. „3 = Vorſteher Roſenberg: Herr Stadtv. Vogel, der letztere Ausdruck war zwar ſehr vorſichtig gewählt, ich glaube aber doch, daß er etwas Verletzendes hatte. Wenn Sie den Ausdruck „verſchleppen“ nur über⸗ ſetzen und ſagen: der Magiſtrat wolle die Sache protrahieren, ſo haben Sie dem Magiſtrat, wenn auch mit Ihrem freundlichen, liebenswürdigen Geſicht, eine böſe Abſicht unterſtelll. Jetzt hat das Wort der Herr Bürgermeiſter. Bürgermeiſter Matting: Es kann hier von Ver⸗ ſchleppen gar keine Rede ſein. Die gemiſchte Depu⸗ tation hat es, ſoviel ich im Augenblick informiert bin, ausdrücklich abgelehnt, ſtädtiſcherſeits derartige Wohnungen zu bauen, und hat mit voller Zuſtim⸗ mung der Verſammlung den Weg beſchritten, durch Verhandlung mit dem Spar⸗ und Bauverein z. B. die Verwirklichung der Idee, die Herrn Stadtv. Vogel vorſchwebt, möglichſt zu erreichen. Ich bin feſt davon überzeugt, wenn es wirklich gelingen ſollte, auch nur 10% von den Wohnungen, die der Spar⸗ und Bauverein bauen will, für ſtädtiſche Arbeiter zu erhalten, daß das ſchon ein recht ſchöner Erfolg iſt. Denn ſelbſt wenn der Magiſtrat in eigner Regie an die Aufgabe heranginge, müßte er ſich wahrſcheinlich mit der Bereitſtellung von etwa 100 derartigen Woh⸗ nungen begnügen. Wir können ſelbſtverſtändlich nicht gleich für die ganze Armee von ſtädtiſchen Arbeitern Wohnungen bauen. Ich glaube, daß der Magiſtrat durchaus auf dem richtigen Wege iſt, um zu dem Ziele, daß der Herr Stadtv. Vogel wünſcht, zu ge⸗ langen. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Verſamm⸗ lung nimmt Kenntnis.) Berichterſtatter Stadtv. Stein: Frage 4. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, ich will mich durchaus hüten, irgendwie dem Magiſtrat den Vorwurf des Verſchleppens oder einer böſen Abficht zu machen. Aber aus der Antwort des Magiſtrats ſcheint mir hervorzugehen, daß der Magiſtrat zum mindeſten einem Irrtum zum Opfer gefallen iſt, denn er gibt uns eine Antwort, die in gar keiner Weiſe auf dasjenige paßt, um was er gebeten worden iſt. Meine Herren, ich möchte ganz kurz an den Verlauf der Angelegenheit erinnern. Seitens meiner Freunde war ein Antrag geſtellt worden unter mehreren anderen Anträgen, die Arbeitszeit der Ar⸗ beiter in ſämtlichen ſtädtiſchen Betrieben auf eine Maximalzeit von 9 Stunden anſtatt der bis jetzt üblichen 10 Stunden zu begrenzen. Dieſer Antag fand in der Kommiſſion, der von den freiſinnigen Herren die Herren Stadtv. Dr. Spiegel und Dr. Penzig, wenn ich nicht irre, angehörten, Annahme. Als dann aus der Kommiſſion die Anträge wiederum an das Plenum kamen, legte ſich der Herr Bürger⸗ meiſter mit großem Nachdruck dafür ein, daß dieſer Paſſus der Kommiſſionsanträge in der Form nicht angenommen würde, und zwar wies der Herr Bürger⸗ meiſter nachdrücklichſt darauf hin, daß ſich in keiner Weiſe die finanzielle Tragweite der Durchführung der Verwandlung der 10 ſtündigen in die 9ſtündige Arbeitszeit überſehen laſſe. Und, meine Herren, wenn meine Erinnerung mich nicht täuſcht, ſo war es gerade unter dem Eindruck dieſes nachdrücklichen Hinweiſes, daß die Mehrheit der Verſammlung davon Abſtand nahm, dem Antrag der Kommiſſion zuzu⸗ ſtimmen, ſondern — da weiß ich nun nicht mehr genau, ob ſofort im Plenum die jetzige Beſchluß⸗ faſſung beſchloſſen wurde, oder ob, wie ich