—— 445 Die Schuldeputation übt zugleich die nach dem Geſetz vom 11. März 1872 den Gemein⸗ den und deren Organen vorbehaltene Teil⸗ nahme an der Schulaufſicht aus. Hier werden alſo die Schuldeputationen als ſchul⸗ aufſichtliche Organe ausdrücklich anerkannt. Worin aber dieſe gewährte Schulaufſicht beſteht, wird im näheren nicht beſtimmt, auch die Begründung ſagt darüber nichts. Der § 27 fährt im Gegenteil fort: Sie handelt dabei als Organ der Schulauf⸗ fichtsbehörde und iſt verpflichtet, deren An⸗ weiſungen Folge zu leiſten. Das heißt alſo: es wird eine ſelbſtändige ſchulauf⸗ ſichtliche Tätigkeit durchaus ausgeſchloſſen und der Schuldeputation aufgegeben, ſich nach den Anwei⸗ ſungen zu richten, die die Schulaufſichtsbehörde gibt. Ich bin ſonſt ſelten in der Lage, mit einem konſervativen Abgeordneten übereinzuſtimmen. Aber ich habe dem Herrn Abgeordneten v. Heydebrand und der Laſe durchaus recht geben müſſen, wenn er bei der erſten Leſung des Geſetzentwurfs im Abge⸗ ordnetenhauſe nach dem ſtenographiſchen Bericht wörtlich erklärt hat: Nur ein roter Faden zieht ſich da hindurch, daß ſie zu ſagen alle nichts haben. Es handelt ſich dabei nicht allein um die Schul⸗ deputation, ſondern auch um die ländlichen Schul⸗ vorſtände. Wir in Charlottenburg hatten bisher das Recht, die Lehrer zu berufen, und die Regierung beſtätigte oder beſtätigte nicht, wie ſie das dachte. Das ſoll in Zukunft anders werden. meinden, die das Wahlrecht hatten, ſoll in Zukunft nur noch ein Vorſchlagsrecht eingeräumt werden, und im übrigen ſoll die Wahl der Lehrer durch den Staat erfolgen. Man beruft ſich zur Begründung des neuen Verfahrens auf die Verfaſſung. Der § 24 der Verfafſung ſagt: Der Staat ſtellt unter geſetzlich geordneter Be⸗ teiligung der Gemeinde aus der Zahl der Be⸗ fähigten die Lehrer der öffentlichen Volks⸗ ſchulen an. Es iſt das ein Charakteriſtikum des Entwurfs, daß er ſich auf zweierlei beruft, entweder auf die Ver⸗ faſſung oder aber auf das hiſtoriſch Gewordene, wie es gerade paßt. Hier beruft er ſich auf die Ver⸗ faſſung, die er in ſeiner Weiſe auslegt, ohne zu be⸗ rückſichtigen, daß das hiſtoriſch Gewordene für die ſechs alten Provinzen das Wahlrecht der Lehrer durch die Gemeindebehörden iſt. Handelt es ſich freilich um den Schulvorſtand eines Gutsbezirkes, da iſt das hiſtoriſch Gewordene das Ausſchlag⸗ gebende, indem der Entwurf beſtimmt, daß der ge⸗ ſamte Schulvorſtand durch den Gutsbeſitzer ernannt wird. Man vergleiche das weitgehende Recht eines Gntsbeſitzers gegenüber dem eng begrenzten Rechte der Städte! Es ſoll alſo den Städten in Zukunft nur noch Vorſchlagsrecht eingeräumt werden, wenn es ſich um die Wahl der Lehrer handelt. Es iſt das in der Begründung mit folgenden Worten gerechtfertigt: Die Ausübung des Vorſchlagsrechtes iſt den Schuldeputationen, den Schulvorſtänden über⸗ tragen, von denen nach ihrer ganzen Zu⸗ ſammenſetzung eine ſachverſtändige und zweck⸗ dienliche Prüfung dieſer ſchwierigen Frage zu erwarten iſt. Dieſes ſchöne Zeugnis, das den Schuldeputationen da ausgeſtellt wird, verſagt ſofort, wenn es ſich handelt um die Wahl von Rektoren und Haupt⸗ lehrern. Dann haben die Städte nach dieſem Ent⸗ All den Ge⸗ ſ wurf in Zukunft nicht einmal mehr