpiele anführen ohne Nennung von Namen. Es iſt Tatſache, daß im Poſtamt 2 in der Goetheſtraße den Briefträgern am Stichwahltage ge⸗ ſagt iſt, ſie ſollten von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Nun meint der Herr Berichterſtatter und mit ihm der Wahlprüfungsausſchuß, die Beamten ſind ja nur daran erinnert worden, daß ſie von ihrem ſtaatsbürgerlichen Rechte Gebrauch machen können. Ja, meine Herren, ſo liegt die Sache denn doch nicht. Bei den Stadtverordnetenwahlen iſt bekanntlich die offene Stimmabgabe vorgeſchrieben, und wenn heute irgend ein Staatsbeamter ſeinen Untergebenen ſagt, ſie ſolllen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen in einem Falle, wo es ſich um eine Stichwahl zwiſchen einem ſozialdemokratiſchen und einem bürgerlichen Kandidaten handelt, dann heißt das doch nichts anderes als: geht hin und ſtimmt gegen den ſozialdemokrati⸗ ſchen Kandidaten! Der Erfolg iſt ja auch ſo geweſen, wie es die Herren Beamten gewünſcht haben. In dem 7. Bezirk — das Poſtamt Goetheſtraße liegt in dem 7. Bezirk — haben bei der Hauptwahl 5 Brief⸗ träger geſtimmt, bei der Stichwahl 27. Sie ſehen alſo, wie gut die Unterbeamten den Wink ihrer Vor⸗ geſetzten verſtanden haben. Aus freiem Antriebe haben ſie nicht für die bürgerlichen Kandidaten ge⸗ ſtimmt; mir haben eine ganze Anzahl von Beamten geſagt, daß ſie ſich der Stimmabgabe enthalten wollten, da ſie keine Luſt hätten, für die bürgerlichen Kan⸗ didaten zu ſtimmen, aber ſie ſeien dazu gezwungen worden. Ein weiteres Beiſpiel! In der Eiſenbahnwerk⸗ ſtätte im Grunewald ſind Flugblätter im Auftrage des Direktors der Werkſtätte verteilt worden, ſelbſt⸗ verſtändlich nicht Flugblätter, die zur Wahl des ſozialdemokratiſchen Kandidaten aufforderten, ſondern Flugblätter zu Gunſten der bürgerlichen Kandidaten. Von dem Bahnhof Weſtend iſt mir ein Vorfall be⸗ kannt, wo ein Bahnangeſtellter nicht wählen wollte; ihm wurde von ſeinem Vorgeſetzten geſagt⸗ „Wenn Sie nicht wählen, dann ſchädigen Sie ſich ſelbſt; dann müſſen Sie die Folgen tragen!“