35 Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, dem Herrn Stadtv. Dr. Borchardt kann ich die Ver⸗ ſicherung geben, daß mir das Mißverſtändnis, das er mir zugemutet hat, ihm gegenüber wirklich nicht hätte paſſieren können. Im übrigen aber iſt zweifellos, daß die Stadtverordnetenverſammlung in ihrer Majorität nicht auf dem Standpunkt geſtanden hat, à tout prix eine Verkürzung der Arbeitszeit von 10 auf 9 Stunden durchzuführen. Denn ſonſt hätte ſie ja nicht Veranlaſſung gehabt, den erſten in dieſem Sinne gefaßten Beſchluß ihres Ausſchuſſes an dieſen Ausſchuß zurückzuverweiſen. Da war ja dem ſozialdemokratiſchem Standpunkt entſprechend vorge⸗ ſchlagen worden, eine Verkürzung der Arbeitszeit von 10 auf 9 Stunden vorzunehmen ohne jedes weitere Rechenexempel. Nein, die Verſammlung ſtand durchweg auf dem Standpunkt, daß es durch⸗ aus nicht gleichgiltig iſt, ob und in welchem Maße durch eine Verkürzung der Arbeitszeit ein Ausfall an Arbeitsleiſtung ſtattfindet, und wünſchte ganz genaue Grundlagen über die finanzielle Tragweite der Maßregel. Im übrigen aber muß ich in einer Richtung den Herrn Stadtv. Dr. Borchardt berichtigen. Es iſt meiner Meinung nach durchaus falſch, daß der Herr Stadtv. Dr. Spiegel ſich hinſichtlich der Aus⸗ legung des Beſchluſſes vom 1. Februar 1905 auf ſeinen Standpunkt geſtelll hat. Herr Stadtv. Dr. Borchardt hat nun immer wieder auch in ſeinen letzten Ausführungen die Sache ſo dargeſtell“, als ſollte der Magiſtrat der Verſammlung vorrechnen, welchen Ausfall die Verkürzung der Arbeitszeit haben würde, und das iſt eben ein Erempel, das wir Ihnen nicht löſen können. Wie ich bereits aus⸗ geführt habe, handelt es ſich, wie jetzt Herr Stadtv. Dr. Spiegel klipp und klar feſtgeſtellt hat, lediglich um die Frage, zu ermitteln, welche Arbeitslöhne augenblicklich nach Akkord⸗, Stunden⸗ und Monats⸗ lohn gezahlt werden. Das iſt ſelbſtverſtandlich eine Auskunft, die gegeben werden kann. Im Geſamt⸗ betrage war ſie übrigens auf ca. 1 700 000 ℳ bereifs ermittelt; nur fehlt noch die Spezifikation, die ich ſelbſtwerſtändlich ſobald wie irgend möglich zuſammenſtellen laſſen und der Verſammlung mit⸗ teilen werde. Stadtv. Dr. Frank: Meine Herren, es iſt hier ſoviel mit Mißverſtändniſſen manipuliert worden, daß ich wenigſtens über einen Punkt, wo volle Klarheit herrſcht, und über den auch Herr Stadtv. Dr. Borchardt unterrichtet ſein müßte, Ihnen be⸗ richten möchte. Es iſt in der Gasdeputation un⸗ fraglich und unzweifelhaft feſtgeſtellt worden, daß eine Reduktion der Arbeitszeit auf 9 Stunden nach der ganzen Technik des Betriebes unmöglich iſt. Es ift weiter feſtgeſtellt worden, daß eine Reduktion der Arbeitszeit auf 8 Stunden dadurch möglich iſt, daß man dann 3 Schichten anſtatt 2 einführt, daß aber dann nach den Zahlenreſultaten, die wir von Bremen haben, wo das verſucht worden iſt, eine Erhöhung des Arbeitslohnes um 50% eintritt. Das ſind ganz beſtimmte und feſtſtehende Zahlen, und ich glaube nicht, daß daran etwas zu ändern ſein wird. In welcher Weiſe man auch die Sache angreift, die Er⸗ gebniſſe haben ſich nach allen Richtungen be⸗ wahrheitet. Ich möchte aber noch auf ein Moment auf⸗ merkſam machen, was auch Herr Dr. Borchardt nicht voll gewürdigt hat, obgleich ihm die Verhältniſſe hier doch nicht ganz unbekannt