das Vorſchlags⸗ recht, ſondern ſie ſollen dann nur noch, wie es in dem Entwurfe heißt, „gehört“ werden. Nun, was das bedeutet: „gehört werden“, das hat der Herr Abgeordnete Ernſt aus ſeiner Erfahrung bei der erſten Leſung des Entwurfs geſagt. Er führte aus: In meinem Heimatsort wird nämlich die Schuldeputation auch „gehört“, d. h. ſie wird § oder 14 Tage vor Beſetzung einer vakanten Stelle von der Regierung angefragt, ob Ein⸗ wendungen gegen den deſignierten Lehrer zu erheben ſind. Natürlich kennen wir den Mann nicht, haben nie etwas von ihm gehört, und um Erkundigungen einzuziehen, iſt die Zeit zu kurz. Wir müſſen alſo nehmen, was wir bekommen. Und ſo wird es ſich in der Praxis ſtellen: das Gehörtwerden wird keine Bedeutung haben, und es wird in Wirklichkeit ſo kommen, daß der Kreis⸗ ſchulinſpektor die Rektoren ernennt. Meine Herren, das iſt zunächſt im Intereſſe der ſtädtiſchen Selbſtverwaltung auf das äußerſte zu beklagen. Denn es wird hier ein Vertrauens“ Verhältnis, wie es ſich zwiſchen Lehrerſchaft und Rektorenſchaft und einer wohlwollend geſinnten Stadt⸗ behörde jederzeit entwickeln wird, ohne weiteres beſeitigt. Es iſt aber nicht allein zu beklagen im Intereſſe der Selbſtverwaltung und der Schule, ſondern vor allem auch im Intereſſe des Lehrer⸗ tandes, und ich meine, Sie werden geneigt ſein, auch dieſen Geſichtspunkt hier mit zu berückſichtigten, daß nämlich auf dieſe Weiſe die freie Meinungs⸗ äußerung im Lehrerſtande unterbunden wird, und daß das ödeſte Strebertum dort Platz greifen wird. (Sehr richtig!) Wird doch nur derjenige befördert werden, der ſich das Wohlwollen ſeines Vorgeſetzten erworben hat. Und wer iſt dieſer Vorgeſetzte? Das iſt auf dem Lande faſt immer und allein der Geiftliche. Wenn ich gerade hier zurückgreife auf das Land, ſo muß ich das, weil die Begründung dieſe neuen Beſtimmungen ſchmackhaft zu machen ſucht mit den Worten: „Es muß auch verdienten Lehrern auf dem Lande Gelegenheit gegeben werden, in die großen Städte zu kommen und dort leitende Stellungen einzunehmen.“ Gewiß das werden wir alle wünſchen, und das wird eine Kommune jederzeit auch dadurch praktiſch zum Ausdruck bringen, daß ſie, wie es Charlottenburg ſchon heute tut, tüchtige und geeignete Kräfte vom Lande nach hier wählt und, wenn ſie ſich bewähren, auch in die leitenden Stellen befördert. Aber es iſt etwas ganz andres, wenn nunmehr nur der Geiſtliche auf dem Lande entſcheiden ſoll: dieſer Mann iſt geeignet, in die Großſtadt zu kommen, und nun ſich dieſer Lehrer, der ſonſt tüchtig und praktiſch ſein kann, ganz neuen Aufgaben gegenüberſieht, ein ganz neues Schulyſtem leiten ſoll und mit Verhältniſſen zu tun bekommt, die er nicht zu überſehen vermag, für deren richtige Beurteilung erſt jahrelange Arbeit nötig iſt. Und wenn dem Staate ſo ſehr darum zu tun iſt, die tüchtigen Landlehrer vorwärts zu bringen, ſo könnte er das heute ſchon tun. Schon heute berechtigt die Ablegung der Rektoratsprüfung zur Beſetzung der Stellen von Seminardirektoren und Kreisſchul⸗ inſpektoren, Seminarlehrern und Präparandenanſtalts⸗ vorſtehern. Der Staat hat es gerade bei dieſen Stellen in der Hand, tüchtige Landlehrer zu berufen. Er tut es faſt nie, und ſo muß in dieſem Falle ſeine