—— 448 — hehlen uns nicht, daß diejenige Inſtanz, bei der die ſchließliche Entſcheidung darüber ruhen wird, ob dieſer Entwurf in ſeinen weſentlichſten Beſtimmungen Ge⸗ ſetz werden ſoll oder nicht, einen durchaus ſtädte⸗ feindlichen Charakter trägt. Meine Freunde haben bei verſchiedenen Gelegenheiten verſucht, auch Sie, meine Herren, zu bewegen, in eine Bewegung einzutreten gegen dieſen ſtädtefeindlichen Charakter des preußi⸗ ſchen Abgeordnetenhauſes; wir können auch Sie nicht freiſprechen von aller Schuld an der Entwickelung, wie ſie gelommen iſt. Das Dreiklaſſenparlament, welches ſich uns ſo darſtellt, wie es eben die Ver⸗ hältniſſe uns zeigen, iſt in ſeiner Zuſammenſetzung geſtärkt worden durch diejenigen Kreiſe des Bürger⸗ tums, welche bei jeder Gelegenheit der Meinung Ausdruck geben, daß alle Differenzen zwiſchen irgend welchen bürgerlichen Kreiſen verſchwinden müſſen gegenüber derjenigen Gefahr, die von meinen Freunden dem Beſtande der bürgerlichen Geſellſchaft droht, und gerade dieſer Uberzeugung in den bürgerlichen Kreiſen verdanken wir es auch, daß der Appell, den der Herr Interpellant wohl mehr ironiſcherweiſe an die beiden Vertreter unſeres Wahlkreiſes im Abgeordnetenhauſe richtete, auf ein verſtändnisvolles Lächeln bei Ihnen ſtieß. Der Herr Interpellant meinte es auch wohl nur ironiſch, daß die Vertreter des Kreiſes Teltow⸗Beeskow, daß die Vertreter der Stadt Char⸗ lottenburg im Landtage unſere Bedenken gegen dieſen Entwurf nachdrücklich zum Vortrag bringen würden. Weit mehr Zutrauen hätte ich für meine Perſon noch auf den Vertreter, den wir ja glücklicherweiſe im Herrenhauſe haben. (Heiterkeit.) Dort, hoffe ich, wird der Herr Oberbürgermeiſter mit ſtarkem Nachdruck, falls dieſer Entwurf bis ans Herrenhaus gelangen ſollte, alle Bedenken vorbringen, die wir und überhaupt die Städte, in denen ein blühendes Gemeindeſchulweſen vorhanden iſt, gegen dieſen Entwurf haben müſſen. Was die Verhandlung des Preußiſchen Städte⸗ tages betrifft, der, wie ich hoffe, einberufen wird, ſo möchte ich doch ſehr wünſchen, daß der Preußiſche Städtetag, wenn er ſich mit dieſer Materie befaßt, dann keine halbe Maßregel befürwortet, ſondern dann allerdings denjenigen Ruf ausſtößt, der die Gemeindeſchulen, der die Volksſchulen einer Stadt überhaurt zu einer gedeihlichen Entwickelung führen kann, den Ruf nach Beſeitigung des Religions⸗ unterrichts an den Volksſchulen überhaupt. (Stadtrat Dr. Jebens: Oh, oh!) Meine Herren, gerade aus dem Umſtande, daß die Befürworter der ſogenannten Simultanſchule fich immer auf den Standpunkt ſtellen, daß die Religion Gegenſtand des Volksſchulunterrichts ſein muß, ge⸗ rade daraus entſpringt ja doch ein großer Teil des Zwieſpaltes, gerade daraus entſpringt ja doch der Umſtand, daß Sie der Geiſtlichkeit in die Schulangelegenheiten ein Einſpruchsrecht geſtatten wollen, geſtatten müſſen. Wenn Sie den Religionsunterricht auch bei den Simul⸗ tanſchulen zulaſſen, ſo müſſen Sie ihn belaſſen bei den Konfeſſionen, deren Betenntnis in den Schulen gelehrt werden ſoll. Wenn Sie aber der Meinung ſind, daß dadurch Dinge in die Schule hineinkommen, die in die Schule durchaus nicht hin⸗ eingehören, dann, meine Herren, haben Sie die Ver⸗ pflichtung, nachdrücklich darauf hinzuweiſen bei den⸗ jenigen