——— 417 —— des Herrn Interpellanten nichts mehr hinzuzufügen: die Berufung der Rektoren, der Schulleiter, denen wir unſere Schule anvertrauen, die in unſerem Geiſte unſere Jugend erzielen ſollen, — ſie iſt uns ge⸗ nommen! Der Einfluß der ſtädtiſchen Selbſt⸗ verwaltung auf die Schule iſt durch dieſes Geſetz vernichtet. Der Stadt bleibt allein die Pflicht, zu zahlen, ohne irgend eine Gegenleiſtung. Der alte Grundſatz, daß der, welcher mittatet, auch mitraten ſoll, iſt völlig verlaſſen. Meine Herren, dieſer Geſetzentwurf — ich ſpreche es mit innerſtem Bedauern und mit tiefer Bitterkeit aus — bedeutet eine völlige Miß⸗ achtung der bürgerlichen Arbeit in den Städten. (Lebhaftes Bravo.) Und weiter, meine Herren: dieſer Geſetzentwurf zerreißt die Wurzeln des blühenden Baumes unſerer Volksſchule, unſerer ſtädtiſchen Volksſchule. Die ſtädtiſchen Volksſchulen haben ſich glänzend entwickelt. Die Städte, meine Herren, find es geweſen, welche den Staat gelehrt haben, wie man Schulen enwickelt! Worauf beruht dieſe glänzende Entwickelung die übrigens mehrfach von namhafter Stelle der Staats⸗ männer anerkannt worden iſt — worauf beruht dieſe glänzende Entwicklung? Meine Herren, ſie hat be⸗ ruht und beruht noch heute auf der freien Mit⸗ arbeit der Männer in der Selbſtverwaltung; ſie beruht auf dem Bewußtſein der Selbſtverant⸗ wortlichkeit der Städte, ſie beruht auf der Freudig⸗ keit, mit welcher die Bürger in den Städten an der Entwicklung ihrer Schule gearbeitet haben. Ich ſage nicht zu viel, meine Herren, daß dieſe nationale Arbeit der Entwicklung der Schule — ich betone es: die nationale Arbeit der Entwicklung der Schule — in allen Städten ohne eine Ausnahme der Stolz jeder ſtädtiſchen Verwaltung iſt, und daß keine Stadt auf irgend einem Gebiete mehr bemüht iſt, das Tüchtigſte zu leiſten, manchmal unter größter An⸗ ſtrengung, ja unter Uberanſtrengung ihrer Mittel, als gerade auf dem Gebiete der Schule. Das alles, meine Herren, wird durch dieſen Geſetzentwurf ver⸗ nichtet! Die Freudigkeit hört auf: denn wenn er nichts mehr zu ſagen hat, wenn er nichts mehr zu beſtimmen hat, welcher tüchtige Mann wird ſich dann finden, der mit mitarbeiten will!? Und mit der Freudigkeit hört das Intereſſe auf, das man an der Entwicklung der Schule hat, und mit dem mangeln⸗ den Intereſſe wird es dann kommen, daß auch in den ſtädtiſchen Körperſchaften die Luſt fehlt, die Mittel zu bewilligen zu einer weiteren Entwicklung der Schule. (Sehr richtig!) Die Städte werden nicht mehr, meine Herren, mit einander rivaliſieren, wie es heute geſchieht, in dem Beſtreben, das Beſte zu leiſten auf dem ſtädtiſchen Schulgeviete, ſondern hier wird jede Konkurrenz ein⸗ chlafen und verkümmern. Der Erfolg wird ſein, daß die Volksſchule krankt und zurückgeht. An die Stelle der lebendigen Arbeit, welche in der Selbſt⸗ verwaltung durch die Kraft der Männer der Selbſt⸗ verwaltung etwas Tüchtiges ſchafft, an die Stelle dieſer Arbeit wird treten die Bureaukratie, und öde und unfruchtbare Schreibereien, die wir ja ſchon fennen, meine Herren, werden den Erſatz bilden für jene lebendige, ſchaffende Arbeit. (Sehr richtigl!7)7/ und wer, meine Herren, hat wiederum hiervon den