—— 450 Notlage vorliegt oder nicht, iſt folgende. Es muß in Betracht gezogen werden die Höhe der Gehälter, welche die beireffenden Kategorien von Beamten, Lehrern und Arbeitern bei uns in Charlottenburg erhalten, und nach dieſer Richtung iſt zunächſt zu fragen: liegen die Verhältniſſe bei uns in Charlotten⸗ burg ebenſo, wie ſie in Berlin und denjenigen Vor⸗ orten liegen, die bereits eine Teurungszulage beſchloſſen haben, oder liegen ſie anders? Dieſe Frage iſt nach den von uns angeſtellten ſtatiſtiſchen Ermittelungen dahin zu beantworten, daß die Verhältniſſe bei uns anders liegen, und zwar erbeblich günſtiger. Denn die Gehälter, die wir an unſere Beamten und Lehrer zahlen, ſind mit geringen Ausnahmen, die hier gar nicht in Betracht kommen, höher, zum großen Teil erheb lich höher als in den Vororten, ja ſelbſt als in Berlin. Dieſe Gehälter haben wir am 1. April d. I feſtgeſtellt. und zwar gegen früher erheblich erhöht. Wenn alſo Berlin und die Vororte ihre Gehälter um 75 bezw. 50 ℳ jetzt erhöhen, und zwar nur einmal erhöhen, ſo folgen ſie erſtens nur verſpätet dem nach, was wir bereits am 1. April getan haben; ſie geben aber zweitens noch lange nicht ſo viel jetzt durch ihre Teurungszulage, als wir be⸗ reits am 1. April gegeben haben; denn die jetzt ge⸗ währte Summe von 50 oder 75 ℳ erreicht lange nicht das, was wir an Erhöhung der Gehälter wie der Löhne an die Arbeiter am 1 April 1905 zu⸗ gelegt haber. Drittens kommt hinzu, meine Herren, daß wir dauernd das Mehr gegeben haben, während die anderen Gemeinden nur einmal d ieſe Teuerungs⸗ zulage geben. Alſo, meine Herren, das Vorgeyen Berlins und ſeiner Vororte jetzt iſt von uns bereits längſt ſowohl der Zeit nach überholt, als auch über⸗ troffen dem Betrage nach. Alle aus dem Vorgehen von Berlin und den Vororten bezüglich Gewährung der Tenernngszulage gezogenen Folgerungen zerfallen; es folgt aus dieſem Vorgehen für uns nichts. Aber wir werden uns fragen müſſen, ob, ab⸗ geſehen von dem Verhältnis zu den Nachbargemeinden, vielleicht aus den eigenen Verhältniſſen heraus eine Tenerun gszulage berechtigt iſt. Dieſe Frage müſſen wir auch im vorliegendem Falle verneinen. Die Gehälter und Löhne, die wir für unſere Beamten, Arbeiter und Lehrer am 1. April 1905 fengeſtellt haven, ſind ſo liberal und ſo reichlich bemeſſen, daß unſere Beamten, Lehrer und Arbeiter gewiſſe Schwan⸗ kungen im wirtſchaftlichen Leben innerhalb des Rahmens dieſer Gehälter ertragen können, ſei es, daß die wirtſchaftlichen Schwankungen, alſo die Wirtſchaftserſchwerniſſe herbeigeführt werden durch Krankheit oder irgendwelche anderen perſönlichen Ver⸗ hältniſſe, ſei es, daß ſie, wie in dieſem Falle, herbei⸗ geführt werden durch eine Teuerung. Jedenfalls aber können wir ſagen, daß unſere Gehälter ſo be⸗ meſſen ſind, daß ſie diejenigen Schwankungen er⸗ tragen laſſen, die die jetzige Teuerung hervorbrinat, die Sie ſelbſt auf nicht mehr als durchſchnitilich 75 ℳ berechnen. Aber, meine Herren, wir können im Magiſtrat überhaupt die Berechtigung, eine allgemeine Tenerungs⸗ zulage zu gewähren, nicht anerkennen. Denn — immer ausgehend. von dem Grundſatz: wo eine Teuerungszulage gewährt wird, muß eine Notlage vorliegen es läßt ſich dieſe Frage nicht verallge⸗ meinern. Man muß in dieſem F ille individua⸗ liſieren, wenn man gerecht bleiben will, man muß auf jeden einzelnen Fall zurückgehen. Wer verall⸗ gemeinert, kommt bei dieſer Frage zu falſchen und damit zu