—— 443 —— Vorſteher Roſenberg: Punkt 18 der Tagesordnung: Aufrage der Stadtv. Otto und Gen. betreffend den neuen Volksſchulunterhaltungs⸗ Geſetz⸗ entwurf. — Druckſache 471. Die Anfrage lautet: Welche Schritte gedenkt der Magiſtrat zu tun, um den Schädigungen entgegenzutreten, die durch den neuen Volksſchulunterhaltungs⸗ Geſetzentwurf der ſtädtiſchen Selbſtverwaltung und dem ſtädtiſchen Volksſchulweſen drohen? Charlottenburg, den 15. Dezember 1905. Otto, Braune, Dr. Crüger, Dr. Frentzel, Dr. de Gruyter, Heiſe, Holz, Kaping, Kaufmann, Leben, Lingner, v. Liszt, Marcus, Mehl, Mittag, Mommſen, Münch, Penzig, Ruß, Schwarz, Dr. Spiegel, Wenig. Frageſteller Stadtu. Otto: Meine Herren, dem preußiſchen Abgeordnetenhauſe iſt bei ſeinem dies⸗ jährigen Zuſammentritt am 5. Dezember eine Vor⸗ lage der Kgl. Staatsregierung zugegangen, die die Überſchrift trägt: „Entwurf eines Geſetzes, betreffend die Unterhaltung der öffentlichen Volksſchulen.“ Wer etwa meinen ſollte, daß in dieſem Geſetzentwurf nur die Rede ſei von der Unterhaltung der öffentlichen Volksſchulen, der würde ſich in einem ſchweren Irr⸗ tum befinden. Ja, man kann ſogar ſo weit gehen, zu behaupten, daß das Wichtigſte an dieſem Geſetz⸗ entwurf dasjenige iſt, was die Überſchrift ſchämiger⸗ weiſe verſchweigt, (ſehr richtig!) und was ſich erſt enthüllt, wenn man den Entwurf näher betrachtet. Der Entwurf handelt freilich in ſeinen erſten drei Teilen von der Schulunterhaltung, indem er ſpricht über die Träger der Schullaſt, über die Verteilung der Volksſchullaſten und über das Schulvermögen. Dann aber folgt ein vierter Ab⸗ ſchnitt, der die konfeffionellen Verhältniſſe der Volks⸗ ſchule betrifft. Es folgt ein fünfter Abſchnitt, der von der Verwaltung der Volksſchulangelegenheiten handelt, und ſchließlich ein ſechſter, der wieder in gewiſſen Beziehungen zu der Frage der Schulunter⸗ haltung ſteht, der über Schulhaushaltsetat, Schul⸗ kaſſen, über Baufonds und ſtaatliche Ergänzungs⸗ zuſchüſſe ſpricht. Der ſiebente Abſchnitt enthält nur Schluß⸗ und Ergänzungsvorſchriften. Es ſind gerade diejenigen Abſchnitte des Ent⸗ wurfes, die in der Überſchrift nicht beſonders genannt ſind, die meine Freunde veranlaßt haben, über dieſen Geſetzentwurſ in der Stadtverordnetenverſammlung eine Beſprechung herbeizuführen. Dieſe Beſprechung ſoll ſich freilich auch in einigen Punkten mit der Schulunterhaltung ſelbſt beſchäftigen, aber nur inſo⸗ fern, als dadurch die bei den Geſichtspunkte, die wir in unſrer Anfrage ſchon zum Ausdruck gebracht haben, berührt werden, als nämlich entweder berührt wird die ſtädtiſche Selbſtwerwaltung oder aber das Intereſſe, das wir an unſerm Volksſchulweſen nehmen. Wenn ich mit dieſer Einſchränkung diejenigen Beſtimmungen, die ſich auf die Schulunterhaltung beziehen, durchgehe, ſo muß ich mit einigen Worten auf den § 12 eingehen, der da ſagt: Das für Volksſchulzwecke beſtimmte oder dafür benutzte Vermögen der Schulverbände kann nur mit Genehmigung der Schulaufſichts⸗ behörde veräußert oder anderen Zwecken dienſt⸗ bar gemacht werden. Unter dem Schulvermögen — ſo wird in dem § 11 unter 2 ausdrücklich geſagt — verſteht man auch die für die Schulſtelle beſtimmten Grundſtücke, Gebäude