— — 441 Bürgermeiſter Matting: Nur bemerken möchte ich, daß jedesmal die Herren Wahlvorſteher durch beſondere Beilage gebeten werden, alle Mängel, die ſich insbeſondere hinſichtlich der Aufſtellung der Liſte ergeben haben, uns mitzuteilen. Es iſt bei dieſer ungeheuer großen Liſte nicht möglich, alle Verſehen zu vermeiden. Es wird aber Gewicht darauf gelegt, daß wir ſofort, nachdem die Verſehen feſtgeſtellt ſind, die Liſte berichtigen, und dafür ſorgen, die Mängel, ſo gut es angeht, in Zukunft zu vermeiden. Ich kann auf die einzelnen Vorgänge, die Herr Stadtv. Sellin angeführt hat, nicht eingehen. Ich will zu⸗ geben, daß hin und wieder ſolche Fehler vorgekommen ſind; aber das iſt nun mal bei dem großen Umfange der Wählerliſte nicht vollſtändig zu vermeiden. Stadtv. Dr. v. Liszt: Meine Herren, ich werde mich bemühen, in möglichſt ruhiger und ſachlicher Weiſe die Fragen zu erörtern, die durch den Wahl⸗ proteſt angeregt worden ſind. Ich kann vorweg be⸗ tonen, daß wir im Wahlprüfungsausſchuß ſehr lange und eingehend über die Frage beraten haben, und daß unſer Beſchluß, wie Sie geleſen haben, mit allen gegen eine Stimme gefaßt worden iſt. Es ſind, wie Sie aus dem gedruckten Proteſte entnehmen, und wie Sie aus den bisherigen Debatten entnommen haben, von dem Herrn Kollegen Hirſch zwei Punkte hervorgehoben worden. (Unruhe.) Vorſteher Roſenberg: Meine Herren, ich bitte, Privatgeſpräche in den Nebenſälen zu führen: hier ſtören ſie. Stadtv. Dr. v. Liszt (fortfahrend): Er hat den zweiten Punkt an erſter Stelle behandelt. Er erblickt eine Wahlbeeinfluſſung darin, daß Poſt⸗ und Bahn⸗ beamte bezw. Bahnarbeiter durch Vorgeſetzte aufge⸗ fordert worden ſind — das Wort „aufgefordert“ mit Gänſefüßchen —, ſich an der Wahl zu beteiligen. Wir haben im Wahlprüfungsausſchuß wiederholt an Herrn Kollegen Hirſch die Anfrage gerichtet, ob er uns nicht irgendwelche greifbaren Anhaltspunkte geben könnte, ſolche Anhaltspunkte, aufgrund deren es uns möglich wäre, in Beweisermittlungen einzutreten. Herr Kollege Hirſch hat im Wahlprüfungsausſchuß ſtets zugegeben: das iſt garnicht möglich; ich kann weder meine Gewährsmänner nennen, noch können wir die ſämtlichen Leute etwa unter Eid be⸗ fragen, ob ſie durch die Aufforderung beeinflußt worden ſind. Wir haben uns daher entſchließen müſſen, es blieb uns garnichts anders übrig, als zu ſagen: da die Behauptungen in keiner Weiſe näher präziſiert ſind, da eine Beweisantretung vonſeiten des Proteſterhebers garnicht erfolgt iſt, ſo ſind wir zu unſerm Bedauern nicht in der Lage, irgendwelche Beweiserhebungen inbetreff der inkriminierten Punkte zu beantragen. Ich möchte dabei dem Herrn Kollegen Hirſch erwidern: es war ein etwas kühnes Rechen⸗ kunſtſtück, das er uns vorgemacht hat, indem er alle die einigermaßen abhängigen Beamten, die mobil gemacht wurden — das war ſein erſter Ausdruck —, anführt und nun die Zahlen ſo rechnet, als ob eigent⸗ lich alle diejenigen, die als Beamte ſich in einer irgendwie abhängigen Stellung befinden und ihre Stimme abgegeben haben, durch die Aufforderung beeinflußt wären. Gerade daraus ergibt ſich aber auch wiederum: entweder müſſen wir die ſämtlichen Leute unter Eid vernehmen, ob ſie ſich durch die Aufforderung haben beſtimmen laſſen, oder ob ſie ohne die Aufforderung geſtimmt hätten, ferner ob ſie in⸗ folge der Aufforderung in dieſem oder jenem Sinne geſtimmt haben, — entweder