ungerechten Reſultaten. Schon die Maximal⸗ grenze von 3000 ℳ, die Sie gezogen haben, iſt ein ſolches Unrecht. Wesholb denn 3000 ℳs? Ich kann mir ſehr gut den Fall denken, daß ein Beamler, der 3050 ℳ. hat, durch ſeine eigentümlichen Ver⸗ hältniſſe in einer viel größeren Notlage ſich befindet als ein Beamter, der 2495 oder 3000 ℳ hat. Und nun, meine Herren, bei den Gehaltsverhältniſſen unter den 3000 ℳ welche Verſchiedenheiten! Wollen Sie denn Perſonen, die z. B. Privatvermögen haben, was bei unſeren Beamten und Lehrern garnicht ſelten iſt, die von dieſem Privatvermögen Zinſen ziehen, ebenſo behandeln, ebenſo mit einer Teuerungszulage bedenken wie andere, die ein Privatvermögen nicht beſitzen und nur von ihrem Gehalt leben? Ferner diejenigen Beamten, welche Nebeneinnahmen haben — und es ſind darunter Nebeneinnahmen, z. B. durch die Verwaltung von Häuſern, die ſich auf 400, 500, 600 ℳ im Jahre belaufen — wollen Sie dieſen Beamten auch die Teuerungszulage von 75 ℳ gewähren ebenſo wie den anderen, die dieſe Nebeneinnahme nicht haben? Und noch ein dritter Fall, der beſonders nahe liegl: wollen Sie dem Be⸗ amten, der eine zahlreiche Familie von 6 bis 8 Köpfen hat, ebenſo die Teuerungszulage gewähren, wie einem Junggeſellen, der ganz ohne Anhang da⸗ ſteht und dasſelbe Gehalt hat? Sie ſehen, meine Herren, wohin man kommt, wenn man verallge⸗ meinert. — daß man zu Ungerechtigkeiten und zu Schiefheiten gelangt, wenn man nicht individualiſiert. Alſo wer nicht ungerecht ſein will, wer nicht dem, der es nicht braucht, etwas geben will, was er dem andern, der es nötiger braucht, entzieyt, der muß individualiſieren. Und das, meine Herren, wollen wir. Wir wollen uns jeden einzelnen Fall anſehen. Wir erkennen eine gewiſſe Teuerung an. Kommen noch andere wirtſchaftliche Erſchwerungen irgendwelcher Art hinzu — ich nehme als das Naheliegendſte längere Krankheit eines oder mehrerer Familienmitglieder an —, ſo kann in der Tat im einzelnen Falle ſehr wohl eine Notlage entſtehen, und in ſolchen Fällen wollen wir auch helfen, da wollen wir geben ebenſo wie Sie, und da wollen wir auch reichlicher geben in Anbetracht der vorliegenden Teu⸗ erungsverhältniſſe, als wir es ſonſt getan haben. Aber darüber hinaus wollen wir nicht gehen und, meine Herren, können wir auch nicht gehen. Wir ſtehen ganz anders da, als Männer, die ein Privatvermögen haben, und die aus ihrer Taſche geben, wenn ſie wohltun. Wir ſind Verwalter eines fremden Vermögens, und dieſes Vermögen ſetzt ſich zuſammen aus den Stenern unſerer Bürger, ſämtlicher Bürger, nicht blos der Beamten, ſondern auch aller Gewerbe⸗ und Handeltreibenden. Wir ſind nicht berufen und nicht befugt, einem uns beſonders nahe ſtehenden Teile unſerer Bürgerſchaft — das ſind unſere Beamten — eine Zuwendung zu machen aus dieſem Vermögen, wie ſie andere Bürger unſerer Stadt, die ſich vielleicht in viel ſchwierigerer Lage befinden, nicht erhalten können — wenn nicht eine Notlage da iſt. Das können wir nach unſerm pflicht⸗ gemäßen Ermeſſen nicht. Wenn eine Notlage da iſt, dann ſind wir befugt und berechtigt, zu geben, aber nicht, ſolange eine ſolche Notlage nicht nachgewieſen iſt. Wenn wir das täten, wenn wir nicht unter⸗ ſcheiden, individualiſieren wollten, nicht nur da geben wollten, wo eine Notlage vorliegt, ſo würde dies Vorgehen von weiten Kreiſen unſerer Bürger⸗ ſchaft nicht verſtanden werden. Es würde al8 ungerecht empfunden werden z. B. von einer