—— 440 ——— — darauf komme ich gleich — eine Beeinträchtigung des Wahlrechts erblicken. Gewiß ſind die Stadtver⸗ ordneten nicht Vorgeſetzte der Beamten. Aber, meine Herren, die Stadtoc rordneten ſtehen in ſo engen Be⸗ ziehungen zu den Beamten, daß tatſächlich ein ge⸗ wiſſes Abhängigkeitsverhältnis vorhanden iſt, insbe⸗ ſondere ein Abhängigkeiteverhältnis der Beamten von denjenigen Stadtverordneten, die der Mehrheit der Ver⸗ ſammlung angehören. Beiſpielsweiſe iſt die Feſt⸗ ſetzung der Gehälter der Magiſtratsbeamten Sache der Stadtverordnetenverſammlung. Wir haben uns in zahlreichen Sitzungen mit Unterſtützungsgeſuchen von Beamten und mit allerhand ähnlichen Dingen zu beſchäftigen, die zeigen, wie nahe Beziehungen zwiſchen den Stadtverordneten und den Beamten be⸗ ſtehen. Dazu kommt, daß es immerhin fraglich er⸗ ſcheinen kann, ob nicht auch die Stadtverordneten als Beamte anzuſehen ſind. In dem Augenblick, wo ſie Mitglieder einer Deputation ſind — und faſt jeder Stadtverordnete gehört ja der einen oder anderen De⸗ putation an —, in dem Augenblick ſind die Stadt⸗ verordneten tatſächlich Beamte. Das Oberverwaltungs⸗ gericht hat über dieſe Frage noch nicht entſchieden. Es handelt ſich hier offenbar um einen Fall, der ſo unerhört iſt, daß er noch in keiner preußiſchen Ge⸗ meinde vorgekommen iſt. (Lachen bei den Liberalen.) Meiner Meinung nach iſt in dem Wahlaufruf der Liberalen ein Vergehen zu erbicken, das unter die⸗ jenigen Verſtöße zu rechnen iſt. von denen das Ober⸗ verwaltungsgericht annimmt, daß ſie in ihrer Eigen⸗ art ſo ſchwerwiegend ſind, daß ſie überhaupt leinen Raum mehr laſſen für eine nebenherlaufende Unter⸗ ſuchung, ob tatſächlich das Ergebnis der Wahl davon beeinflußt, für einzelne Wähler Beſchränkungen des Wahlrechts aus ihm erwachſen ſeien. Das iſt meine Meinung. Ich bin tatſächlich der Anſicht, daß es ſich hier um einen ſo ſchweren Verſtoß handelt, daß wir, wenn anders wir gerecht ſein wollen, zur Un⸗ giltigkeitserklärung der von mir bezeichneten Mandate kommen müſſen. Es iſt durchaus nicht nötig, daß, wie der Herr Berichterſtatter ſagt, irgendwelche Dro⸗ hungen in dem Aufrufe enthalten ſind, oder daß darauf hingewieſen wird, daß die Beamten, wenn ſie nicht richtig wählen, — „richtig“ heißt natürlich „liberal“ — irgendwelche Nachteile zu erwarten hätten. Meine Herren, für ſo töricht halte ich die Herren Kollegen nicht, daß ſie einen derartigen Wahlaufruf unterzeichnen würden. So vorſichtig ſind die Herren ſchon ſelbſt, daß ſie ſich ſagen: wir wollen ſo vor⸗ gehen, daß wir uns vor Gericht unter Umſtänden herausreden können. Aber moraliſch iſt die Sache ganz zweifellos zu verurteilen. Ich ſagte vorhin, das Oberverwaltungsgericht iſt noch nicht in die Lage gekommen, ſich mit einem ähnlichen Falle zu beſchäftigen. Wohl aber befolgt der Reichstag ſtändig die Praxis, in der Unterzeichnung eines Wahlaufrufs durch Regierungsbeamte eine Wahlbeeinfluſſung zu erblicken. Nun werden Sie ſagen: ja, wir ſind keine Regierungsbeamte. Gewiß, das ſind wir nicht; aber ich habe bereits darauf hinge⸗ wieſen, daß die Beziehungen zwiſchen Stadtwverord⸗ neten und Magiſtratsbeamten viel inniger ſind als die der Regierungsbeamten zu der Bevölkerung, unter der ſie leben. Wenn wir der Praxis des