und dergl. mehr. Es wird alſo durch den Entwurf, man kann ſagen: in ſpielender Weiſe die⸗ jenige Angelegenheit erledigt, die uns ſeinerzeit auch in der Stadtverordnetenverſammlung beſchäftigte, wem nämlich die Beſtimmung über etwaige ander⸗ weite Verwendung der ſtädtiſchen Schulräume zuſteht, und es wird hier einfach feſtgeſetzt, daß die Schul⸗ aufſichtsbehörde in jedem einzelnen Falle zu ent⸗ ſcheiden habe, ob Schulgebäude auch zu anderen Zwecken abgegeben werden dürfen oder nicht. Ich möchte bei dem Punkt der Schulunter⸗ haltung ferner heranziehen den § 42 in ſeinem Ab⸗ ſatz 3, der da beſagt: Der Unterrichtsminiſter iſt befugt, über die Einrichtung und Einreichung der Schulhaus⸗ haltsetats, die Verwaltung und Reviſion der Schulkaſſen, die Rechnungslegung, die Prüfung der Rechnungen und die Entlaſtung der Rech⸗ nungsführer Anweiſungen zu erlaſſen. Meine Herren, der Geſetzentwurf iſt nicht gerade ein Muſter von Klarheit (Stadtv. Dr. v. Liszt: Sehr richtig!) und leichter Verſtändlichkeit. Als ich einen beſtimmten Abſchnitt, der mich näher intereſſierte, dreimal durch⸗ geleſen hatte, fing es allmählich an, bei mir zu dämmern, was eigentlich mit dieſen neuen Be⸗ ſtimmungen geſagt ſein ſolle. Ich war geneigt, das auf meine Ungeübtheit im Leſen juriſtiſcher Geſetz⸗ entwürfe zurückzuführen. Aber ich habe doch mit einiger Befriedigung feſtſtellen können, daß auch ganz gewiegte Juriſten ſich nicht zurecht gefunden haben, daß Parlamentarier, die gewöhnt ſind, Geſetzentwürfe zu leſen, überhaupt vorläufig die Hoffnung auf⸗ gegeben haben, ihrerſeits zu ergründen, was in einzelnen Beſtimmungen dieſes Entwurfs eigentlich geſagt ſein ſoll, und die Aufklärung erſt von der Kommiſſionsberatung erwarten. 80 kann man auch bei Abſatz 3 zweifelhaft ſein, ob er ſich auf alle Schulverbände bezieht, oder ob er ſich nur auf gewiſſe Gemeinden bezieht. Es iſt nämlich in Ab⸗ ſatz 2 die Rede von Gutsbezirken und Geſamtſchul⸗ verbänden. Bezieht er ſich auf alle Schulverbände, dann, meine Herren, wird eins unſerer wichtigſten Rechte, das Recht der Aufſtellung des Etats, das wir gewiß mit gutem Grunde bisher ängſtlich gehütet haben, durch den Entwurf beſeitigt, und der Unter⸗ richtsminiſter erhält, während der Finanzminiſter uns, ſolange wir unter 100 % bleiben, nichts zu ſagen hat, das Recht, in den Schulhaushaltsetat hinein ſeine Anweiſungen zu ſetzen. Aber, meine Herren, dieſe Punkte ſind nicht die wichtigſten. Es iſt ſchon wichtiger das, was über die konfeſſtonellen Verhältniſſe in dem Entwurf ge⸗ ſagt wird. Politiſch betrachtet halte ich dieſen Teil des Entwurfs überhaupt für den wichtigſten. (Sehr richtig!) Hier aber kann es ſich nur darum handeln, die Frage zu beantworten, inwiefern unſre Selbſt⸗ verwaltung und unſer Volksſchulweſen durch die konfeſſionellen Beſtimmungen berührt werden. Dieſe konfeſſionellen Beſtimmungen, obgleich ſie ängſtlich die Ausdrücke: Konfeſſionsſchule und Simultanſchule oder paritätiſche Schule vermeiden, laſſen klar und deutlich erkennen, daß die Konfeſſionsſchule für Preußen als die Regel gelten ſoll und die Simultan⸗ ſchule die kaum geduldete Ausnahme darſtellt. Ich will hier nicht im einzelnen auf die Beſtimmungen