ſind. Gerade die Verwaltung der ſtädtiſchen Gasanſtalt hat beſtändig danach geſtrebt, zwar nicht die Arbeitszeit zu ver⸗ ringern, weil das nicht in den Rahmen der Arbeit paßte, wohl aber die Arbeit ſelbſt zu vermindern, und ſo ſind jahraus jahrein große Summen aufge⸗ wendet worden. Ich kann Ihnen überſchläglich als Minimum die Zahl von 2 Millionen ℳ angeben, welche nur dazu Verwendung gefunden haben, die Arbeiter zu entlaſten und die Arbeit zu verringern. Von dieſen 2 Millionen haben wir bis jetzt keinen Pfennig Zinſen geſehen. Die Löhne ſind genau dieſelben geblieben, ſowohl für die Arbeitseingeit wie für den einzelnen Arbeiter, ſodaß alſo der Vorwurf mangelnder Berückſichtigung der Arbeiter die ſtädtiſche Verwaltung nicht trifft. Ich glaube. das (äßt ſich in dieſem Falle zahlenmäßig feſtſtellen. Stadtv. Dr. Spiegel: Meine Herren, ich möchte nur ganz kurz noch einmal klarſtellen, daß wir in der Tat nicht vom Maaiſtrat verlangt haben, wie Herr Dr. Borchardt ſich wieder ausdrückt, eine Be⸗ rechnung der Mehrkoſten nach Einführung der 9ſtündigen Arbeitszeit, ſondern lediglich, wie es Herr Bürgermeiſter Matting eben aufgefaßt hat, das Material darüber, was tatfächlich an die Arbeiter in unſeren ſtädtiſchen Betrieben gezahlt wird. Ich habe das auch damals ſchon als Referent, indem ich den Antrag ſtellte, ausgeführt. Es heißt da aus⸗ drücklich: „eine Zuſammenſtellung, bei der geſondert an⸗ geführt werden diejenigen Löhne, welche für eine 10 ſtündige Arbeitszeit in Tage⸗ reſp. Wochen⸗ oder Monatslohn gezahlt werden.“ Aufgrund eines ſolchen Materials, meinten wir eben, könnte man dann einmal ernſthaft darüber dehattieren, wie man am richtigſten die Mehrkoſten berechnet. Die vollſtändige Berechnung dieſer Mehr⸗ koſten kann uns der Magiſtrat nicht geben, weil über die Art, wie ſie zu berechnen ſind, die Meinungen auseinandergehen. Der Herr Bürgermeiſter hat jetzt richtig ver⸗ ſtanden, was wir wollen, und ich darf nun hoffen, daß der Magiſtrat uns bald dieſe Zuſammenſtellung vorlegen wird. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, zu meinem Bedauern muß ich zum dritten Mal in dieſer Angelegenheit das Wort ergreifen. Aber lediglich die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Frank zwingen mich dazu. Durch die Anfrage und ihre Erledigung war an ſich, wie mir ſchien, nicht gerade Gelegenheit gegeben, oder es war nicht gerade notwendig, die Verhältniſſe der ſtädtiſchen Gasarbeiter mit heranzuziehen. Wenn aber Herr Kollege Frank das hier getan hat, ſo muß ich meinerſeits aufs entſchiedenſte der Behauptung des Herrn Kollegen Profeſſor Frank widerſprechen, daß etwa in der Deputation der Gasanſtalt feſtgeſtellt worden iſt, daß eine Verwandlung der 10ſtündigen Arbeitszeit in eine oſtündige techniſch unmöglich iſt. Meine Herren, es iſt mir, der ich der Gasdeputation ebenfalls angehöre, von einer eingehenden Unter⸗ ſuchung hierüber ſeitens der Deputation nichts be⸗ kannt, und ebenſo wenig iſt mir bekannt, daß in der Gasdeputation etwa, wie Herr Kollege Profeſſor Frank ſoeben behauptet hat, feſtgeſtellt worden iſt, daß eine Verwandlung der 10ſtündigen Arbeitszeit in eine Sſtündige Arbeitszeit eine Verteuerung der Löhne um 50% herbeiführen würde. Derartige Unter⸗ ſuchungen müßten dann eben angeſtellt worden ſein,