Reichstags folgen, dann müßten Sie zweifellos zur Ungiltig⸗ keitserklärung der Wahl kommen. ber, meine Herren, ich fürchte ſeyr, daß dieſelben Herren, die im Reichstag und im Landtag nicht genung dagegen proteſtieren können, wenn einmal von konſervativer Seite Wahlbeeinfluſſungen verübt werden, dieſelben Manöver, die ſie im Reich und im Lande bei den Konſervativen verurteilen, hier billigen, weil ſie von ihrer Seite ausgegangen ſind. Alſo ich gebe mich durchaus nicht der Hoffnung hin, daß Sie etwa unſerem Antrage Folge leiſten werden. Aber gleichviel, ob die Wahlen nun für ungiltig erklärt werden oder nicht, eins werden wir durch die Debatte ganz zweifel⸗ los erreichen: das nächſte mal werden weder Sie, noch irgendwelche anderen Stadtverordneten es wagen, in dieſer Weiſe das freie Wahlrecht anzutaſten, (Unruhe und Zurufe) das nächſte mal werden auch — das hoffe ich zuver⸗ ſichtlich — die übrigen Behörden, die Staats⸗ und Reichsbehörden ſich hüten, in ſo ſchamloſer Weiſe (Lebhafte Rufe: Oho!) das Wahlrecht ihrer Beamten anzutaſten. (Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Roſenberg: Wegen des letzten Aus⸗ drucks, Herr Stadtv. Hirſch muß ich Sie zur Ordnung rufen. Im übrigen muß ich bemeiken: Sie haben ſich zwar Mühe gegeben, ſich recht vorſichtig auszu⸗ drücken: es iſt Ihnen aber an zwei Stellen der Aus⸗ druck unterlaufen, daß Sie der Mehrheit vorwerfen, ſie ſei bereit, gegen ihre UIberzeugung Ihren Einſpruch zu verwerfen. Das iſt durchaus unzuläffig. Das Wort hat jetzt Herr Stadtv. Stein. Stadtv. Stein: Der Herr Bürgermeiſter hat mir in ſeiner Antwort gewiſſermaßen vorgeworfen, daß ich dem Magiſtrat Vorwürfe gemacht habe. Das hat mir vollſtändig fern gelegen. (Zuruf des Bürgermeiſters Matting.) Ich verſtand Sie wenigſtens ſo. — Eine Antwort aber auf das, worauf ich gerade Wert lege, habe ich nicht bekommen, daß nämlich möglichſt zwei Stell⸗ vertreter des Vorſitzenden zu ernennen ſind. Stadtv. Sellin: Meine Herren, Herr Kollege Stein hat einige Mängel angeführt, die er als Wahlvor⸗ ſieher bei der Wahl wahrgenommen hat. Auch ich muß als Wahlvorſteher im zweiten Bezirk einige ſehr erhebliche Mängel anführen. Ich habe wahrgenommen, daß die Wählerliſten ſehr mangelhaft aufgeſtellt ſind. Es ſind ſogar bei der Hauptwahl vier Herren vom Wahlvorſteher abgewieſen worden, weil der Vorname falſch geſchrieben war, trotzdem gar kein Zweifel be⸗ ſtehen konnte, daß ſie diejenigen waren, die in dem betreffenden Hauſe wohnen und auch in der Wähler⸗ liſte ſtehen. Ich habe ihnen den Rat gegeben, nach dem Statiſtiſchen Amt zu gehen, um ſich dort eine Legitimation zu holen. Es hat nur einer der Wähler davon Gebrauch gemacht. Sodann, meine Herren — — (Unruhe.) 2 Vorſteher Roſenberg (unterbrechend): Ich bitte um Ruhe, meine Herren, der Herr Redner iſt hier oben nicht zu verſtehen. Stadtv. Sellin (fortfahrend): Sodann, meine Herren, beſteht ein Mangel in der Angabe der Haus⸗ nummern. 3. B. ſtand in der Liſte A vom zweiten Bezirk: Nr. 6 — ich weiß nicht genau, ob es gerade die Nummer war —, dann Nr. 7, § und dann mit einemmal Nr. 4. Daß dadurch das Wahlgeſchäft ſehr erſchwert wird, iſt doch klar. Ich möchte den Magiſtrat bitten, in Zukunft genau darauf acht zu geben, daß das nicht wieder vorkommt.