Gelegenheiten, die ſich Ihnen bieten. Wenn die Verhandlungen des Preußiſchen Städtetages dieſen Punkt nicht berückſichtigen, wenn Sie lediglich ſich damit begnügen wollen, gegen die weitere Ein⸗ ſchränkung der Selbſtverwaltung, die der Entwurf bringt, und gegen die Verſtärkung des kirchlichen Einfluſſes, die der Entwurf ebenfalls bringt, Ihre Stimme zu erheben, ſo bin ich der Uberzeugung, daß Sie auch da wiederum nur etwas Halbes begehen. Deswegen möchte ich wün⸗ ſchen, daß der Preußiſche Städtetag ſich darüber klar wird, daß eine wirkliche Löſung der Frage, inwieweit die Gemeindeſchulen wirklich Gemeindeſchulen ſind, wirklich der Verwaltung der Gemeinde unterliegen, gar nicht möglich iſt ohne gleichzeitige Löſung der kon⸗ feſſionellen Frage, d. h. nicht möglich iſt ohne gleich⸗ zeitige Beſeitigung des Religionsunterrichts aus der Volksſchule überhaupt. Meine Herren, wenn man die Herren Vor⸗ redner hier gehört hat, ſo könnte es ja beinahe ſo ſcheinen, als ob wir mit dem gegenwärtig beſtehenden Zuſtande — mit dem beſtehenden Rechtszuſtande, will ich mal ſagen, obwohl ja auf dem Gebiete des Schulweſens ein Rechtszuſtand gar nicht be⸗ ſteht — als ob die Gemeinde mit dem gegenwärtig beſtehenden Zuſtande durchaus zufrieden ſein könnte, und als ob es ſich nicht handeln muß um die Erringung einer wirklichen Selbſtverwaltung, als ob es ſich nur handeln kann um eine Bewahrung der gegenwärtigen Selbſtverwaltung. Meine Herren, Sie haben mehrfach der Anſicht Ausdruck gegeben, daß auch der beſtehende Zuſtand eine Selbſt⸗ verwaltung auf dem Gebiete des Schulweſens nicht gewährleiſtet; infolgedeſſen möchte ich wünſchen, daß auf dem Preußiſchen Städtetage der Geſichtspunkt hervorgehoben wird, nicht den beſtehenden Zuſtand nur aufrechtzuerhalten, ſondern eine wirkliche Selbſt⸗ verwaltung der Schule für die Gemeinde zu erringen. (Bravo!) Stadtv. Dr. Hubatſch: Meine Herren, es iſt 20 Minuten über 8 Uhr; fürchten Sie nicht, daß ich eine lange Rede halten werde! Ich wollte nur ein paar Worte ſagen. Ich wollte nur feſtſtellen, daß wir einig in dieſer Frage ſind; ich wollte nur feſt⸗ ſtellen, daß meine Freunde und ich uns vollſtändig den Umerzeichnern dieſer Anfrage anſchließen. Dieſer Volksſchulgeſetzentwurf widerſpricht ſo ſehr unſeren Charlottenburger UÜberlieferungen und den Zielen, die wir ſelbſt bis auf den heutigen Tag verfolgt haben, daß wir dringend wünſchen müſſen. daß er zu Fall lommt. Wir haben daher zu unſerer großen Freude aus dem Munde des Heren Oberbürgermeiſters ge⸗ hört, daß der Magiſtrat mit allen Kräften und aller Energie das Seinige tun wird, um das Geſetz zu be⸗ kämpfen, ſoweit es irgend in ſeiner Macht liegt. Wir haben alſo keine Veranlaſſung, uns zu fürchten, wir dertrauen vollſtändig dem Magiſtrat in dieſer Frage und hoffen, daß die Schritte, die er tun wird, zum Ziele führen werden. (Bravol) (Die Beſprechung wird geſchloſſen.) Stadtu. Otto (perſönliche Bemerkung): Meine Anregung be üglich der beiden Landtagsabgeordneten unſeres Wahlkreiſes war keineswegs ironiſch gemeint⸗ ſondern durchaus ernſt. (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Ir. Borchardt (perſönliche Bemerkung): Ich beglückwünſche Herrn Stadtv. Otto zu ſeinem großen Optimismus und ſeiner guten Meinung von dieſen beiden Herren. 1