33 die Löhne für tägliche 10 ſtündige Arbeitszeit in Tage⸗ reſp. Wochen⸗ und Monatslöhnen in den ſtädtiſchen „Betrieben erreichen; der Magiſtrat hat ſich aber ge⸗ ſagt, daß mit dieſer Zahl allein Ihynen natürlich nicht gedient ſein kann, ſondern Sie wollen wiſſen: welchen Aufwand wird möglicherweiſe die Durch⸗ führung des 9⸗ bezw. § ſtündigen Arbeitstages haben. Das heißt mit anderen Worten: welchen Zuſchlag zu den bisherigen Löhnen würde die Sladtgemeinde, wenn dieſe Maßregel durchgeführt würde, zu zahlen haben? Und das iſt allerdings eine Frage, die ſich nicht einfach durch Addition und Subtraktion löſen läßt, ſondern die eines gründlichen Studiums der Litteratur bedarf. Meine Herren, wenn im übrigen der Magiſtrat ſich zu Unrecht auf das Gebiet dieſes Studiums be⸗ geben haben ſollte, ſo würde er zum mindeſten auch hierfür eine Entſchuldigung in den Ratſchlägen finden dürfen, die Sie, und zwar vor allen Dingen gerade ein Freund des Herrn Stadtv. Dr. Borchardt, dem Magiſtrat in der Sitzung vom 1. Februar 1905 ge⸗ geben haben. Der Herr Stadw. Hirſch, der damals das Wort nahm, wies den Magiſtrat gerade hin auf das Studium der darüber erſchienenen Litieratur, z. B. auf die Statiſtik, die die Stadt Zürich ſoeben her⸗ ausgegeben hatte, und meinte, durch das Studium dieſes Werkes würde der Magiſtrat eine Reihe von Anregungen empfangen, die ihm vielleicht ganz dien⸗ lich ſein würden zum Zwecke der Bearbeitung der ihm übertragenen Frage. Nun hat der Magiſtrat ſich namürlich ſofort an das Studium dieſes Berichtes gemacht, allerdings aus dieſem Bericht im Sinne der Anregung, die Sie ihm gegeben haben, abſolut nichts eninehmen können, es ſei denn gerade in dem den Wünſchen der Herren Stadtv. Dr. Borchardt und Hirſch entgegengeſetzten Sinne. Denn es ergibt ſich z B. aus der Statiſtik der Stadt Zürich, daß auch in dieſer Stadt die ſog. Nettoarbeitszeit, vor allen Dingen im Sommer, im Durchſchnitt überall 10 Stunden beträgt. Sie ſchwankt zwiſchen 8¼ und 11 bis 12 Stunden, iſt aber bei der überwiegenden Mehrzahl der Arbeiter, bei mindeſtens 90%, nämlich 1045 Arbeitern, mit rund 10 Stunden augegeben. Auch die Nettoarbeitszeit im Winter iſt, wenn auch in nicht ganz ſo ſtarkem, aber annähernd gleichem Verhältnis mit zirka 10 Stunden angegeben, und zwar bei 523 Arbeitern. Sie ſehen alſo, es ergibt ſich aus dieſer Statiſtik der Stadt Zürich, daß auch dort die Regel der 10 ſtündige Arbeitstag bildet. Meine Herren, damit allein iſt es natürlich nicht gemacht. Es handelt ſich um die Frage: iſt die Theſe richtig, daß durch die Verkürzung der Arbeits⸗ zeit eine derartige Hebung der Arbeitsleiſtung eintritt, daß eben der etwaige Ausfall an Löhnen bezw. ſtundenmäßiger Arbeitszeit wieder wettgemacht wird. Das iſt eine Erfahrungsfrage, die nicht innerhalb von vier Monaten gelöſt werden kann, ſondern die eben eines Studiums der über dieſe Frage erſchienenen Litteratur bedarf, und zum Zwecke dieſes Studiums hat allerdings der Magiſtrat weitere Erhebungen an⸗ geſtellt. Er hat die darüber erſchienene Litteratur verfolgt und dabei feſtſtellen können, daß der Ge⸗ danke einer Verkürzung der 10 ſtündigen Arbeitszeit allmählich Boden gewinnt, daß ſelbſt Staatsbetriebe, wie z. B. die Eiſenbahnverwaltungen, in letzter Stelle ſogar die preußiſche Eiſenbahnverwaltung, verſuchs⸗ weiſe eine Verkürzung des 10 ſtündigen Arbeitstages auf einen 9ſtündigen eingeführt haben. Es ergibt ſich aber ebenfalls wieder aus dieſen Materialien, daß