Fürſorge für die Landlehrer mindeſtens eigentümlich erſcheinen. Ganz und garnichts zu ſagen haben aber alle Selbſtverwaltungsorgane in Zukunft, wenn es ſich um Verſetzungen im Intereſſe des Dienſtes handelt. Dann wird die Stadt ſchließlich garnicht einmal mehr gehört, ſondern dann bekommt ſie irgend jemand hingeſetzt, ganz gleichgiltig, ob ſie ihn mag oder nicht. Wir ſehen alſo daraus, daß die Rechte der Schuldeputationen und vor allem auch die Rechte des Magiſtrats durch den neuen Entwurf, gerade was die Lehrerwahl angeht, auf das ſchwerſte geſchädigt ſind, und ſchon aus dieſem Grunde erſcheint es berechtigt, dieſen wichtigen Entwurf hier zum Gegenſtand einer Ausſprache zu machen. ir haben in unſrer Interpellation aber nicht nur hingewieſen auf die drohenden Schädigungen der Selbſtverwaltung, ſondern wir haben mit gutem Bedacht geſagt, daß damit auch verbunden ſei eine Schädigung unſres Volksſchulweſens. Und, meine Herren, das begründe ich damit, daß es ganz natur⸗ gemäß, ja daß es durchaus ſelbſtverſtändlich iſt, daß in einer Kommune, die bisher für ihre Volksſchulen ein Herz und auch Mittel übrig gehabt hat, wenn ihr faſt alle Rechte genommen werden, dieſes Intereſſe erlahmen muß. (Bravo!) Es iſt gerade von konſervativen Männern oft anerkannt worden, daß die Städte bezüglich des Volksſchulweſens Vorbildliches geleiſtet haben; und ich glaube, ich behaupte nicht zu viel, wenn ich ſage, daß unter dieſen Städten Charlottenburg mit in erſter Linie marſchiert. (Sehr richtig!) Aber wenn dieſer Entwurf Geſetz wird, ſo wird den Beteiligten jede Freude an dem Ausbau des Volks⸗ ſchulweſens genommen. (Sehr richtig!) Und darum iſt es unſere Pflicht, auch im Intereſſe der Volksſchule gegen dieſen Geſetzentwurf Proteſt zu erheben. Es genügt aber nicht, den Proteſt hier zu erheben, wir müſſen uns auch klar werden über Schritte und Wege, die etwa einzuſchlagen ſind, um dieſem Proteſt weitere Wirkung zu verleihen. Nun, da meine ich, daß wir zunächſt einmal unſere beiden Abgeordneten, die uns im Landtage vertreten, auf dieſe unſere ſchweren Bedenken aufmerkſam machen ſollen. (Stadtv. Dr. v. Liszt: Sehr gut! — Heiterkeit.) Ich meine weiter, daß ja uns nunmehr auch im Herrenhauſe Gelegenheit gegeben iſt, unſrer Meinung über dieſen Geſetzentwurf einen kräftigen Ausdruck zu geben. Aber das allein wird nicht genügen. Wir müſſen auch dafür ſorgen, daß unſer Proteſt eine breite Grundlage bekommt. Ich habe mit Freuden geleſen, daß der Pommerſche Städtetag zur Beratung der Schulunterhaltungsvorlage bereits einberufen worden iſt, daß der Vorſtand des Schleſiſchen Städte⸗ tages die Einberufung erwägt. Ich hoffe, daß alle preußiſchen Städte, die in dem Entwurfe ihre berech⸗ tigten Intereſſen bedroht ſehen, ſich vereinen, um ihre Stimme hinausſchallen zu laſſen ins Land, ſich vereinen in dem Proteſte gegen den Entwurf, der nicht Geſetz werden darf, wenn nicht die ſtädtiſche Selbſtverwaltung, wenn nicht unſer ſtädtiſches Volks⸗ ſchulweſen ſchweren Zeiten entgegengeführt werden ſollen! (Allſeitiges lebhaftes Bravo.) Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, 446 der Magiſtrat befindet ſich mit den Ausführungen des Herrn Interpellanten in bezug auf die Beur⸗ teilung des Geſetzentwurfes durchaus in Überein⸗ ſtimmung. Der Geſetzentwurf iſt verwerflich, weil er die ſchwerſten Gefahren enthält für den nationalen, einheitlichen Beſtand des Staates, wie für die Selbſt⸗ verwaltung der Städte, wie endlich für die Ent⸗ wicklung unſerer Volksſchule. Die Simultanſchule, die bisher neben der konfeſſionellen Schule beſtand, — und das berührt gerade ein Gebiet, das auch für uns in Charlotten⸗ burg von dem höchſten Intereſſe iſt, wie der Herr Interpellant bereits ausgeführt hat, — die Simultan⸗ ſchule wird beſeitigt mit geringen Ausnahmen, die ſich nur auf drei Provinzen des preußiſchen Staates erſtrecken. Die Kirche gewinnt maßgeben⸗ den Einfluß in der Schule. Der konfeſſionelle Haß und Hader wird dadurch den freieſten Spielraum erhalten im Laufe der Entwicklung der Zeit. Der nationale Einheitsgedanke Staates geht verloren. In Zukunft wird die Schule nicht dem Staate Bürger erziehen — wozu ſie da iſt —, ſondern den kirchlichen Richtungen Gläubige — wozu ſie nicht da iſt —. Hie Proteſtanten! hie Katholiken! wird der Kriegsruf lauten, der durch unſer deutſches Volk ertönen wird. Das deutſche Volk wird fich, wenn die Jugend, die in jener Schule erzogen iſt, herangewachſen ſein wird, in zwei durch eine tiefe und immer tiefere Kluft getrennte Lager ſpalten, und damit wird der Geiſt der Unduldſamkeit und der Geiſt der Verhetzung groß gezogen werden. Denn die Geſchichte unſeres Volkes wie die Geſchichte anderer Völker lehrt, daß überall da, wo die ſtrengen kirch⸗ lichen Richtungen die Oberhand gewinnen — und dieſe allein ſind es, die herrſchen werden — daß überall da auch die Intoleranz herrſcht. Und wer trägt den Schaden? Der Staat, der nationale Staat trägt den Schaden! Denn ſeine Einheit iſt die Grundlage ſeiner Macht und ſeiner Stärke. Und nimmt man ihm die Einheit, dann fällt mit ihr auch ſeine Macht und fällt ſeine Stärke. Aber, meine Herren, der zweite Geſichtspunkt iſt nicht minder wichtig. Einer der ſchwerſten Schläge, die je von einem Miniſterium gegen die Selbſtverwaltung geführt worden ſind, ſeit dem das Geſetz der Städteordnung beſteht, iſt dieſer Schlag mit dieſem Schulunterhaltungs⸗ eſetz. 18 (Stadtv. Dr. v. Liszt: Sehr gut!) Der Magiſtrat, meine Herren, wird völlig ausge⸗ ſchaltet; er hat keinen Einfluß mehr auf die Schule, keinen Einfluß mehr auf ſeine Schulgebäude. Ja es ſcheint faſt ſo, als ob der Herr Interpellant recht hat: als ob er auch keinen Einfluß mehr haben ſoll mit der Stadtverordnetenverſammlung auf das Etats⸗ recht der Schule, als ob auch dieſes die Regierung ihm entwinden will! Das Wahlrecht der Lehrer, das er bisher ausgeübt hat, ſteht ihm nicht mehr zu — es iſt ihm genommen; ja es iſt überhaupt ge⸗ nommen; es iſt nur noch ein Vorſchlagsrecht ge⸗ blieben, und dieſes Vorſchlagsrecht iſt der Schul⸗ deputation gegeben. Und welcher Schuldeputation Nicht einer Schuldeputation, wie ſie heute beſteht, nicht einer Schuldeputation, wie wir ſie in dem Kom⸗ promiß mit der Königlichen Regierung in Potsdam erſtrebt haben, ſondern einer Schuldeputation, die zuſammengeſetzt iſt in feindlichem Sinne gegen die Selbſtverwaltung! Und was die Berufung der Rek⸗ toren betrifft, ſo habe ich den treffenden Ausführungen des