glaube mich erinnern zu können, die Mehrheit der Verſamm⸗ lung die Angeiegenheit nochmals an die Kommiſſion zurückverwies, damit in der Kommiſſion möglichſt auch Aufſchluß gegeben werden könne über die finan⸗ zielle Tragweite der Durchführung eines ſolchen Be⸗ ſchluſſes. Allerdings möchte ich erwähnen, daß die Kommiſſion gerade von liberaler Seite mit anderen Herren beſetzt wurde. Den Verhandlungen in der Kommiſſion wohnte ich nicht bei. Aber es ſcheint doch, daß von Herrn Bürgermeiſter oder daß ſeitens des Magiſtrats in der Kommiſſion betont wurde, daß es ziemlich ſchwierig ſei, ſofort oder innerhalb kurzer Zeit einen Überblick über die finanzielle Trag⸗ weite des Beſchluſſes zu geben. Die Kommiſſion erklärte ſich infolgedeſſen damit einverſtanden, es vor⸗ läufig bei der 10 ſtündigen Arbeitszeit zu belaſſen, im übrigen aber der Verſammlung eine Beſchluß⸗ faſſung zu empfehlen, durch welche der Magiſtrat erſucht wurde, Erhebungen darüber anzuſtellen, wie die finanzielle Tragwene der Durchführung eines ſolchen Beſchluſſes ſich geſtalten würde. Die Ver⸗ ſammlung trat dann dieſem Antrage der Kommiſſion bei am 1. Februar 1905, alſo vor einem Jahre, und gegen Ende des Jahres, alſo nach länger als % Jahren, erteilt uns der Magiſtrat die Antwort, daß er die Angelegenheit dauernd im Auge behält und namentlich die einſchlägige Litteratur darüber verfolat. Nun, meine Herren, ſcheint mir dem Magiſtrat da doch ein ſtarkes Mißverſtändnis untergelaufen zu ſein, wenn er uns antworitet: er verfolgt eingehend die Litteratur — beſchäftigt ſich alſo eingehend jeden⸗ falls mit der Litteratur, die über die 10⸗, 9⸗ und Sſtündige Arbeitszeit exiſtiert und dauernd im Wachſen begriffen iſt. Denn das, was die Stadtverordneten⸗ verſammlung vom Magiſtrat wünſchte, hat ja doch mit dieſer Litteratur garnichis zu tun. Die Mehrheit der Stadtverordnetenverſammlung wünſchte eine Aus⸗ kunft darüber, wie groß die finanzielle Tragweite der Verwandlung der 10 ſtündigen in die 9ſtündige Arbeitszeit in Eharlottenburg ſein würde, und dieſe Auskunft kann meines Erachtens ohne jedes Litteratur⸗ ſtudium gegeben werden auf der Grundlage, die dem Magiſtrat in den Verwaltungsberichten aller derjenigen Deputationen zur Verfügung ſteht, in denen ſtädtiſche Arbeiter beſchäftigt werden. Deswegen ſcheint es mir nicht angebracht, daß wir uns mit dieſer Kenntnisnahme zufrieden geben. Es bleibt uns ja allerdings kaum etwas anderes übrig, als zunächſt die Antwort zur Kenntnis zu nehmen; aber darüber hinaus, meine ich, ſollten wir doch dem Magiſtrat keinen Zweifel darüber laſſen, daß wir wünſchen eine Auskunft über die finanzielle Tragweite der Durchführung dieſer Maßregel in Charlottenburg. Wenn das klar zum Ausdruck ge⸗ bracht wird, dann, glaube ich, würde der Magiſtrat doch wohl, ich will mal ſagen: im Verlauf von 4 Monaten allerlängſtens in der Lage ſein, uns eine ſolche Auskunft zu geben. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, ich glaube, der Herr Stadtv. Dr. Borchardt iſt dem Magiſtrat durch ſeine Ausführungen ungeheuer zu Hilfe gekommen. Er bat ſich nämlich ganz dieſelbe Interpretation Ihres Beſchluſſes angeeignel, die ſich der Magiſtrat zu eigen gemacht hat. Ihr Beſchluß vom 1. Februar 1905 lautet zwar: der Magiſtrat möge Erhebungen darüber anſtellen, welchen Berrag