müßten wir dieſe Be⸗ amten alle miteinander, die nach vielen Tauſenden zählen, eidlich vernehmen, oder es muß uns von den Herren, die Proteſt eingelegt haben, irgend ein kon⸗ kreter Vorfall unter Nennung irgend welcher be⸗ ſtimmter Namen angegeben werden. Solange das nicht geſchieht, ſind wir nicht in der Lage, irgend eine Beweiserhebung vorzunehmen. Ich glaube, daß in dieſem Punkte der Wahlproteſt, falls er weiter verfolgt werden ſollte, auch wohl kein Glück bis in die oberſte Inſtanz hinein haben würde. Nun, meine Herren, komme ich zu dem Punkt, den Herr Kollege Hirſch an zweiter Stelle erwähnt hat, zu dem Wahlaufruf. Herr Kollege Hirſch hat in unſeren Verhandlungen hervorgehoben, daß ſelbſt ſolche, die das Flugblatt mit unterzeichnet hätten, er⸗ klärt hätten: ja, beſonders ſchön finden wir das jetzt nachträglich ſelber nicht. Aber, meine Herren, wenn ich mich für meine Perſon garnicht ſcheue, zu ſagen, daß ich als Mitunterzeichneter dieſe Empfindung nachträglich auch habe, wenn wir ſagen: das iſt nicht ſchön, das iſt nicht geſchmackvoll, nicht vornehm ge⸗ weſen, oder wie Sie es nennen wollen, ſo iſt das doch ganz etwas andres, als zu ſagen: das iſt geſetzwidrig. Und nur wenn es ſich um eine Geſetzwidrigkeit bei der Wahl handelt, kann ſie angefochten werden. Herr Kollege Hirſch und ſeine Freunde werden es vielleicht doch begreiflich finden, daß wir gerade bei der Stich⸗ wahl uns infolge der Agitation, die von der Seite der äußerſten Linken getrieben worden iſt, in einer etwas gereizten Stimmung befanden. Ich erinnere an das erſte Flugblatt, ich erinnere an die Anſchläge an den Litfaßſäulen, an die „Geldſäcke“, die ein⸗ ziehen ſollten in die Stadtverordnetenverſammlung uſw. uſw. Ich glaube, es iſt begreiflich und ver⸗ zeihlich, daß wir in dieſer Erregung Schritte getan haben, die durchaus auf geſetzlicher Baſis ſich bewegen, die wir aber vielleicht nicht getan hätten, wenn der Wahlkampf auf beiden Seiten mit der wünſchens⸗ werten Vornehmheit geführt worden wäre. Juriſtiſch, meine Herren, iſt der Wahlproteſt auch nach dieſer Richtung hin abſolut nicht haltbar. Es iſt von Herrn Kollegen Hirſch hier im Plenum betont worden — ich habe mir die Worte notiert —, es beſtänden ſo „enge Beziehungen zwiſchen den Stadtverordneten und den Mangüſtratebeamten, daß eine nicht zuläſſige Beeinfluſſung der Beamten durch Stadtverordnete in diefem Falle vorliege. Ja, meine Herren, Herr Kollege Hirſch hat die verſchiedenen Entſcheidungen unſres Oberverwaltungsgerichtes bei früheren Gelegenheiten und bei dieſer wieder ſehr genau geprüft; wir haben uns ja darüber auch im Ausſchuß unterhalten. Aber auf der Grundlage „enger Beziehungen“, die zwiſchen einem Wähler und irgend einem andern beſtehen, auf der Grundlage ſolcher engen Beziehungen, auf die ſich vielleicht der eine dem andern gegenüber ſtützt, iſt niemals noch die Kaſſierung einer Wahl ausgeſprochen worden. (Sehr richtig!) Dieſe engen Beziehungen, die ja alle möglichen Nüancen, allen möglichen Inhalt haben können, reichen eben nicht aus. Und wenn Herr Kollege Hirſch in den Entſcheidungen des Oberverwaltungsgerichts keinen ſolchen Fall gefunden hat, ſo wird das wahrſchein⸗ licherweiſe darauf zurückzuführen ſein, daß noch nie⸗ mals wegen ſolcher Sachen Klage erhoben worden iſt. Alſo dieſer eine juriſtiſche Stützpunkt, der einzige, den der Wahlproteſt in dieſer Frage hat,