— 30 eine geheime wünſcht, daß Ihr eine Abänderung des Dreiklaſſenwahlſyſtems in ein allgemeines Wahlrecht wünſcht, und daß Ihr zum mindeſten eine Ein⸗ ſchränkung des Privilegs der Hausbeſitzer in ſeiner jetzigen Ausdehnung wünſcht, und ich will dieſem Antrage beitreten, d. h. Eurem Erſuchen Folge geben, oder auch nicht Folge geben — auch das würde ich verſtanden haben. Wenn aber der Magiſtrat ſagt: wir ſind damit beſchäftigt, Auszählungen vorzu⸗ nehmen —, ſo muß ich geſtehen, das iſt eine Ant⸗ wort, die ich nicht völlig verſtehe, und die mich in keiner Weiſe befriedigt, die mir die Sache einfach hinzuziehen ſcheint. Es kommt mir ſo vor, als ob der Magiſtrat nicht ſagen will: ich bin bereit, Schritte zu unternehmen —, und auch nicht ſagen will: ich will Eurem Erſuchen keine Folge geben —, ſondern die Sache etwas dilatoriſch behandeln will. Denn, meine Herren, was für Auszählungen ſollen das ſein? Die Verſammlung ſprach ſich dafür aus, daß das öffentliche Wahlrecht, die öffentliche Abſtimmung abgeſchafft werden möge. Man kann dem zuſtimmen, man kann das ablehnen. Die Verſammlung ſprach ſich dafür aus, daß das Dreiklaſſenwahlrecht beſeitigt werden ſollte, daß das Privileg der Grundbeſitzer eine Einſchränkung erfahren ſolle. Ja, meine Herren, in welcher Richtung können weitere Auszählungen von Wahlergebniſſen hier eine größere Klarheit ſchaffen? Das iſt mir nicht recht verſtändlich. Es kommt dazu, meine Herren, daß gerade in der letzten Zeit ſich der ſtädtefeindliche, der ſelbſt⸗ verwaltungsfeindliche Charakter der preußiſchen Po⸗ litik in ganz ausnahmsweiſe ſchroffer Weiſe gezeigt hat, und daß gerade angeſichts einer ſolchen Sachlage es mehr wie je die Pflicht der großen Kommunen wäre, Schritte zu unternehmen, um die Hand an die Wurzel des Ubels zu legen — nicht, um bei einzelnen beſtimmten Geſetzesvorlagen, bei denen dieſer kommunalverwaltungsfeindliche Charakter be⸗ ſonders in die Erſcheinung tritt, zu petitionieren, daß dieſe oder jene Maßregel unterbleiben ſoll, ſondern klar und deutlich dazu Stellung zu nehmen, daß alle derartigen Maßregeln, dieſe geſamte ſtädte⸗ feindliche Politit überhaupt nur möglich iſt, weil wir einen ſolchen Klaſſencharakter des Wahlrechts auch in den Kommunen haben genau ſo wie im Landtag. Meine Herren, wenn wir uns darüber klar ſind, daß die Politik des Landtags eine ſtädte⸗ feindliche iſt, und daß dieſe ſtädtefeindliche Politik gerade auf dem mangelhaften Wahlſyſtem beruht, dann, meine ich, ſollten wir allen Anlaß nehmen, in ſehr energiſcher Weiſe dahin zu ſtreben, daß wenigſtens bei den Wahlen zur Kommune dieſes Klaſſenwahlſyſtem, dieſes Wahlſyſtem, welches die Baſis einer ſolchen ſtädtefeindlichen Politik iſt, be⸗ ſeitigt wird. Deswegen kann ich mich mit dieſer Antwort, welche die Angelegenheit lediglich — nach meinem Empfinden — zu verſchleppen geeignet iſt, nicht ein⸗ verſtanden erklären und möchte Sie erſuchen, die Ant⸗ wort des Magiſtrats nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, ſondern gelegentlich dieſer Antwort auszu⸗ ſprechen, daß Sie in der Tat wünſchen, daß der Magiſtrat recht bald die Schritte unternehme, um mit den anderen Kommunen hier in Verbindung zu treten. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, ich möchte zunächſt gar keinen Zweifel darüber laſſen, daß der Herr Stadtv. Dr. Borchardt dem Magiſtrat unbe⸗ dingt zu nahe tritt, wenn er ihm hier unterſtellt, daß der Magiſtrat mit der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung Verſtecken ſpiele, daß er eine gewiſſe Unklarheit in der Formulierung Ihres Beſchluſſes zum willkommenen Anlaß nehme, um um die Sache herumzugehen, um ſich nicht mit Ihnen offen und ehrlich über die Materie auszuſprechen. Der Magiſtrat darf für ſich das Recht in Anſpruch nehmen, ein vollſtändig gleichberechtigter Faktor in der kom⸗ munalen Arbeit zu ſein; und ganz beſonders in einem ſo gearteten Falle, wie es dieſer iſt, wo er mit anderen Kommunen verhandeln ſoll, hat er die Pflicht, ganz genau zu prüfen, ob und in welchem Umfange er Ihrem Erſuchen nachkommen kann. Der Magiſtrat, der hier von Ihnen hinausgeſchickt werden ſoll, um Ihre Wünſche und Anregungen nicht nur im Rahmen und in den Grenzen unſerer Gemeinde zur Durchführung zu bringen, ſondern der ſich in die breite Offentlichkeit damit begeben ſoll, über⸗ nimmt allerdings, wenn er an die Ausführung dieſes Beſchluſſes herantritt, eine viel größere Verant⸗ wortung, als Sie ſeinerzeit übernommen haben, als Sie den Beſchluß faßten. Deshalb, glaube ich, werden Sie dem Magiſtrat nicht das Recht vorenthalten können, gründlich zu prüfen, ob und mit welchen Anregungen er an die beteiligten Stellen heran⸗ treten will. Nun aber, meine Herren, muß doch feſtgeſtellt werden, daß Sie ſeinerzeit in verſchiedenen Punkten die Frage in der Tat recht unklar gelaſſen haben. Es liegt z. B. nicht ſo, daß Sie geſagt haben: wir wünſchen, daß das Dreiklaſſenwahlrecht durch das gleiche allgemeine Wahlrecht erſetzt werde. Im Gegen⸗ teil, Sie haben in dieſer Beziehung die unbeſchränkte, unbedingte Übertragung des Reichstagswahlrechts auf die kommunalen Wahlen ausdrücklich abgelehnt. Es iſt von irgendeinem Plural⸗ oder Proportionalwahl⸗ recht in allen möglichen Variationen geſprochen worden; aber wie und in welcher Beziehung und in welcher Geſtalt Sie ſich eine Abänderung des Dreiklaſſen⸗ wahlrechts denken — über dieſe Frage iſt zum Mindeſten eine Übereinſtimmung in der Verſamm⸗ lung nicht erreicht worden, und ebenſowenig über die Frage, ob und in welchem Umfange das Recht der Hausbeſitzer beſchränkt werden ſoll. Nun kann Herr Stadtv. Dr. Borchardt garnicht einſehen, welche Auszählungen denn nötig ſeien, da⸗ mit der Magiſtrat überhaupt erſt eine Grundlage erhalte, um zu Ihrem Beſchluſſe Stellung zu nehmen. Meine Herren, ich kann einen Teil der Arbeiten, die bisher geleiſtet worden ſind, dem Herrn Stadtv. Dr. Borchardt mitteilen. Es iſt ausgezählt worden, in welchem Umfange ſich die einzelnen Steuerſtufen an den Wahlen beteiligt haben. Es iſt ausgezählt worden, wie lange die einzelnen Wähler ihren Aufenthalt in Charlottenburg gehabt haben, welcher Staatsange⸗ hörigkeit ſie ſind. Es iſt natürlich auch die erforderliche Auszählung für die Hausbeſitzer gemacht worden. Es iſt ausgezählt worden — und dabei liegt die Arbeit noch jetzt —, in welchem Alter ſich die einzelnen Wähler befunden haben, um etwa nach der Alters⸗ grenze Vorſchläge machen zu können und die Ge⸗ danken, die ja neuerdings auch nach dieſer Richtung hin an die Offentlichkeit getreten ſind, zu prüfen. Kurz und gut, es gibt eine Unzahl von Geſichts⸗ punkten, die ſtatiſtiſch erſt geklärt und verarbeitet werden müſſen, ehe man überhaupt greifbare Reſultate erzielen kann. Ich möchte nur darauf hinweiſen, einer wie gründlichen Prüfung ſelbſt anſcheinend ſo einfache Zahlen wie die, die Herr Stadtv. Dr. Borchardt bei der damaligen Verhandlung zutage gefördert hat, bedürfen, um ſie wirklich als verbürgt