Schaden? Wieder der nationale Staat! In dem heißen Wettbewerb der Völker, der von Jahr zu Jahr ſchärfer und energiſcher einſetzt, wird nur dem Volk die Palme des Sieges zufallen, welches die größte Kultur, d. h. das beſte Wiſſen und die beſte Erziehung hat. (Bravo!) Bisher waren wir an guter Stelle in dem Kampf der Völker, und das verdanken wir nicht zum letzten der Höhe unſerer Voltsſchule. Auch das wird in Zukunft anders werden. Ich ſehe in die Zukunft unſeres preußiſchen Staates, wenn dieſer Geſetzentwurf Geſetz wird, mit großer, banger Sorge. Meines Erachtens iſt es die unabweisliche Pflicht der Städte, ihrer Verwaltungen und ihrer Bürgerſchaft, gegen dieſen Entwurf mit aller Macht, die ſie befitzen, anzukämpfen und ihn zu Fall zu bringen. Es gilt, von der Schule, von der Selbſtver⸗ waltung der Städte und von unſerem Vaterlande unermeßlichen Schaden abzuwenden. In dieſer Einſicht hat der Magiſtrat mich be⸗ auftragt, zunächſt mit dem Vorfitzenden des Preußi⸗ ſchen Städtetages, Herrn Oberbürgermeiſter Kirſchner, mich in Verbindung zu ſetzen über die Einberufung des Preußiſchen Städtetages zur Erörterung dieſer Frage. Ich habe das getan. Herr Oberbürgermeiſter Kirſchner hat mir mitgeteilt, daß er beabſichtige, an die Mitglieder des Vorſtandes des Preußiſchen Städte⸗ tages eine Anfrage zu richten, wie ſie über die Ein⸗ berufung des Preußiſchen Städtetages denken. Alſo auf dieſem Wege wird, wie ich hoffe, vorgegangen werden. Aber, meine Herren, das genügt nicht. Ich meine, hier muß ſich jeder regen, der irgendwie intereſſtert iſt an der Sache, und vor allen Dingen muß ſich jede Stadt regen! Infolgedeſſen hat der Magiſtrat beſchloſſen, ſeinerſeits eine Petition unter Darlegunz der Gründe, die von mir hier im großen und ganzen angeführt worden ſind, unter näherem Eingehen noch auf die einzelnen Details, an das Abgeordnetenhaus zu richten mit dem Antrage, dem Geſetzentwurf nicht die Zuſtimmung zu gewähren. Ich hoffe, meine Herren, daß ein Sturm durch das Volk gehen wird, wie es ſchon bei dem letzten Schul⸗ geſetz der Fall war, daß nicht nur die Selbſtver⸗ waltungen der Städte, ſondern daß auch in der Bürgerſchaft ſich alle einſichtigen Männer zuſammen⸗ tun und unaufhörlich und in ungeheurer Maſſe ihre Petitionen hineinſchleudern in das Abgeordnetenhaus, an die maßgebende Stelle, um zu verhindern, daß dieſer dem Vaterlande verderbliche Entwurf jemals zum Geſetz erhoben wird! (Lebhafter Beifall.) Vorſteher⸗Stellv. Kaufmann: Es iſt ein ge⸗ ſchäftsordnungsmäßig unterſtützter Antrag auf Be⸗ ſprechung eingegangen. Ich eröffne die Beſprechung. Stadtu. Dr. Borcharvt: Meine Herren, meine Freunde ſind durchaus mit den beiden Herren Vor⸗ rednern der Meinung, daß dieſes drohende Geſetz außerordentlich hemmend auf die Entwickelung der Volksſchule einwirken wird, und meine Freunde ſind auch der Meinung, daß der vom Herrn Oberbürger⸗ meiſter angegebene Weg, die Berufung eines Preußi⸗ ſchen Städtetages, wohl geeignet ſein kann, durch eingehende Erörterungen die Aufmerkſamkeit der breiteſten Offentlichkeit auf die drohenden Gefahren zu richten. Anders allerdings denken wir über den Erfolg dieſer Verhandlung. Denn, meine Herren, wir ver⸗