es ſich da in der Hauptſache um Stücklohnorbeit handelt, und infolgedeſſen ſind auch die für dieſe Betriebe gemachten Erfahrungen, ſoweit man über⸗ haupt von Erfahrungen reden kann, für uns noch nicht beweiskräftig; denn wir haben in unſeren Betrieben verhältnismäßig ſehr wenig Stücklohnarbeit. Ein zweites Ergebnis dieſes Studiums iſt aber ferner geweſen, daß in ſtädtiſchen Betrieben, vor allen Dingen im Gasanſtaltsbetriebe, von verſchiedenen Städten in dieſer Richtung Verſuche gemacht worden ſind. Königsberg, Berlin, Würzburg und Elberfeld ſind z. B. ſolche Städte. Man hat ſich auch dort vorläufig außerordentlich vorſichtig an die Frage heranbegeben und greifbare Erfahrungen liegen jeden⸗ falls noch nicht vor. Nichtsdeſtoweniger hat aber auch unſere Verwaltung nicht etwa die Abſicht, zu warten, bis auswärtig abgeſchloſſene Erfahrungen erzielt ſind, ſondern, wie ich mich informiert habe, beabſichtigt z. B. unſere Deputation für die Gaswerke, auch ihrerſeits ſobald wie möglich an einen gleichen Verſuch heranzugehen. Mir hat der Betriebsdirektor der Gasanſtalt geſagt, daß wahrſcheinlich ſchon im Frühjahr dieſes Jahres der Verſuch bei der Gas⸗ anſtalt werde gemacht werden. Sie ſehen alſo, daß auch hier der Magiſtrat durchaus nicht der böswillige Verſchlepper iſt, ſondern daß er mit völligem Entgegenkommen, aber allerdings auch unter voller Erkenntnis der Verantwortung an die Sache herantritt, und daß ſie bei uns weiter verfolgt wird, ſo wie unſere Auskunft Ihnen beſagt. Ich glaube aber nicht, daß Sie dem Magiſtrat einen Vorwurf daraus werden machen können, daß er aus der Litteratur und auswärtigen Erfahrungen einen Wegweiſer ſucht für die Schritte, die er ſeinerſeits zu tun haben wird. Stadtv. I)r. Spiegel: Meine Herren, der Herr Bürgermeiſter hat uns hier einige Mitieilungen gemacht, die mich ſehr erfreut haben, die aber doch nicht auf⸗ klären, weshalb der Magiſtrat es durchaus ſür nötig hielt, Litteratur zu ſtudieren, um eine ein⸗ fache Anfrage über Charlottenburger Verhältniſſe zu beantworten. Ich muß im Eiklang mit dem Herrn Kollegen Dr. Borchardt ſagen, daß der Antrag, den ich ja ſeinerzeit geſtellt habe, nichts anderes bedeutete. als daß wir für eine künftige Beratung der Frage nicht eiwa ſchon Beſchlüſſe von ſeiten des Magiſtrats haven wollen, ſondern das zahlenmäßige Material, das wir der etwaigen Diskuſſion zugrunde legen können, und aus dem dann jeder ſeine Schlüſſe je nach jeiner ſpeziellen Anſicht ziehen kann. So war der Antrag gemeint, und ſo war er vegründet. Aller⸗ dings hat der Herr Bürgermeiſter darin recht, daß gerade ſeitens eines der Freunde des Herrn Dr. Borchardt eine Unklarheit hineingetragen wurde; denn Herr Kollege Hirſch hatte damals gebeten, der Magiſtrat möge ſich nicht darauf beſchränken, ſondern möge auch gleichzeitig die Luteratur ſtudieren. Aber das war eine Anregung des Herrn Kollegen Hirſch, der die Verſammlung nicht gefolgt iſt; die Ver⸗ ſammlung hat lediglich den von mir geſtellten Antrag ohne jeden Zuſatz angenommen. Der Herr Bürgermeiſter hat aber auch darin wieder recht, daß Herr Kollege Dr. Borchardt heute wieder etwas geſagt hat, was die Auffaſſung des Magiſtrats bekräftigen kann, nämlich daß wir ein bereits reifes Material vom Magiſtrat erwarten. Das ift nicht der Fall. Wir erwarten kein Material, das die Frage löſt, ſondern wir erwarten ein Material — und das iſt beantragt worden —, das uns für Debatten zur Löſung der Frage eine zuverläſſige